Jahresbericht 2023

TNr. 50 Besteuerung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücksveräußerungen

Jährlich veräußern Land- und Forstwirte in Bayern Grundstücke in Milliardenhöhe. Die Besteuerung der dabei erzielten Gewinne durch die Finanzämter weist erhebliche Defizite auf. Es bestehen Steuerausfallrisiken in mindestens hoher zweistelliger Millionenhöhe jährlich.

Der ORH hat 2020/2021 mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Augsburg in einer Querschnittsuntersuchung die Besteuerung von Land- und Forstwirten in Bayern geprüft. Hierzu führte er örtliche Erhebungen bei sechs Finanzämtern (FÄ) durch. Schwerpunkt war die ordnungsgemäße Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke (im Folgenden: Grundstücke) in den Jahren 2016 bis 2018.


50.1 Ausgangslage

Grundstücke sind regelmäßig eine wesentliche Betriebsgrundlage von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (im Folgenden: Betriebe). Die Preise für solche Grundstücke sind in Bayern von 2010 bis 2018 um durchschnittlich 150% von 26.000 auf 65.000€ je Hektar (ha) gestiegen.1 Entsprechend hat auch die steuerliche Auswirkung von Grundstücksveräußerungen stark zugenommen.

Werden betriebliche Grundstücke veräußert, wird ausgehend von Anschaffungskosten (Buchwert) der Wertzuwachs seit der Anschaffung (sog. stille Reserven) besteuert. Gleiches gilt, wenn sie nicht mehr betrieblich, sondern privat genutzt werden (Entnahme) oder der Land- oder Forstwirt eine Betriebsaufgabe erklärt. Da Grundstücke häufig über einen sehr langen Zeitraum im Betriebsvermögen gehalten werden, erfolgt die Besteuerung oft Jahre oder sogar Jahrzehnte nach der Anschaffung. Um die Höhe der stillen Reserven und damit den Gewinn korrekt ermitteln und besteuern zu können, benötigen die Finanzbehörden einen genauen Überblick über die betrieblichen Grundstücke, deren Anschaffungskosten und zeitpunkt sowie deren Nutzung.


50.2 Feststellungen


50.2.1 Land- und forstwirtschaftliche Grundstücksveräußerungen in Bayern

2018 waren in Bayern 223.000 Land- und Forstwirte steuerlich erfasst. Im Zeitraum von 2016 bis 2018 wurden 57.000 Grundstücke für 4,1 Mrd.€ veräußert bzw. unentgeltlich übertragen.2 Im bayernweiten Mittelwert wurde hierbei je ha ein Verkaufspreis von 191.218€ erzielt, wobei starke regionale Unterschiede bestehen. In diesen Verkaufspreisen ist auch Bauerwartungsland enthalten, das bisher landwirtschaftlich genutzt wurde.

Der Buchwert von Grundstücken ließ sich häufig nicht ermitteln. Das EStG sieht hierfür bei Grundstücken, die bis zum 30.06.1970 angeschafft wurden, in § 55 EStG einen pauschalierenden Wertansatz vor. Der ORH stützte seine Berechnungen hilfsweise insgesamt auf diese pauschale Ermittlung und ging daher gem. § 55 EStG anhand der mittleren Ertragsmesszahl3 von verkauften landwirtschaftlichen Flächen 2016 bis 20184 von einem durchschnittlichen Buchwert für landwirtschaftliche Flächen von 18.153€ je ha aus. Für forstwirtschaftliche Flächen lag dieser bei 10.200€; mangels verlässlicher Unterscheidungsmöglichkeit zwischen diesen beiden Flächenarten in den Daten der Steuerverwaltung hat der ORH vorsichtig für alle Flächen den höheren Buchwert von 18.153€ - und damit sich ergebende geringere stille Reserven - unterstellt. Bei einer gesamtbayerischen Betrachtung errechnen sich folglich durchschnittlich stille Reserven von 173.065€ je ha (91% des Verkaufspreises). Nach überschlägiger Ermittlung des ORH wurden in Bayern zwischen 2016 bis 2018 also jährlich stille Reserven in durchschnittlicher Höhe von 1,24 Mrd.€5 aufgedeckt.


50.2.2 Datenlage zu Grund und Boden im Betriebsvermögen

Grund und Boden ist in den meisten Fällen das wichtigste und werthaltigste Betriebsvermögen. Er ist wie auch andere Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vom Betrieb in einem besonderen Verzeichnis (Anlageverzeichnis) auszuweisen.6 Um im Fall einer Betriebsaufgabe, Grundstücksveräußerung oder entnahme die stillen Reserven besteuern zu können, benötigt das Finanzamt (FA) zur Überwachung und Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen u.a. die Anlageverzeichnisse. Ansonsten drohen erhebliche Steuerausfälle.

