Jahresbericht 2023

TNr. 52 Besteuerung von Aufsichtsratsvergütungen

Finanzämter erhalten seit 1998 jährlich Informationen über gezahlte Aufsichtsratsvergütungen. Solche Einkünfte bleiben beim Empfänger vielfach unversteuert, weil diese seit 2011 elektronisch vorliegenden Daten in der Steuerverwaltung entweder gar nicht oder nur auf Papier weitergegeben werden. Der ORH empfiehlt, nun unverzüglich ein elektronisches Kontrollmitteilungsverfahren einzuführen und die vorhandenen Informationen automatisiert und vollständig weiterzuleiten.

Der ORH hat 2021 bei elf Finanzämtern (FÄ) die Besteuerung von Aufsichtsratsvergütungen des Veranlagungszeitraums (VZ) 2018 untersucht. Schwerpunkte der Prüfung waren die zutreffende Besteuerung der Einnahmen bei den Vergütungsempfängern und das bestehende amtsinterne Kontrollverfahren.


52.1 Ausgangslage

Körperschaften, z.B. Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Betriebe gewerblicher Art der öffentlichen Hand, können Aufsichtsrats-, Beirats- und ähnliche Vergütungen (kurz: Vergütungen), die sie für die Überwachung der Geschäftsführung zahlen, zur Hälfte als Betriebsausgaben abziehen.1 Diese mindern das zu versteuernde Einkommen für die Körperschaftsteuer (KSt).

Beim Empfänger unterliegen diese Vergütungen unabhängig von der Höhe der Einkommensteuer (ESt).2 Freibeträge oder pauschale Betriebsausgaben sind nicht vorgesehen. Die Empfänger müssen deshalb erhaltene Vergütungen und ggf. tatsächliche Betriebsausgaben als Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit in der ESt-Erklärung angeben. Diese Einkünfte erhöhen das individuell zu versteuernde Einkommen.

Grundsätzlich unterliegen die Vergütungen auch der Umsatzsteuer (USt), wenn die Grenzen der sog. Kleinunternehmer-Regelung3 überschritten sind oder der Empfänger auf deren Anwendung verzichtet.4 Bei der Körperschaft mindern Vorsteuerbeträge die Umsatzsteuerzahllast.


52.2 Feststellungen


52.2.1 Körperschaftsteuer

Die FÄ erhalten in den KSt-Erklärungen seit dem VZ 1998 jährlich Informationen über gezahlte Vergütungen. Die Empfänger und die Höhe ihrer Vergütungen sind in einer Anlage zur KSt-Erklärung einzeln aufzulisten. Seit dem VZ 20115 müssen die KSt-Erklärungen zudem elektronisch an die KSt-Stellen der FÄ übermittelt werden.

Die Bearbeiter in den KSt-Stellen sind nach einer internen Dienstanweisung verpflichtet, in einem Jahr, i.d.R. dem Erstjahr, Kontrollmitteilungen (KM) an die Wohnsitz-FÄ der Empfänger zu übersenden. In den Folgejahren sind KM nur bei konkretem Anlass zu fertigen. Die KM werden in Papierform übersandt. Eine Möglichkeit, die elektronisch vorhandenen Informationen innerhalb der FÄ als KM elektronisch an die zuständigen Bearbeitungsstellen der Empfänger weiterzuleiten, ist nicht vorhanden.

Ausgenommen von der Pflicht, KM zu übersenden, sind Fälle, in denen die Vergütung des gesamten Aufsichtsrats eine intern festgelegte Aufgriffsgrenze nicht übersteigt. Ebenso sind Fälle ausgenommen, die der laufenden Betriebsprüfung (Bp) unterliegen. In diesen Fällen obliegt es den Bp-Stellen, KM zu fertigen.

Der ORH wertete den Umgang der KSt-Stellen in 755 KSt-Erklärungen des VZ 2018 aus, die Angaben zu Aufsichtsräten enthielten. Bei 695 der 755 Fälle (92%) waren die erforderlichen Angaben zu den Vergütungsempfängern elektronisch übermittelt worden.

