TNr. 13: Unzureichendes Raumklima im DLZ des Finanzamts München

Im Dienstleistungszentrum des Finanzamts München wird in den Sommermonaten auch zehn Jahre nach der Bauübergabe noch kein zufriedenstellendes Raumklima erreicht. Ursächlich sind die grundsätzlichen Probleme bei Glasfassaden, ein nicht hinreichend genutzter Sonnenschutz sowie eine unzureichende Funktion der Lüftungsanlage. Die Nachbesserungen erzielten nicht den gewünschten Erfolg.
Der ORH fordert, die Verantwortlichkeiten für die Mehrkosten aufzuklären und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen.
Gerade bei Gebäuden mit Glasfassade müssen Architektur und Haustechnik vom Entwurf bis zum Betrieb ganzheitlich betrachtet werden.
Der ORH untersuchte 2006 bei einer Querschnittsprüfung von staatlichen Gebäuden mit hohem Glasanteil in der Fassade u. a. den Bau des Dienstleistungszentrums des Finanzamts München. Dabei stellte er fest, dass die Lüftungsanlage nicht zufriedenstellend funktionierte. Bauverwaltung und Nutzer sanierten daraufhin die Anlage. 2012 führte der ORH eine Folgeprüfung durch. Der Prüfungsschriftwechsel wurde sowohl mit der Obersten Baubehörde als auch mit der Finanzverwaltung geführt.
13.1 Ausgangslage
Der Neubau für das Dienstleistungszentrum des Finanzamts München wurde von der staatlichen Bauverwaltung errichtet und 2003 an den Nutzer übergeben. In dem zentral auf dem Grundstück gelegenen Gebäude ist neben einer Tiefgarage und einer Kantine das Dienstleistungszentrum untergebracht. Wegen seiner Funktion als erste Anlauf- und Informationsstelle des Finanzamts wurde der Bau repräsentativ, die Fassade weitgehend transparent - also mit hohem Glasanteil - ausgeführt.
Gebäude mit hohem Glasanteil in der Fassade sind in Planung, Bau und Betrieb aufwendiger und teurer als Fassaden in konventioneller Bauweise.[1] Sie erfordern aufwendige betriebstechnische Anlagen, zum Beispiel zur maschinellen Be- und Entlüftung und zur Kälteerzeugung. In der Regel sind sowohl ein äußerer Sonnenschutz als auch ein innerer Blendschutz notwendig. Insbesondere der Sonnenschutz wird durch den Nutzer häufig nicht sachgerecht betrieben.
Dies trifft auch auf das Gebäude des Dienstleistungszentrums zu. Die Glasfassade war ein wesentlicher Grund für die Kostenentwicklung von zunächst vorgegebenen 2,6 Mio. € auf 7,87 Mio. € in der genehmigten Haushaltsunterlage-Bau und schließlich Gesamtkosten von 9,97 Mio. € einschließlich dreier Nachträge.
Der ORH hatte 2006 bei der Querschnittsuntersuchung von insgesamt 20 Einzelfassaden die jeweils spezifischen Fassadenkosten abhängig von ihrem Glasanteil bestimmt.[2] Die Spanne aller Objekte reichte von 300 €/m2 für einfache Lochfassaden bis 1.800 €/m2 für aufwendige Fassadenkonstruktionen mit hohem Technikanteil. Für das Dienstleistungszentrum des Finanzamts München wurden damals Fassadenkosten von 1.030 €/m2 ermittelt. Durch die nachträglichen Arbeiten an der Lüftungsanlage, die vor allem den thermischen Belastungen durch die Glasfassade geschuldet waren, stiegen die spezifischen Fassadenkosten des Dienstleistungszentrums preisbereinigt auf 1.583 €/m2 (vgl. Abbildung 10).
13.2 Feststellungen
Bei der Folgeprüfung im Jahre 2012 stellte der ORH fest, dass die Arbeitsplatzqualität des Dienstleistungszentrums nach wie vor eingeschränkt ist. Trotz Nachbesserungen klagten Besucher und Beschäftigte über stickige Luft, Zuglufterscheinungen und zu hohe Raumtemperaturen. Das Finanzamt befürchtet gesundheitliche Beeinträchtigungen der Bürger und Mitarbeiter.
13.2.1 Sonnenschutz nicht aktiviert
Bei der Planung des Gebäudes wurde die konsequente Verwendung des Sonnenschutzes vorausgesetzt. Nur so lässt sich die gewünschte Raumtemperatur auch im Sommer erreichen.
Tatsächlich wurde der Sonnenschutz auch bei voller Einstrahlung von den Beschäftigten nicht oder nur teilweise (als Blendschutz) benutzt. Die vollautomatische Steuerung war bis auf einen automatischen Windwächter, der Schäden bei Starkwind verhindert deaktiviert, weil der Sonnenschutz die Räume zu sehr verdunkelte.
Die Überhitzung des Großraums ist hauptsächlich auf die unzureichende manuelle Bedienung der Sonnenschutzanlage zurückzuführen. Dieses Nutzerverhalten hat den Strahlungseintrag in das Gebäude um bis zu 280% erhöht. Eine vorsichtige Schätzung des ORH ergab eine zusätzlich erforderliche Kälteleistung von 15 kW, wenn der äußere Sonnenschutz allein auf der Südseite nicht verwendet wird.
