TNr. 38: Datenbestand zu staatlichen Immobilien

Der ORH hat 2018 zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Augsburg die Eignung des Bayerischen Liegenschaftsinformationssystems (BayLIS) als zentrales digitales Liegenschaftsinformationssystem für die Aufgabenerfüllung der Immobilien Freistaat Bayern (IMBY) geprüft. Er hatte in den vergangenen Jahren mehrfach festgestellt, zuletzt bei der Prüfung "Staatliche Rechte an Grundstücken Dritter“,[1] dass der Datenbestand in BayLIS Defizite aufweist. Nun wurde untersucht, inwieweit BayLIS die mit der Beschaffung des Systems verfolgten Ziele erfüllt. Prüfungsmaßstab waren dabei Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.
38.1 Ausgangslage
Das Immobilienvermögen des Freistaates ist der größte staatliche Vermögensposten mit einem nicht näher bekannten Wert in Milliardenhöhe und umfasst jedenfalls 180.000 Grundstücke. Dabei handelt es sich bei 160.000 Grundstücken um Forstgrundstücke, Gewässer, Straßen und Wege.
38.1.1 Immobilien Freistaat Bayern
Die IMBY ist ein nach Art. 26 BayHO kaufmännisch eingerichteter Staatsbetrieb. Sie steht seit 22.03.2018 unter der Rechts- und Fachaufsicht des Bauministeriums.[2]
Zu den Aufgaben der IMBY gehört die ressortübergreifende Wahrnehmung der klassischen Eigentümerfunktionen des Portfoliomanagements durch Verwaltung des Datenbestands der staatlichen Immobilien, Optimierung der wirtschaftlichen Verwendung und Verwertung der Immobilien, ein zentrales Flächenmanagement und ein kaufmännisches Facility-Management (z.B. Vertragsmanagement der An- und Vermietungen).[3]
38.1.2 Bayerisches Liegenschaftsinformationssystem
Die Finanzverwaltung[4] definierte 2000 u.a. folgende Ziele, die mit der Einführung eines zentralen digitalen Instruments für das Immobilienmanagement erreicht werden sollten:
- Erfassung des Gesamtbestands aller staatseigenen und angemieteten Immobilien sowie deren Nutzung und Wert.
- Quelle für zeitnahe, umfassende Führungsinformationen (Kennzahlen).
- Zentrale Auswertungsmöglichkeiten, z.B. zur Entwicklung einer Vermögensstrategie, zur Optimierung der Nutzung von staatseigenen und angemieteten Immobilien, zur Optimierung der Vorgangsbearbeitung im Grundstücksverkehr sowie bei der Verwaltung von Grundstücken und Überwachung von Rechten.
Die Finanzverwaltung erwarb 2001 das Programm BayLIS als zentrales digitales Instrument für das Immobilienmanagement; seit Oktober 2003 befindet es sich im Produktiveinsatz. Nach ihrer Gründung übernahm die IMBY im Mai 2006 das Programm und dessen Betreuung. Die derzeit aktuelle Version 6 von BayLIS wird seit März 2013 eingesetzt.
38.1.3 Staatsgrundbesitzverzeichnis
Über das staatliche Vermögen ist ein Nachweis zu erbringen.[5] Wichtiger Bestandteil dessen sind die staatlichen Immobilien, die im Staatsgrundbesitzverzeichnis nachzuweisen sind. Grundstücke sind regelmäßig Grundstockvermögen, gleichgültig, aus welchem Rechtsgrund sie in das Vermögen des Staates gelangt sind.[6]
Seit 01.01.2017 ist der Nachweis über das staatliche Immobilienvermögen in elektronischer Form durch die IMBY im Rahmen von BayLIS zu führen. Das Nähere hierzu regelt die IMBY im Einvernehmen mit dem Finanzministerium.[7] Die IMBY hat am 16.08.2017 eine "Regelung zur Führung des Staatsgrundbesitzverzeichnisses in elektronischer Form in BayLIS“ erlassen.
Die Vermessungsverwaltung importiert regelmäßig Grundbuchdaten der innerbayerischen staatseigenen Grundstücke automatisch in BayLIS. Die IMBY ist verantwortlich für die Eintragung darüber hinausgehender Informationen zu den Immobilien, z.B. Nutzungsart, Gebäudeflächen, Rechte an Grundstücken sowie Mietverhältnisse.
Der Freistaat kann auch im Erbweg Eigentümer von Immobilien werden (Fiskalerbschaften). Für die Verwaltung und Abwicklung dieses Nachlassvermögens ist das Landesamt für Finanzen (LfF) zuständig. Das LfF übermittelt der IMBY halbjährlich eine aktuelle Liste mit allen inner- und außerbayerischen Nachlassimmobilien.