Tabelle 79
Ausweislich der elektronischen Bearbeitungsvermerke hatten die KSt-Stellen in 35% aller Fälle zeitnah KM erstellt. In 11% der Fälle, die über der Aufgriffsgrenze lagen, erfolgte keine KM. In wie vielen Fällen die Bp eine KM tatsächlich erstellte oder noch erstellen wird, wurde im Rahmen der ORH-Prüfung nicht ermittelt.6


52.2.2 Einkommensteuer

Der ORH untersuchte bei 1.774 Fällen von Vergütungsempfängern des VZ 2018, ob die Einnahmen korrekt besteuert wurden. Die Vergütungen betrugen insgesamt 11,3 Mio.€, durchschnittlich 6.376€.

In mindestens jedem fünften Fall (363 Fälle) war keine Versteuerung der Einnahmen von insgesamt 548.840€ erkennbar. Für 314 (87%) dieser Fälle waren in der KSt-Stelle keine KM gefertigt worden, davon lagen 263 Fälle unterhalb der Aufgriffsgrenze. Den Veranlagungsstellen der Empfänger waren die in den KSt-Stellen vorhandenen Informationen nicht bekannt.

Beispiel:

Ein Steuerpflichtiger erklärte für die VZ 2017 bis 2019 Einnahmen aus Aufsichtsratstätigkeit nicht. Für 2017 und 2019 erfolgte eine Versteuerung jeweils erst nach Eingang einer KM. Für den VZ 2018 wurde keine KM gefertigt und die Einnahmen bisher nicht versteuert.

Bei 277 der 1.774 Fälle (16%) stellte der ORH Bearbeitungsmängel fest. So wurden etwa Vergütungen trotz entsprechender Hinweise des elektronischen Risikomanagementsystems (RMS)7 zu Unrecht als steuerfreie Einnahmen veranlagt. In mehreren Fällen akzeptierten die FÄ nicht zulässige pauschale Betriebsausgaben ohne konkreten Nachweis. Die steuerliche Auswirkung dieser Bearbeitungsmängel beziffert der ORH auf 56.052€.8


52.2.3 Umsatzsteuer

Nach bisheriger Auffassung der Steuerverwaltung9 waren Vergütungsempfänger grundsätzlich als Unternehmer einzuordnen und Vergütungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen, wenn sie die Grenzen der sog. Kleinunternehmer-Regelung10 überschritten oder der Empfänger trotz Unterschreiten der Grenzen auf die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung verzichtet. Diese Auffassung wurde infolge neuerer Rechtsprechung von EuGH und BFH mit BMF-Schreiben vom 08.07.2021 relativiert. So ist künftig nicht mehr in allen Fällen zwingend von einer USt-pflichtigen selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit auszugehen.

Der ORH untersuchte bei den 1.774 Fällen, ob die USt korrekt bearbeitet wurde. Auf Basis der zum geprüften VZ 2018 geltenden Rechtsauffassung der Steuerverwaltung unterlagen 788 der 1.774 Fälle der Umsatzsteuer. Der ORH beanstandete davon insgesamt 261 Fälle (33,1%) und bezifferte den Steuerausfall auf 145.600€:

In 91 Fällen (11,5%) erfolgte erkennbar keine Umsatzversteuerung, obwohl in den KSt-Erklärungen USt für Vergütungen ausgewiesen war; die Körperschaften brachten in diesen Fällen regelmäßig die Vorsteuer in Abzug. Die nicht festgesetzte USt betrug 94.258€.

Bei 170 Fällen (21,6%) erklärte der Empfänger zwar Umsätze aus weiteren unternehmerischen Tätigkeiten, z.B. aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage oder als Rechtsanwalt, aber nicht aus der Aufsichtsratstätigkeit. Dem lag oft ein teilweiser Verzicht auf die Kleinunternehmer-Regelung für die weiteren Tätigkeiten, etwa die Photovoltaikanlage, zugrunde. Ein Verzicht nur für einzelne Unternehmensbereiche ist aber nicht zulässig. In diesen Fällen unterliegen auch geringe Vergütungen der USt. Die nicht festgesetzte USt betrug 51.342€.