Der ORH untersuchte in einer Zufallsauswahl bei 340 Fällen mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft die Angaben der Steuerpflichtigen zu Grundstücken im Anlageverzeichnis.

Eine Übersicht über die einzelnen Grundstücke im Anlagevermögen war in 236 (69%) der 340 Fälle nicht gewährleistet, weil wichtige Angaben wie Flurnummer, Anschaffungskosten oder Größe fehlten oder mehrere Grundstücke nur verdichtet in einer Summe dargestellt wurden.

Bei 109 (46%) dieser 236 Fälle waren nicht einmal die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. Bei diesen Fällen waren entweder keine Grundstücke im Anlageverzeichnis erklärt, obwohl Grund und Boden vorhanden waren, oder es wurde überhaupt kein Anlageverzeichnis eingereicht. Ermittlungen der FÄ zum tatsächlichen Umfang des Betriebsvermögens unterblieben.


50.2.3 Grundstücksveräußerungen mit land- und forstwirtschaftlichem Bezug

Der ORH untersuchte 230 Veräußerungs- und Übertragungstatbestände mit Bezug zu Grundstücken. Es wurden sowohl Grundstücksveräußerungen und Übertragungen aktiver landwirtschaftlicher Betriebe untersucht; ferner auch Veräußerungen von Steuerpflichtigen, die keine land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte (mehr) erklärt hatten oder als „Überwachungsfall“ von einer jährlichen Abgabe der Steuerklärung befreit waren (sog. schlafende Landwirte). Der Betrieb war in diesen Fällen noch nicht aufgegeben, die Steuererklärungspflicht war jedoch ausgesetzt, z.B. aufgrund von (laufenden) Einkünften unterhalb des Grundfreibetrags.


50.2.3.1 Notarielle Veräußerungsanzeigen

Notare sind gem. § 18 GrEStG verpflichtet, den Finanzbehörden Rechtsvorgänge anzuzeigen, die ein Grundstück betreffen. Diese Veräußerungsanzeigen (VA) werden von den Notaren in Papierform an die Grunderwerbsteuerstellen der FÄ versandt. Innerhalb des FA soll die VA gemäß interner Dienstanweisung im Falle von Grundstücken an die für den jeweiligen Betrieb zuständige Veranlagungsstelle weitergeleitet werden. Damit soll die korrekte Besteuerung durch die FÄ sichergestellt werden.

Der ORH prüfte bei den 230 Veräußerungs- und Übertragungstatbeständen insbesondere, ob

  •  die VA der Notare in der Steuerakte des Veräußerers aufzufinden waren,
  •  die Information über eine Grundstücksveräußerung durch Speicherung der VA in das elektronische Risikomanagementsystem (RMS)7 der Steuerverwaltung eingebunden wurde,
  •  die notwendigen Ermittlungen des FA zur VA durchgeführt wurden oder der Sachverhalt vom Steuerpflichtigen in der Gewinnermittlung erklärt wurde.

Tabelle 76

In 59 Fällen (26%) fehlte die VA. Die Verkaufspreise in Fällen der nicht auffindbaren VA beliefen sich auf insgesamt 25,6 Mio.€. Zudem waren 117 von 171 auffindbaren VA (68%) nicht in der elektronischen Akte gespeichert. Die Speicherung muss aufgrund des Papier-Verfahrens derzeit noch manuell durch die Bearbeiter erfolgen.8 Aufgrund der Speicherung in der elektronischen Akte wird bei der späteren Einkommensteuerveranlagung über das RMS ein automationsgestützter Risikohinweis auf den Veräußerungsvorgang für den Bearbeiter zur Prüfung ausgegeben. Wird die VA nicht gespeichert, ergibt sich ein Steuerausfallrisiko, wenn die Papier-VA bei der Veranlagung übersehen wird (z.B. weil sie nicht oder an falscher Stelle in der Papierakte abgelegt wurde).


50.2.3.2 Bearbeitungsqualität der Einzelfälle

Der ORH beanstandete 74 (32%) der geprüften 230 Veräußerungs- und Übertragungsfälle, weil notwendige Ermittlungen unterblieben sind und dies zu einem Steuerausfallrisiko oder konkreten Steuerausfall führte, z.B. weil der Sachverhalt nicht vom Steuerpflichtigen erklärt war. Im Einzelnen ergaben sich die Beanstandungen bei folgenden drei Fallgruppen.