38.2 Feststellungen
38.2.1 Datenqualität in BayLIS
Aufgrund der früheren Prüfungsfeststellungen des ORH leitete die IMBY 2017 Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität ein. Die IMBY führte u. a. elektronische Auswertungen in BayLIS durch und suchte dabei nach offensichtlich unvollständigen bzw. unrichtigen Daten. Dabei ermittelte sie bei 34 Fallkonstellationen 14.086 Fehler bzw. fehlende Daten. So war beispielsweise bei 4.277 Vorgängen in BayLIS die Fläche mit 0m² erfasst. Bei 3.107 Vorgängen waren die Grundstücke keiner Dienststelle zuordenbar.
Der ORH ermittelte bei seiner Prüfung weitere unvollständige bzw. unrichtige Daten. Auf Nachfrage teilte die IMBY hierzu Folgendes mit:
- Die IMBY könne derzeit aus BayLIS nicht zuverlässig die genaue Anzahl der Gebäude im Eigentum des Staates ermitteln, da bei vielen Gebäuden das entsprechende Datenfeld nicht befüllt sei.
- Eine verlässliche Auswertung über vermietete Flächen sei ebenfalls nicht möglich, da Differenzen bei den Mietflächen von 1,2 Mio.m² bestünden. Diese Differenzen würden teilweise auf Erfassungsfehler in der Altversion von BayLIS beruhen.
- BayLIS sei für das Flächenmanagement insoweit wenig hilfreich, als staatlich genutzte Flächen zum Teil nicht als Eigennutzung des Staates erfasst seien und daher bei Auswertungen als "Leerstand“ erschienen.
- Auf Wunsch des Finanzministeriums legte die IMBY erstmals im Jahr 2017 einen "Vorschlag über eine Aufstellung von Kennzahlen“ vor, der zum Ergebnis hatte, dass nur die Anzahl der Grundstücke verlässlich ermittelt werden könne.
Darüber hinaus stellte der ORH fest, dass die sieben Regionalvertretungen der IMBY neben BayLIS insgesamt 53 weitere Listen mit Immobiliendaten in unterschiedlicher Form und unterschiedlichen Inhalts führen. Nach Auskunft der IMBY könnten diese Daten größtenteils in BayLIS erfasst werden.
38.2.2 Staatsgrundbesitzverzeichnis
Im Staatsgrundbesitzverzeichnis sind alle Flurstücke im Eigentum des Freistaates mit den darauf befindlichen Gebäuden und den daraus gebildeten Liegenschaftsprojekten nachzuweisen.[8] Abweichend davon regelt die IMBY, dass solche Flurstücke nicht zu erfassen sind, die als Fiskalerbschaften in das Eigentum des Freistaates übergegangen sind, so lange diese nicht in das Allgemeine Grundvermögen des Freistaates oder auf einen anderen Einzelplan übernommen wurden.[9]
Der ORH hat festgestellt, dass innerbayerische Nachlassimmobilien nur insoweit im Staatsgrundbesitzverzeichnis enthalten sind, als der Freistaat bereits als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist und die Daten somit automatisch in BayLIS importiert wurden.
Für die außerbayerischen Nachlassimmobilien ist ein automatischer Datenimport nach BayLIS nicht möglich. Diese Immobilien muss die IMBY manuell in BayLIS erfassen. Von den rd. 900 außerbayerischen Immobilien waren im Zeitpunkt der Prüfung weniger als 10 % erfasst.[10]
Der ORH hat darüber hinaus die Datenqualität ausgewählter Bestandteile des Staatsgrundbesitzverzeichnisses, insbesondere der Gebäudedaten, geprüft. Danach waren diese Angaben nicht vollständig oder nicht richtig erfasst. So waren beispielsweise bei den an die staatlichen Wohnungsgesellschaften verpachteten staatseigenen Mietwohnobjekten sowie bei den Gebäuden der Staatsbetriebe in vielen Fällen keine Gebäudedaten oder die Gebäudeflächen mit 0m² erfasst.
38.3 Würdigung und Empfehlung
38.3.1 Datenqualität in BayLIS
Die Datenqualität in BayLIS weist erhebliche Defizite auf. Die Finanzverwaltung bzw. die IMBY haben von Anfang an keine systematische Qualitätssicherung betrieben. Dies haben auch die von der IMBY selbst durchgeführten Auswertungen sowie die von ihr eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität bestätigt.
Als Folge der mangelhaften Datenqualität erfüllt BayLIS nicht die mit seiner Anschaffung verfolgten Ziele: Es sind weder die Nutzung und der Wert der Immobilien vollständig erfasst, noch liegen valide Kennzahlen zur Steuerung und Optimierung des staatlichen Immobilienportfolios vor. Ebenso können parlamentarische Anfragen in der Regel nicht alleine mithilfe von BayLIS beantwortet werden. Der dafür notwendige Rechercheaufwand sowie die neben BayLIS geführten Listen verursachen zusätzliche vermeidbare Mehrarbeit. Der mit Einführung des Programms bezweckte Nutzen ist damit noch nicht erzielt. BayLIS unterstützt die IMBY nicht im notwendigen Umfang bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere dem Portfoliomanagement.
