Jahresbericht 2023

TNr. 44 Barrierefreiheit in staatlichen Museen und geförderten öffentlichen touristischen Infrastruktureinrichtungen

Fast zehn Jahre nach der Regierungserklärung von 2013 mit dem Ziel „Bayern barrierefrei 2023“ besteht bei staatlichen Museen und bei der Förderung öffentlicher touristischer Infrastruktureinrichtungen nach wie vor erheblicher Nachholbedarf. Der ORH empfiehlt, die Barrierefreiheit voranzutreiben und den Fördervollzug darauf konsequent auszurichten.

Der ORH hat 2020/2021 im Geschäftsbereich des Kunstministeriums geprüft, in welchem Umfang die Museen barrierefrei sind. Einbezogen waren 25 Standorte staatlicher Museen und Sammlungen des Freistaates (Epl. 1570 und 1555) sowie 28 Zweigmuseen und Staatsgalerien, die vier Museen der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen (Epl. 1551) einschließlich der vier in außerstaatlicher Trägerschaft befindlichen Regionalmuseen. Weiterhin einbezogen waren die institutionell geförderten Museen Deutsches Museum München1, Germanisches Nationalmuseum, Buchheim Museum, Moderne Kunst Wörlen Passau gGmbH und die drei Museen und Sammlungen der Coburger Landesstiftung. Für die weiteren nichtstaatlichen Museen liegen keine vergleichbaren Informationen vor.2 Die barrierefreie Gestaltung der Arbeitsplätze der Museumsmitarbeiter war nicht Inhalt der Prüfung.

Im Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums hatte der ORH gemeinsam mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Bayreuth in den Jahren 2017 bis 2019 in einer Querschnittsuntersuchung die nach den Richtlinien zur Förderung von öffentlichen touristischen Infrastruktureinrichtungen (RÖFE) geförderten Maßnahmen geprüft,3 die teilweise nicht barrierefrei waren. Daher hat der ORH 2020 und 2021 auf dieser Basis eine Follow-up-Prüfung ausschließlich zur Barrierefreiheit öffentlicher touristischer Infrastruktureinrichtungen durchgeführt. Grundlage waren insgesamt 66 Maßnahmen, die 2017 bis 2019 mit Verwendungsnachweisprüfung (VN-Prüfung) abgeschlossen worden waren.

Prüfungsmaßstab war die Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns in Bezug auf die Barrierefreiheit in den jeweiligen Einrichtungen und bei den Fördermaßnahmen.


44.1 Ausgangslage

Art. 118a Satz 2 BV schreibt die besondere Verantwortung des Staates für Menschen mit Behinderung fest; das konkretisiert das am 01.08.2003 in Kraft getretene BayBGG. Nach Art. 4 BayBGG sind Lebensbereiche barrierefrei, wenn sie „für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar“ sind. Die digitale Barrierefreiheit ist in Art. 14 BayBGG, der BayEGovV, der BITV 2.0 und der Richtlinie (EU) 2016/2102 normiert. Bauliche Anforderungen zur Barrierefreiheit ergeben sich insbesondere aus Art. 10 Abs. 1 BayBGG, Art. 2 Abs. 10 und Art. 48 Abs. 2 BayBO sowie der DIN 18040-1 (Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude) vom Oktober 2010: „Die Norm gilt für Neubauten. Sie sollte sinngemäß für die Planung von Umbauten oder Modernisierungen angewendet werden.“4

In der Regierungserklärung vom 12.11.2013 hatte der damalige Ministerpräsident ausgeführt: „Für Menschen mit Behinderung haben wir uns ein sehr ehrgeiziges Ziel vorgenommen: Bayern wird in zehn Jahren komplett barrierefrei - im gesamten öffentlichen Raum, im gesamten ÖPNV. Dazu werden wir ein ‚Sonderinvestitionsprogramm Bayern barrierefrei 2023‘ auflegen.“5

Seit März 2017 wird das Thema „Bayern barrierefrei“ unter dem Vorsitz der Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales von einem Kabinettsausschuss politisch begleitet.