Fallgruppe 1: Veräußerungen ohne Schätzungsfälle

159 Fälle entgeltlicher Veräußerungen umfassten ein Volumen von 71,1 Mio.€. Der ORH beanstandete davon 41 Fälle (26%) mit Verkaufspreisen über 19,4 Mio.€, bei denen der Veräußerungserlös unberücksichtigt blieb und Ermittlungen durch die FÄ unterblieben. Insbesondere wurde nicht aufgeklärt, ob das Grundstück im Betriebsvermögen oder im Privatvermögen gehalten wurde. Werden Grundstücke länger als zehn Jahre im Privatvermögen gehalten, werden stille Reserven nicht mehr besteuert.9 In diesem Zusammenhang ergaben sich in den 41 Fällen geschätzt Steuerausfallrisiken von 5,3 Mio.€.10 In dieser Fallgruppe befanden sich sowohl aktive Betriebe als auch potenziell sog. schlafende Landwirte.

Beispiel:

Ein Betrieb wurde 2002 von den Eltern auf die Tochter übertragen. Diese erklärte bis zum Veranlagungszeitraum (VZ) 2009 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Ab dem VZ 2010 wurden weder weitere laufende land- und forstwirtschaftliche Einkünfte noch ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn erklärt. Seit dem VZ 2013 wird die Steuerpflichtige als Überwachungsfall geführt. Im VZ 2018 wurde ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück für 180.000€ aus dem Betriebsvermögen veräußert. Hierzu waren keine Ermittlungen des FA erkennbar. Eine Steuererklärung wurde nicht angefordert. Der Veräußerungserlös wurde einkommensteuerlich nicht berücksichtigt.

In weiteren sechs Fällen wurde eine Grundstücksveräußerung zwar erfasst, aber steuerlich falsch gewürdigt, sodass es ebenfalls zu einem Steuerausfall in mindestens sechsstelliger Höhe kam.

Beispiel:

Ein Landwirt tauschte 2018 mehrere kleinere Grundstücke gegen ein großes Grundstück. Für das neue Grundstück erklärte er einen gegenüber den eingetauschten Grundstücken um 176.350€ höheren Buchwert. Die so aufgedeckten stillen Reserven von 176.350€ wurden jedoch nicht als Gewinn erklärt. Ermittlungen des FA zum Sachverhalt, insbesondere zum gemeinen Wert der hingegebenen Grundstücke und zu den Anschaffungskosten erfolgten nicht. Der Vertrag zum Tauschvorgang wurde ebenfalls nicht angefordert. Die aufgedeckten stillen Reserven blieben unversteuert. Da zudem der zunächst verfügte Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, ist von einem endgültigen Steuerausfall auszugehen.

Fallgruppe 2: Veräußerungen bei geschätzten Besteuerungsgrundlagen

Bei 33 Fällen musste die Einkommensteuer im Jahr der Veräußerung durch das FA geschätzt werden, weil die steuerpflichtigen Landwirte keine Steuererklärung eingereicht hatten. Die Verkaufspreise beliefen sich hierbei auf insgesamt 2,9 Mio.€. Da sich bei Betrieben in jedem Wirtschaftsjahr trotz ggf. niedriger laufender Gewinne hohe Erträge aus Grundstücksverkäufen ergeben können, wurde hier untersucht, ob die Informationen aus den VA über Grundstücksveräußerungen in die Schätzungen der land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte miteinbezogen wurden.

Der ORH beanstandete 13 (39%) der 33 Fälle, weil die Veräußerung von Grundstücken bei der Schätzung nicht berücksichtigt wurde. In 2 Fällen konnte die Besteuerung nur nachgeholt werden, weil die Steuerpflichtigen die Veräußerungsgewinne nachträglich erklärten. In 11 Fällen mit Verkaufspreisen von insgesamt 1,4 Mio.€ unterblieb die Besteuerung endgültig.

Beispiel:

Bei einem Fall wurde der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft auf 11.000€ geschätzt, obwohl die Landwirtin im Schätzungszeitraum Grundstücke für 438.168€ verkauft hatte. Die Grundstücksveräußerungen blieben bei der Schätzung unberücksichtigt und wurden nicht besteuert. Dadurch entstand ein Steuerausfall von 169.866€.