Der ORH empfiehlt dringend, die von der IMBY bereits in Angriff genommenen Maßnahmen fortzusetzen, um die Datenqualität grundlegend zu verbessern.
38.3.2 Staatsgrundbesitzverzeichnis
Nachlassimmobilien stehen kraft Gesetzes unmittelbar im Eigentum des Freistaates und sind daher in das Staatsgrundbesitzverzeichnis aufzunehmen. Auf die Zuordnung zum Allgemeinen Grundvermögen oder zu einem anderen Einzelplan kommt es insoweit nicht an.[11] Die Regelung der IMBY, wonach Nachlassimmobilien zunächst nicht in das Staatsgrundbesitzverzeichnis aufzunehmen sind, widerspricht daher dem haushaltsrechtlichen Gebot der Nachweisführung über das staatliche Vermögen. Diese Ausnahmeregelung ist nach Auffassung des ORH aufzuheben.
Die Feststellungen des ORH zur Datenqualität in BayLIS bzw. im Staatsgrundbesitzverzeichnis sowie die von der IMBY selbst durchgeführten Auswertungen bestätigen signifikante Defizite (vgl. TNr. 38.2.1). Eine ordnungsgemäße Führung des Staatsgrundbesitzverzeichnisses durch die IMBY ist somit insgesamt nicht gewährleistet.
Im Ergebnis kann die IMBY den Nachweis über den Grundbesitz des Staates derzeit nicht fehlerfrei erbringen. Dies wiegt umso schwerer, als es sich beim Grundbesitz mit über 180.000 Grundstücken um den größten Vermögensposten des Staates handelt.
38.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Bauministerium teilt die Einschätzung des ORH, dass die Datenqualität in BayLIS verbesserungsfähig sei. Gleichwohl könne es der Gesamtbewertung des ORH nicht folgen. Die vom Finanzministerium eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität würden von der IMBY konsequent fortgeführt.
Im Übrigen würden die immobilienwirtschaftlichen Kennzahlen nur zu Informationszwecken erhoben. Eine strategische Steuerung sei damit kaum möglich.
Das Bauministerium ist der Auffassung, dass die ordnungsgemäße und sachgerechte Führung des Staatsgrundbesitzverzeichnisses im Rahmen von BayLIS bei Einhaltung der von der IMBY erlassenen Regelung insgesamt gewährleistet sei. Den Aufwand für die Erfassung der außerbayerischen Nachlassgrundstücke hält das Staatsministerium erst dann für vertretbar, wenn feststeht, dass für diese ein Staatsbedarf besteht. Die IMBY werde in diesen Fällen versuchen, den Datenaustausch mit dem LfF zu optimieren.
38.5 Schlussbemerkung
Das Staatsgrundbesitzverzeichnis als Nachweis des staatlichen Immobilienvermögens ist unzureichend, weil die Datenqualität in BayLIS mangelhaft ist und die Nachlassimmobilien unvollständig erfasst sind. Der ORH hält grundlegende Verbesserungen für angezeigt, zudem ist die Ausnahmeregelung zu Nachlassimmobilien aufzuheben.
Selbst 15 Jahre nach seiner Einführung erfüllt BayLIS noch nicht die mit seiner Anschaffung verfolgten Ziele: Es sind weder die Nutzung und der Wert der Immobilien vollständig erfasst, noch liegen zur Steuerung und Optimierung des staatlichen Immobilienportfolios geeignete Kennzahlen vor. Damit fehlt die Grundlage für das erfolgreiche und nachhaltige Bewirtschaften der staatlichen Immobilien als größte Vermögensposition des Freistaates.
[1] ORH-Bericht 2018 TNr. 46.
[2] Zuvor lag die Rechts- und Fachaufsicht beim Finanzministerium.
[3] Begründung zum Nachtragshaushaltsgesetz 2006, § 1 Nr. 5 Abs. 2 (Änderung des Haushaltsgesetzes 2005/2006; LT-Drs. 15/4775).
[4] Damals war die ehemalige Bezirksfinanzdirektion Ansbach - EDV-Leitstelle Liegenschaftsverwaltung - zuständig.
[5] Art. 73 BayHO.
[6] Nrn. 2.2 und 2.4 der Grundstockbekanntmachung vom 08.08.2002 (FMBl. 2002 S. 268).
[7] VV Nr. 3.1.3 zu Art. 73 BayHO.
[8] Nr. 1 der Regelung vom 16.08.2017 (vgl. TNr. 38.1.3).
[9] Vgl. Fn. 8.
[10] Stand: 01.07.2017.
[11] Vgl. TNr. 33.