Aufgrund des Beschlusses des Bayerischen Landtags vom 07.12.20216 legte die Staatsregierung am 28.03.2022 einen Bericht „Bayern barrierefrei weiter konsequent umsetzen“ vor. Zum Handlungsfeld „staatliche Gebäude, die öffentlich zugänglich sind“ habe die Staatsregierung prioritär vier Aspekte in den Blick genommen: „Zuwegung, Eingangs-/Zugangsbereich, Vorhandensein barrierefreier Stellplätze und barrierefreier Sanitärraum“. Die Ressorts hätten für 92% ihrer Gebäude Barrierefreiheitskonzepte erstellt. Nicht berücksichtigt seien dabei die Nutzungskonzepte im Geschäftsbereich des Kunstministeriums, die sich noch in Erstellung befänden. Für den Bereich Tourismus ist in dem Berichtsteil „Flankierende Maßnahme“ festgehalten, dass sich die Staatsregierung für eine „möglichst weitgehende Barrierefreiheit im bayerischen Tourismus“ einsetzt.

Die Mittel, die in den Jahren 2015 bis 2021 für das Programm „Bayern barrierefrei“ im Epl.10 zur Verfügung standen, bezifferte die Staatsregierung in diesem Bericht mit 789,1 Mio.€; im Haushaltsplan 2022 seien dafür 146 Mio.€ eingeplant. In den Haushaltsplänen ab 2019 heißt es ergänzend: „Der Freistaat investiert daher in die Barrierefreiheit in zahlreichen Bereichen […], ohne dass diese Mittel gesondert ermittelt und erfasst werden.“ Haushaltsmittel zur Verbesserung der Barrierefreiheit werden weder bei den Staatlichen Museen noch bei den mit RÖFE-Mitteln geförderten Maßnahmen gesondert erfasst.


44.2 Barrierefreiheit in staatlichen Museen und Sammlungen

Zwischen November 2020 und Mai 2021 führte der ORH bei 70 Museen per Fragebogen eine Erhebung des Istzustands der Barrierefreiheit zum damaligen Zeitpunkt durch. Der Fragebogen enthielt Beurteilungskriterien zu Bedürfnissen von Museumsbesuchern mit unterschiedlichen Behinderungen. Die Auswertung basierte auf den Selbstauskünften der Museen. Eine Vor-Ort-Prüfung fand nicht statt.


44.2.1 Digitale Barrierefreiheit

Träger öffentlicher Gewalt haben ihre Internet- und Intranetauftritte und -angebote schrittweise technisch so zu gestalten, dass sie von Menschen mit Behinderung grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können.7 Die Erhebung zeigte, dass

  • bei 50% der befragten Museen die Internetangebote und mobilen Anwendungen nicht nach den Standards der BITV 2.0 barrierefrei gestaltet waren und
  • 73% auf ihrer Website über keine nach § 2 BayEGovV vorgeschriebene Erklärung zur Barrierefreiheit verfügten. Diese Erklärung umfasst einen „Feedback-Mechanismus“, damit Nutzer Mängel bei der Barrierefreiheit digitaler Angebote mitteilen können.

44.2.2 Äußere und innere Erschließung

Grundlage für die Ergebnisse zur baulichen Erschließung war die DIN 18040-1, die vom Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr 2013 als für Neubauten zu beachtende und für Umbauten und Modernisierungen empfohlene Technische Baubestimmung eingeführt wurde. Die DIN 18040-1 vermittelt somit den Maßstab für die nach heutigen Gesichtspunkten zugrunde zu legenden Standards für die Beurteilung der Barrierefreiheit. Dieser Maßstab wurde bei der Fragebogenerhebung angelegt, um so einen Überblick über den aktuellen Grad der Barrierefreiheit im geprüften Bereich zu erstellen.

Zur äußeren Erschließung ergab sich, dass

  • 40% über keine für Menschen mit Behinderung ausgewiesenen Pkw-Stellplätze verfügten,
  • 80% bei der Zuwegung und im Eingangsbereich über keine taktil erfassbaren Bodenstrukturen für blinde Menschen verfügten.
Im Bereich der inneren Erschließung zeigte sich u.a., dass
  • bei über 70% Handläufe bei Treppenanlagen und Stufenmarkierungen nicht entsprechend den Vorgaben der DIN 18040-1 ausgeführt waren,
  • bei 45% das Brandschutzkonzept die Belange von Menschen mit motorischen und sensorischen Einschränkungen nicht berücksichtigte,
  • 74% über keinen sicheren Bereich für den Zwischenaufenthalt von Personen, die nicht zur Eigenrettung fähig sind, verfügten,
  • bei knapp über 50% die Notrufanlagen in den Sanitärräumen für blinde Menschen nicht eindeutig gekennzeichnet waren.