13.2.2 Erneuerung der Lüftungsanlage aufgrund unzureichender Funktion
Die mit dem Gebäude errichtete Lüftungsanlage für das Dienstleistungszentrum kostete ursprünglich 60.400 € zuzüglich Baunebenkosten.
Bereits kurz nach Fertigstellung fielen bei den haustechnischen Anlagen erhebliche Defizite auf. Lüftungs-, Heizungs-, Kälte- und die zugehörigen Mess-, Steuer- und Regelungsanlagen wurden zwar für sich betrachtet fertiggestellt, ihre Funktion und ihr Zusammenwirken wurde aber im Zuge der Inbetriebnahme nicht mehr optimiert. Eine gleichmäßige Luftverteilung im Raum funktionierte nicht.
Bis ins Jahr 2009 versuchte das Bauamt, die bestehende Anlage zu ertüchtigen. Da die Sanierungsarbeiten kein befriedigendes Ergebnis brachten, wurde ein Ingenieurbüro mit Planungsleistungen zur Reparatur und Optimierung der Lüftungsanlage beauftragt. Ergebnis war eine im Juni 2009 vorgelegte Machbarkeitsstudie. Die darin vorgeschlagenen Maßnahmen sollten für zuträgliche Temperaturen im Sommer sorgen. Bei gleichbleibendem Außenluftvolumenstrom sollte der Gesamtluftvolumenstrom im Raum von 9.700 m3/h auf 18.000 m3/h fast verdoppelt und die Leistung der Kältemaschine von 22,8 kW auf 73 kW mehr als verdreifacht werden. Berücksichtigt wurde dabei auch, dass sich nicht, wie ursprünglich geplant 100, sondern in Spitzenzeiten bis zu 300 Personen gleichzeitig im Raum befinden. Dafür sollten die bestehenden Lüftungskanäle umgebaut bzw. erweitert sowie neue Zuluftauslässe errichtet werden. Die Kosten hierfür wurden auf 387.000 € geschätzt. Unberücksichtigt blieb bei der Machbarkeitsstudie allerdings der unzureichende Einsatz des Sonnenschutzes.
Die Arbeiten wurden von August 2009 bis Dezember 2009 ausgeführt. Es traten allerdings weiterhin Probleme mit der Luftqualität auf. Die Nachbesserungsarbeiten an der weitgehend erneuerten Lüftungsanlage waren bis zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen des ORH (September 2012) noch nicht abgeschlossen. Für den Umbau und die vorhergehenden Sanierungsversuche entstanden Kosten in Höhe von 648.000 €, die zusätzlich zu den Kosten der Großen Baumaßnahme aus Bauunterhaltsmitteln finanziert wurden.
Trotz der sich über Jahre hinziehenden Arbeiten konnte bis zum Sommer 2013 keine einwandfreie Funktion der Lüftungsanlage erreicht werden. Die Besucher und Beschäftigten beschwerten sich weiterhin über stickige Luft und Zugluft. Ein Rauchversuch zur Strömungssimulation im Gebäude im September 2013 hat die noch immer unzureichende Funktion der Lüftungsanlage erneut bestätigt.
13.2.3 Mangelhafte Leistung des Ingenieurbüros
Das Ingenieurbüro, das die Machbarkeitsstudie erstellt hatte (vgl. TNr. 13.2.2), erhielt vom Bauamt zur Umsetzung der Studie einen weiteren Planungsauftrag über den Neubau der Lüftungsanlage. Der Vertrag umfasste die komplette Vor- und Entwurfsplanung sowie die Überwachung der Bauausführung inkl. 30% Umbauzuschlag. Die Machbarkeitsstudie und die anschließende Planung und Ausführung der Arbeiten führten nicht zu dem gewünschten Erfolg.
Die bei der Machbarkeitsstudie erbrachten Planungsleistungen wurden beim Folgeauftrag nicht honorarmindernd berücksichtigt. Einbehalte oder Abzüge vom Honorar aufgrund mangelhafter Leistungserfüllung erfolgten bis zur Prüfung des ORH nicht.
13.3 Würdigung des ORH
Das Dienstleistungszentrum erhielt eine der teuersten Fassaden aller vom ORH im Jahr 2006 untersuchten Gebäude.[3] Glasfassaden erfordern regelmäßig die Installation von Sonnen- bzw. Blendschutzanlagen. Deren konsequente Anwendung ist zwar Voraussetzung für den sommerlichen Wärmeschutz, führt aber in der Praxis, so auch hier, zu Schwierigkeiten. Deshalb wurde versucht, die Wärme durch Verbesserungen bei der Lüftungsanlage abzuführen. Die mehrmaligen Sanierungsversuche und der Umbau der Lüftungsanlage kosteten den Freistaat zusätzlich 648.000 €. Die Probleme mit der Zugluft bestanden dennoch fort.