Fallgruppe 3: Unentgeltliche Übertragungen

In dieser Fallgruppe untersuchte der ORH 38 unentgeltliche Übertragungen von Betrieben. Die untersuchten Betriebe wurden als Familienbetrieb geführt und unentgeltlich an einen Abkömmling übergeben. Bei einer so gelagerten Übertragung müssen die stillen Reserven des Betriebsvermögens (noch) nicht versteuert werden.11 Der neue Betriebsinhaber führt den Buchwert der Grundstücke fort und übernimmt damit die stillen Reserven des Rechtsvorgängers. Die Besteuerung der gesamten stillen Reserven erfolgt dann erst bei Veräußerung, Betriebsaufgabe oder Entnahme des Betriebsgrundstücks in das Privatvermögen.

Der ORH beanstandete 14 (37%) von 38 Fällen wegen mangelhafter Überwachung der (Grundstücks-)Buchwerte bei der Übertragung. In allen Fällen war mangels aussagekräftiger Anlageverzeichnisse (siehe TNr. 1.2.2) beim Übergeber und Übernehmer unklar, welche Grundstücke zu welchen Buchwerten übertragen wurden. Es bestand das Risiko, dass die Buchwerte der übernommenen Grundstücke beim Übernehmer überhöht eingebucht wurden. Dadurch werden, z.B. bei einer späteren Veräußerung der Grundstücke, die stillen Reserven und damit der Gewinn zu niedrig erklärt und nicht ordnungsgemäß besteuert.


50.3 Würdigung und Empfehlungen

Jährlich werden in Bayern stille Reserven von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken in Milliardenhöhe aufgedeckt. Vor diesem Hintergrund hält der ORH angesichts stark gestiegener Grundstückpreise erhebliche Steuerrisiken in mindestens hoher zweistelliger Millionenhöhe jährlich12 wegen mangelhafter Überwachung und Dokumentation der stillen Reserven für nicht hinnehmbar. Der ORH beanstandete mindestens jeden vierten geprüften Fall.

Die FÄ müssen die Besteuerung zukünftig konsequent sicherstellen. Dazu müssen zum Steuerfall alle für die Besteuerung relevanten Grundstücksdaten gespeichert sein. Ferner müssen Informationen über Grundstücksveräußerungen und -übertragungen, i.d.R. die VA, zuverlässig an die zuständige Veranlagungsstelle weitergeleitet und dort gründlich ausgewertet werden.

Um die Steuerrisiken zu reduzieren, empfiehlt der ORH folgende Maßnahmen:

Umfang des Betriebsvermögens: Ermitteln und dokumentieren

Die FÄ benötigen einen vollständigen Überblick über alle Grundstücke im Betriebsvermögen. Aus den Daten müssen sich die Grundstücke eindeutig über die Bezeichnung oder die Flurnummer mit den dazugehörigen Buchwerten identifizieren lassen.

Aus Sicht des ORH ist es nicht hinnehmbar, dass in vielen Fällen nicht einmal die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt waren. Für alle Betriebe sollte der Umfang der im Betriebsvermögen befindlichen Grundstücke ermittelt und in der elektronischen Akte gespeichert werden. Die Ermittlungen könnten dabei anlassbezogen, z.B. bei Übertragungen des Betriebs oder bei Grundstücksverkäufen, erfolgen.

Umgang mit Veräußerungsanzeigen und Bearbeitungsqualität optimieren

Seit Jahrzehnten unverändert verwenden die FÄ VA in Papierform als Kontrollmaterial. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Die Prüfung hat erneut gezeigt, dass die Übermittlung in Papierform fehleranfällig ist.13 Durch Irrläufer und Fehler bei der Ablage/Speicherung gehen wichtige Informationen für das Besteuerungsverfahren verloren. Die Papier-VA steht im Widerspruch zur inzwischen weitgehend digitalen Arbeitsweise in den FÄ.

Ziel muss ein elektronischer Workflow sein, der sicherstellt, dass die Informationen vollständig an der zuständigen Stelle ankommen und dort auch ausgewertet werden. Hierfür wären zügig die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine elektronische Übermittlung von VA zu schaffen.

Die Daten aus den elektronischen VA sollten direkt den jeweiligen Steuerpflichtigen zugeordnet werden können (z.B. anhand der Steuer-Identifikationsnummer) und in das RMS einfließen.

Zudem sollte die Bearbeitungsqualität von Fällen mit Grundstücksveräußerungen und übertragungen insgesamt gesteigert werden. Insbesondere sollten die VA konsequent ausgewertet, notwendige Ermittlungen angestellt und die Ergebnisse der Ermittlungen einheitlich und nachvollziehbar (elektronisch) dokumentiert werden.


50.4 Stellungnahme der Verwaltung

Die Steuerverwaltung teilt die Auffassung des ORH, dass die Überwachung und Besteuerung von stillen Reserven zu verbessern ist.