44.2.3 Barrierefreiheit der Museumsangebote

Im Aktionsplan der Bayerischen Staatsregierung vom 12.03.2013 hatte sich die Staatsregierung das Ziel gesetzt: „Weiterer konsequenter Ausbau des Zugangs für alle Menschen mit Behinderung zu einem möglichst umfassenden kulturellen Angebot.“8 Die Museen wollen die Themen Inklusion und Barrierefreiheit auch bei ihrer Vermittlungsarbeit aufgreifen.9 In diesem Zusammenhang stellt das Zwei-Sinne-Prinzip eine wichtige Barrierefrei-Regel für den öffentlichen Raum, Gebäude oder Websites dar.10 Demnach müssen Informationen und Orientierungshilfen auf mindestens zwei der Sinne Hören, Sehen und Tasten ausgerichtet sein. So haben sehbehinderte und hörgeschädigte Menschen ohne fremde Hilfe Zugang zu allen wichtigen Informationen.

Wesentliche Ergebnisse zum Rezeptionspotenzial und damit der inhaltlichen Nutzbarkeit für Menschen mit unterschiedlicher Behinderung in der Vermittlungsarbeit der Museen waren:

  • Bei über 80% wurden die bereitgestellten Informationen und das erzählerische Potenzial regelmäßig nicht über mindestens zwei Sinne vermittelt.
  • Über 70% setzten bei Veranstaltungen keine Techniken (z.B. induktive Höranlagen, Gebärdendolmetscher) ein, die von Seh- und Hörbehinderten genutzt werden können.
  • Über 70% boten keine Führungen für Gehörlose in Deutscher Gebärdensprache an.
  • Mehr als 80% setzten bei Führungen keine Funkanlage ein, wodurch es schwerhörigen Teilnehmern nicht möglich ist, Halsringschleifen für den Einsatz von Hörgeräten anzuschließen.
  • Bei 90% gab es keine Videoguides, um Ausstellungen in Deutscher Gebärdensprache erschließen zu können.

Für Menschen mit Behinderung des Sehvermögens zeigte sich nur eine sehr eingeschränkte Nutzbarkeit der Museen. Zum Beispiel fehlten häufig Informationen über die Anordnung der Exponate, unterbrechungsfreie Leitsysteme für einen Rundgang, Aufmerksamkeitsfelder vor geeigneten Objekten durch unterschiedliche Bodenbeläge, tastbare Beschriftungen oder Großschriften mit gutem Hell-Dunkel-Kontrast. Lediglich 21% der Museen boten taktil erfahrbare Tastmodelle an und nur 3% haben ihre Audioguides für sehbehinderte Besucher nach dem Zwei-Sinne-Prinzip gestaltet.

Für Menschen mit Behinderung der Lernfähigkeit oder kognitiven Einschränkungen gibt es kaum Möglichkeiten zur besseren Nutzbarkeit der Museumsangebote. Zwar waren teilweise Ausstellungsbereiche vorhanden, die auch ohne Lesekompetenz genutzt werden konnten. Bei der Hälfte der Museen gab es Vermittlungsangebote (Führungen/Workshops) mit hierfür geschultem Personal. Andererseits wurden bei 80% der Museen keine Texte in Leichter Sprache oder mit Vorlesefunktionen angeboten.


44.2.4 Weitere Feststellungen

Keinen Plan für mögliche Verbesserungen der Barrierefreiheit hatten 77% der befragten Museen. Kontakt zu Selbsthilfegruppen oder eine Beratung durch Behinderteneinrichtungen nahmen 34% wahr.

Die Museen führten abschließend auch Gründe an, warum Barrierefreiheit im Einzelfall nicht erreichbar ist. So stand oftmals die historische Gebäudesubstanz entgegen, in Einzelfällen bestanden Abhängigkeiten von den Eigentümern der Liegenschaften oder es fehlte an den personellen und finanziellen Ressourcen.

Neuere Museen, wie z.B. das Museum des Hauses der Bayerischen Geschichte Regensburg, beantworteten die Fragen zur Barrierefreiheit in weiten Teilen positiv. Auch das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst hat viele Aspekte der Barrierefreiheit abgedeckt. Das Deutsche Museum hat für den sanierten Standort auf der Münchner Museumsinsel perspektivisch einen hohen Grad der Barrierefreiheit angekündigt.