Insgesamt gelang es selbst nach einer Betriebszeit des Gebäudes von 10 Jahren nicht, im Sommerbetrieb zuträgliche Raumbedingungen herbeizuführen; Besucher und Beschäftigte mussten weiter ein schlechtes Raumklima erdulden. Außer den erheblichen Mehrkosten für die Sanierungsversuche entstand auch ein erhöhter Betriebsaufwand für das Gebäude. Dieser Fall zeigt, dass Architektur und Haustechnik bereits bei der Vor- und Entwurfsplanung ganzheitlich betrachtet werden müssen.
Ingenieurverträge sind Werkverträge. Das planende Ingenieurbüro schuldet ein fertiges, funktionsfähiges Werk. Wird diese Leistung nicht erbracht, sind Schadensersatzansprüche zu prüfen und vertragliche Mängelansprüche geltend zu machen. Die Leistungen des Ingenieurbüros waren nicht zufriedenstellend. Die Planungsleistungen der Machbarkeitsstudie hätten beim Folgeauftrag angerechnet werden müssen. Künftig ist darauf zu achten, dass den Planern nur einwandfrei nachgewiesene Leistungen vergütet werden.
13.4 Stellungnahme der Verwaltung
Finanzministerium und Oberste Baubehörde teilen mit, der automatische Sonnenschutz sei im Nachgang zur erneuten Prüfung des ORH wieder in Betrieb genommen worden.
Unabhängig davon begründet die Bauverwaltung den Umbau der Lüftungsanlagen und die Erhöhung der mechanischen Kälteleistung damit, dass sie die Raumluftqualität wegen des Nutzerverhaltens auch ohne konsequenten Sonnenschutz durch eine deutlich höhere abzuführende Kühllast verbessern wollte. Zudem sei in der Planung von einer Frequentierung des Raumes mit gleichzeitig 100 Personen ausgegangen worden. Aktuell seien es bis zu 300 Personen. Die Anforderungen an die Haustechnik seien dadurch grundlegend geändert gewesen.
Durch verschiedene Maßnahmen an der Funktionalität des Sonnenschutzes und der Lüftungsanlage habe eine wesentliche Verbesserung der Luftqualität erreicht werden können.
Im Übrigen sei das Dienstleistungszentrum ein Pilotprojekt in der Steuerverwaltung gewesen. Nachträgliche Anpassungen seien erfahrungsgemäß immer kostspieliger und technisch aufwendiger. Die Höhe der lt. ORH unnötig ausgegebenen Mittel sei nicht eindeutig ermittelbar.
Die Bauverwaltung untersuche derzeit, inwieweit und in welcher Höhe ein Schaden aufgrund mangelhafter Planung entstanden sei und ob dem Ingenieurbüro weitere Mängel anzurechnen seien.
Die hohen spezifischen Kosten der Fassade rührten von dem Wunsch des Bauherrn her, ein repräsentatives Gebäude zu errichten. Ein Vergleich mit Bürofassaden sei nur bedingt möglich. Die Bauverwaltung sei sich der Problematik von Glasfassaden jedoch bewusst und werde bei zukünftigen Bauvorhaben die Empfehlungen des ORH aus dem Jahresbericht 2007[4] beachten.
13.5 Abschließende Bemerkung des ORH
Auch ein repräsentatives Gebäude muss den Ansprüchen der Mitarbeiter und Besucher gerecht werden. Der Neubau des Servicezentrums zeigt, dass bei Gebäuden mit Glasfassaden nicht nur höhere spezifische Kosten der Fassaden und der Gebäude selbst entstehen, sondern auch der Gebäudebetrieb schwieriger und kostenintensiver wird.
Die zunehmende Komplexität der Anlagen erfordert dabei nicht nur eine gut abgestimmte Planung, sondern insbesondere auch eine sorgfältige Einregulierung unter Beteiligung des Nutzers. Dies gilt besonders bei Gebäuden mit Glasfassaden, da dort wegen der intensiveren Sonneneinstrahlung meist Sonnenschutz, mechanische Lüftung und Kälteerzeugung notwendig werden. Die funktionsgerechte Inbetriebnahme eines Gebäudes bzw. die Ertüchtigung und Optimierung der technischen Anlagen gehören zur Errichtung eines Gebäudes und nicht zum Bauunterhalt.
Die Nachbesserungen mit Zusatzkosten von 648.000 € haben die Probleme beim Dienstleistungszentrum nicht gelöst. Der ORH fordert, die Verantwortlichkeiten für die Mehrkosten aufzuklären und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen.
Der ORH weist nochmals darauf hin, dass staatliche Gebäude mit Glasfassaden in Architektur und Haustechnik vom Entwurf bis zum Betrieb ganzheitlich betrachtet werden müssen und nur gebaut werden dürfen, wenn sich dies als wirtschaftlich erweist.
[1] ORH-Bericht 2007 TNr. 19.
[2] Erfasst wurden die Kostengruppen 300 und 400, soweit diese die Fassade und die wegen der Fassade notwendigen haustechnischen Anlagen betrafen.
[3] Vgl. Abbildung 10.
[4] ORH-Bericht 2007 TNr. 19.3.