Das Landesamt für Steuern habe aufgrund der Forderung des ORH die FÄ angewiesen, die Verpflichtung zur Übermittlung der Anlagespiegel ab dem VZ 2022 durchzusetzen. Ferner sei darauf hingewirkt worden, dass die FÄ anlassbezogen ein detailliertes Anlageverzeichnis anfordern. Maßnahmen zur Sensibilisierung der Beschäftigten hinsichtlich der Feststellungen des ORH seien eingeleitet worden.

Auch die Steuerverwaltung sieht den Bedarf eines elektronischen Workflows bei VA. Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 seien die rechtlichen Voraussetzungen für elektronische VA geschaffen worden.14 Das entsprechende Lastenheft sei zwischenzeitlich genehmigt worden. Bis zur Realisierung des elektronischen Workflows sollen die VA durch Zentralstellen für Kontrollmitteilungen in allen FÄ gesichtet sowie ihre elektronische Speicherung sichergestellt werden.

Die Steuerverwaltung werde die Feststellungen des ORH zum Anlass nehmen, den Geschäftsprozess zur Auswertung der VA fachlich und organisatorisch zu beschreiben und bei Bedarf weitere Arbeitshilfen zur Verfügung stellen. Auch die Integration der VA in das RMS werde befürwortet, hierzu sei aber zunächst die Umsetzung des o. g. Lastenhefts abzuwarten.


50.5 Schlussbemerkung

Der ORH hält eine deutlich verbesserte Bearbeitungsqualität der FÄ für zwingend. Er empfiehlt insbesondere, die für die korrekte Besteuerung erforderlichen Daten in jedem Fall einzufordern und die gesetzlichen Erklärungspflichten zum Anlageverzeichnis künftig mit Nachdruck durchzusetzen. Außerdem sollten nach mehr als zehn Jahren die technischen Voraussetzungen für eine digitale Kommunikation mit den Notaren endlich umgesetzt und deren VA in das elektronische RMS der Steuerverwaltung übernommen werden.

Die jahrelangen Defizite bei der Überwachung und Versteuerung von stillen Reserven sollten umgehend behoben werden. Das ist angesichts der steuerlichen Ausfallrisiken in mindestens hoher zweistelliger Millionenhöhe jährlich im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen und -übertragungen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe überfällig.



[1] Zahlen aus dem Bayerischen Agrarbericht 2020; veröffentlicht vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
[2] Werte aus der Grunderwerbsteuerdatenbank zu Verkäufen von land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken. Die Daten wurden vom Landesamt für Steuern zur Verfügung gestellt. Von insgesamt 57.261 Rechtsvorgängen entfallen 39.525 auf entgeltliche Veräußerungen und 17.736 auf unentgeltliche Übertragungen.
[3] Die Ertragsmesszahl ist das Ergebnis der Bodenschätzung (BodSchätzG) für landwirtschaftlich nutzbare Flächen. Sie drückt die natürliche Ertragsfähigkeit einer bodengeschätzten Fläche aus.
[4] Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik.
[5] 91% von 4,1 Mrd.€ geteilt durch 3 Jahre.
[6] Bei Bilanz (elektronischer) Anlagespiegel als Anhang zur Bilanz, bei Einnahmenüberschussrechnung Anlage AVEÜR, bei Gewinnermittlung nach § 13a EStG Anlage AV13a; die Verpflichtung zum Ausweis ist gesetzlich geregelt, z.B. in § 13a Abs. 7 EStG; aus Vereinfachungsgründen im weiteren Text einheitlich als Anlageverzeichnis bezeichnet.
[7] Siehe ORH-Bericht 2022 TNr. 51.
[8] Die Bearbeiter sind gemäß interner Dienstanweisungen verpflichtet, die Information über Grundstücksverkäufe elektronisch in der eAkte als Kontrollmaterial in den festsetzungsnahen Daten oder in einem Risikobereich zu speichern.
[9] § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
[10] Durchschnittliche stille Reserven je verkauften ha (91%): 91% von 19,4 Mio.€ ergibt bei einem Einkommensteuersatz von 30% insgesamt 5,29 Mio.€.
[11] § 6 Abs. 3 EStG.
[12] 1,24 Mrd.€ (siehe Fn. 5) durchschnittliche stille Reserven multipliziert mit der Beanstandungsquote von mindestens 26% ergibt bei einem Einkommensteuersatz
[13] Siehe ORH-Bericht 2020 - Ergänzungsband TNr. 15.
[14] § 22a GrEStG.