44.2.5 Würdigung und Empfehlungen

Den Antworten und Anmerkungen der Museumsleitungen hat der ORH eine große Aufgeschlossenheit für das Thema Barrierefreiheit entnommen. Allerdings können nicht in jedem Einzelfall alle Anforderungen an die Barrierefreiheit vollständig erfüllt werden. Neuere Museen konnten die Fragen zur Barrierefreiheit weitgehend positiv beantworten. Dennoch haben 77% der befragten Museen keine Pläne für mögliche Verbesserungen. Der ORH sieht insoweit einen erheblichen Nachholbedarf.

Aufbauend auf dem 2020/2021 erhobenen Istzustand empfiehlt der ORH dem Kunstministerium im Rahmen der Fachaufsicht dafür Sorge zu tragen,

  • Nutzungskonzepte für die Museumsgebäude nach dem Musterkonzept des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr11 zu erstellen und museumsindividuell zu überprüfen, wie die bauliche Barrierefreiheit verbessert werden kann,
  • aus rechtlichen, räumlichen, technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht behebbare Barrieren in bestands- und denkmalgeschützten Bauten möglichst durch organisatorische Maßnahmen zu kompensieren und
  • Museumsangebote für unterschiedliche Formen der Behinderung auch im Bereich der digitalen Barrierefreiheit zu entwickeln und dabei ergänzend die Beratungsstelle Barrierefreiheit12 zu Rate zu ziehen.

Auch bei institutionell geförderten Museen sollte auf die Verbesserung behindertengerechter Angebote hingewirkt werden.


44.3 Barrierefreiheit geförderter öffentlicher touristischer Infrastruktureinrichtungen

Bei der in den Jahren 2017 bis 2019 durchgeführten Prüfung stellte der ORH mehrfach fest, dass nach RÖFE geförderte Maßnahmen nicht barrierefrei sind. Entsprechend den im Prüfungszeitraum geltenden Richtlinien war jedoch die „Sicherstellung der Barrierefreiheit zu gewährleisten“.13

Zur Vorbereitung der Follow-up-Prüfung hat der ORH den Regierungen einen Fragebogen zu den in den Jahren 2017 bis 2019 mit VN-Prüfung abgeschlossenen Maßnahmen übermittelt; gemeldet wurden 66 Maßnahmen. Der ORH prüfte 12 dieser Maßnahmen anhand der Förderunterlagen und führte teilweise Ortseinsichten durch.

Während der Follow-up-Prüfung wurde Nr. 5.7 RÖFE 2017 im Juni 2020 neu formuliert. Dies geht zurück auf einen früheren Vorschlag des ORH und erfolgte auf Basis von Stellungnahmen des Sozialministeriums sowie der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung. Nun heißt es: „Die für das Vorhaben geltenden gesetzlichen Bestimmungen zur Barrierefreiheit sind einzuhalten. Darüber hinaus muss das Vorhaben den Anforderungen der Barrierefreiheit möglichst weitreichend entsprechen. Bei Vorhabenplanungen sind die zuständigen Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung nach Art. 18 des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes anzuhören.“14 Zudem wurde die Vorlage eines Nachhaltigkeitskonzepts als Fördervoraussetzung aufgenommen, in dem vom Antragsteller insbesondere auch Ausführungen zur Barrierefreiheit zu machen sind.15


44.3.1 Überblick zu den Maßnahmen

Die Gesamtzuwendungen für die 66 in den Jahren 2017 bis 2019 mit VN-Prüfung abgeschlossenen Maßnahmen beliefen sich lt. den Bewilligungsbescheiden auf 20 Mio.€ bei Gesamtkosten von 51,8 Mio.€. Bei 15 dieser 66 Maßnahmen sei lt. Angaben der Regierungen die Barrierefreiheit berücksichtigt worden (13,9 Mio.€ Förderung), bei 43 (4 Mio.€ Förderung) nicht, bei 4 Maßnahmen (360.000€ Förderung) teilweise. Bei 4 weiteren Maßnahmen (1,6 Mio.€ Förderung) sei zur Barrierefreiheit nichts bekannt.

Bei den 43 Zuwendungen, bei denen die Barrierefreiheit nicht berücksichtigt wurde, handelte es sich um Loipenspurgeräte, Multifunktionsgeräte, Wegepflegegeräte, ein Schneeräumgerät, eine Beschneiungsanlage und eine Wasserrutsche. Die Zuwendungen für diese Geräte beliefen sich auf 20% der Gesamtzuwendungen.

Eine vollständige Prüfung der Barrierefreiheit nahmen die Regierungen bei keiner der 66 Maßnahmen vor.


44.3.2 Berücksichtigung der Barrierefreiheit im Förderverfahren

Bei 12 von 66 insgesamt vom ORH näher geprüften Maßnahmen wurden folgende Feststellungen getroffen:

  • Eine Stellungnahme des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung wurde im Antragsverfahren in 9 Fällen nicht vorgelegt.
  • In 8 Fällen gingen die Regierungen im Antragsprüfvermerk nicht auf eine barrierefreie Ausführung ein.
  • In 11 Fällen wurde eine barrierefreie Ausführung nicht als Nebenbestimmung im Zuwendungsbescheid festgelegt.
  • Im Sachbericht zum Verwendungsnachweis erläuterten 8 Zuwendungsempfänger die Barrierefreiheit nicht. Eine Nachfrage der Regierungen war nicht dokumentiert.


Bereits bei der in den Jahren 2017 bis 2019 durchgeführten Prüfung der RÖFE war mehrfach festgestellt worden, dass geförderte Maßnahmen nicht barrierefrei waren. Beispielsweise war beim Neubau eines Funktionsgebäudes in einem Skilanglaufzentrum kein behindertengerechtes WC eingebaut worden, obwohl dies eine Auflage im Zuwendungsbescheid war. Die Regierung hatte dies bei der VN-Prüfung zwar festgestellt und angemahnt, dann aber letztlich akzeptiert, dass die Maßnahme nicht barrierefrei ausgeführt worden war.


44.3.3 Würdigung und Empfehlungen

Die Fördervoraussetzung „Barrierefreiheit“ wurde in den geprüften Jahren von den Regierungen nicht in ausreichendem Umfang beachtet. Die zwischenzeitliche Änderung der Richtlinien und die Beteiligung des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung ist ein erster Schritt, den Anforderungen an die Barrierefreiheit gerecht zu werden. Dies sollte allerdings konsequent umgesetzt werden.

Die Regierungen sollten bei der Antragsbearbeitung und Verwendungsnachweis-Bearbeitung überprüfen, ob die geförderten Maßnahmen tatsächlich den Anforderungen an die Barrierefreiheit und damit den Förderrichtlinien des Ministeriums gerecht werden. Vom Zuwendungsempfänger sollte das sinnvoll und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand Umsetzbare gefordert werden, um Menschen mit Behinderung öffentlich geförderte Tourismuseinrichtungen zu eröffnen und zumindest anteilige barrierefreie Nutzungsmöglichkeiten herzustellen.


44.4 Stellungnahme der Verwaltung


44.4.1 Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst

Das Kunstministerium hat die Feststellungen und Empfehlungen des ORH zur Kenntnis genommen und werde auch weiterhin auf eine Umsetzung der Barrierefreiheit in den einzelnen Häusern im Rahmen der dort vorhandenen personellen, räumlichen und finanziellen Kapazitäten hinwirken. Die Staatlichen Museen und Sammlungen seien im Januar 2022 erneut auf die rechtlichen Vorgaben im Bereich der digitalen Barrierefreiheit hingewiesen worden. Die Bemühungen um eine weitergehende Barrierefreiheit würden im Zuge künftiger Baumaßnahmen betreffend die in staatlichen Gebäuden untergebrachten Museen und Sammlungen im Rahmen der baulichen und finanziellen Möglichkeiten fortgesetzt. Hier fände bei kleinen und großen Baumaßnahmen das Audit „Barrierefreies Bauen“ Anwendung und die Belange aus Art. 10 BayBGG fänden Berücksichtigung. Bei Bestandsgebäuden seien im Lichte des Art. 48 Abs. 4 Satz 2 BayBO auch Lösungen über organisatorische Maßnahmen anzustreben. Im Rahmen künftiger Neugestaltungen von Dauerausstellungen seien die Häuser aufgefordert worden, Fragen der Barrierefreiheit von Beginn an in den Konzeptions- und Gestaltungsprozess zu integrieren. Das Bewusstsein hierfür liege bei den Verantwortlichen in den staatlichen Museen und Sammlungen vor und werde bereits auf verschiedenen Wegen im Museumsalltag umgesetzt.

Das Kunstministerium weist zudem darauf hin, dass bei Zweig- und Regionalmuseen mit nichtstaatlicher Trägerschaft lediglich an verbesserte behindertengerechte Angebote (z.B. im IT-Bereich und bezüglich der baulichen Situation) appelliert werden könne.


44.4.2 Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie

Das Wirtschaftsministerium stimmt den Anmerkungen des ORH grundsätzlich zu. Deshalb sei vorgesehen, die Regierungen auf die Feststellungen hinzuweisen und nochmals dafür zu sensibilisieren, im Antragsverfahren alle Möglichkeiten zur Sicherstellung der Barrierefreiheit zu prüfen. Dazu gehöre ebenso, dass Loipenspurgeräte als Sonderfunktion auch spezielle Spuren im Sinne einer verbesserten Barrierefreiheit erstellen können und damit verbundene Mehrkosten als wirtschaftlich und sparsam eingestuft werden. Im Rahmen der letzten RÖFE-Änderung zum 01.07.2022 sei die Mindestinvestitionssumme für kleinere eigenständige Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit von 100.000 auf 10.000€ abgesenkt worden. So würden insbesondere kleine, finanzschwächere Kommunen unterstützt, dem Staatsziel „Bayern barrierefrei 2023“ näher zu kommen.

Es sei jedoch eine Balance zu finden zwischen den Anforderungen u.a. an die Barrierefreiheit und dem Anspruch, das Förderverfahren im Sinne einer modernen Verwaltung nicht durch zu viele Anforderungen zu überfrachten und unnötig zu verkomplizieren.


44.5 Schlussbemerkung

Die beiden Ministerien bestätigen, dass im jeweiligen Zuständigkeitsbereich zusätzliche Aktivitäten im Bereich der Barrierefreiheit erforderlich sind. Der ORH empfiehlt, angesichts der Bedeutung des Themas, die Rahmenbedingungen für das weitere Vorgehen fortzuentwickeln.

Gerade im Bereich der stark von Besuchern frequentierten Museen besteht erheblicher Nachholbedarf bei der Barrierefreiheit. Gleichwertige Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung erfordern auch eine barrierefreie Gestaltung öffentlicher touristischer Infrastruktur. Dazu ist aber ein deutlich konsequenterer Fördervollzug erforderlich.



[1] Einbezogene Standorte des Deutschen Museums: Museumsinsel München, Verkehrszentrum München und Flugwerft Schleißheim.
[2] Siehe auch LT-Drs. 18/14999 vom 23.04.2021.
[3] ORH-Bericht 2021 TNr. 50, LT-Drs. 18/16220 vom 08.06.2021.
[4] DIN 18040-1, S. 4 Nr. 1 Anwendungsbereich.
[5] Bayerischer Landtag, Plenarprotokoll 17/5 vom 12.11.2013 S. 110.
[6] LT-Drs. 18/19418 vom 07.12.2021.
[7] Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayBGG.
[8] Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, „Schwerpunkte der bayerischen Politik für Menschen mit Behinderung im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention“ - Aktionsplan Nr. 3.9.6 S. 59, 2. Auflage, München 2014.
[9] „Schwerpunkte der bayerischen Politik für Menschen mit Behinderung/-en im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention“ - Arbeitsfassung 2019 Nr. 3.11.11 S. 110.
[10] Bayerische Staatsregierung, Barrierefrei-Lexikon, Buchstabe Z, abrufbar unter https://www.barrierefrei.bayern.de/service/lexikon/#sec-accordion-19.
[11] Musterkonzept Barrierefreie Dienstleistungen im Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr: „Barrierefreiheit von öffentlichen Dienstleistungen“, Stand: Juli 2019, abrufbar unter https://barrierfreiheit_von_dienstleistungen/default.htm.
[12] Beratungsstelle Barrierefreiheit, abrufbar unter https://www.barrierefrei.bayern.de/service/beratungsstelle/index.php#sec1.
[13] Nr. 5.7 RÖFE 2017.
[14] Änderungen der RÖFE 2017 vom 29.04.2020.
[15] Nr. 1.2 Sätze 2 und 3 Änderungen der RÖFE 2017 vom 29.04.2020.