Nur in weniger als 25% der beanstandeten 261 Fälle war eine KM gefertigt worden. Diese wurden teilweise nicht korrekt ausgewertet.

Beispiel:

Ein Finanzamt wertete eine KM der Bp nur hinsichtlich der ESt aus, aber nicht hinsichtlich der USt. Für fünf Jahre wurden über 9.000€ USt (1.800€ jährlich) nicht eingefordert.


52.3 Würdigung und Empfehlungen

KM sind ein wichtiges und wirksames Instrument, um die korrekte Besteuerung von Aufsichtsratsvergütungen sicherzustellen. Sie dienen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und tragen erheblich dazu bei, Steuerausfälle zu minimieren. Die Prüfung hat erneut11 gezeigt, dass das derzeit papiergebundene Kontrollmitteilungsverfahren nicht mehr zeitgemäß und ein elektronisches Verfahren längst überfällig ist.

Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebieten es nach Ansicht des ORH, dass in KSt-Stellen vorhandene Informationen konsequent und für alle VZ innerhalb der Steuerverwaltung weitergegeben werden. Insbesondere sieht der ORH die Aufgriffsgrenze für das Erstellen einer KM generell kritisch: Die Besteuerung beim Empfänger ist unabhängig von der Höhe der Gesamtvergütung des Aufsichtsrats sicherzustellen. Durch die interne Aufgriffsgrenze werden hilfreiche Hinweise für die korrekte ESt-Besteuerung beim Empfänger zurückgehalten. Dass in 87% der beanstandeten 363 Fälle, bei denen Vergütungen von über einer halben Million€ nicht erkennbar versteuert wurden, keine KM von den KSt-Stellen vorlag, unterstreicht die Bedeutung der Informationsweitergabe.

Defizite bei der Bearbeitungsqualität führten allein bei den geprüften Fällen zu einem Steuerausfall in sechsstelliger Höhe. Der ORH hält dies für nicht akzeptabel.

Der ORH empfiehlt daher,

  • zeitnah und bei allen Arbeitsbereichen ein elektronisches Kontrollmitteilungsverfahren ohne Medienbrüche einzuführen,
  • KM zeitnah von KSt-Stellen für alle Fälle (einschließlich der Bp-Fälle) und für alle VZ erstellen zu lassen und die interne Aufgriffsgrenze abzuschaffen,
  • die Bearbeiter der Veranlagungsstellen für die zutreffende Besteuerung der Vergütungsempfänger zu sensibilisieren.

52.4 Stellungnahme der Verwaltung

Das Finanzministerium hält ein elektronisches Kontrollmitteilungsverfahren ebenfalls für notwendig, es werde bereits im Vorhaben KONSENS12 entwickelt. Mit einem Einsatz in der Bp könne voraussichtlich in 2025 gerechnet werden. Bis zur Realisierung des elektronischen Workflows sollen die KM durch Zentralstellen in den FÄ gesichtet, elektronisch gespeichert und mit einer Erstbeurteilung an die Veranlagungsstellen weitergeleitet werden.

An den Kriterien für die Erstellung von KM durch die KSt-Stelle solle festgehalten werden. Insbesondere habe sich die Aufgriffsgrenze bewährt und diene dem wirtschaftlichen und zweckmäßigen Ressourceneinsatz.

Die Beschäftigten der Veranlagungsstellen sollen durch diverse Maßnahmen für die zutreffende Besteuerung sensibilisiert werden.


52.5 Schlussbemerkung

FÄ erhalten seit 1998 jährlich Informationen über gezahlte Vergütungen. Solche Einkünfte bleiben beim Empfänger vielfach unversteuert, weil diese Daten entweder gar nicht oder nur auf Papier weitergegeben werden. Der ORH empfiehlt schon aus Gründen der Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, nun unverzüglich ein elektronisches Kontrollmitteilungsverfahren einzuführen und nicht nur der Bp, sondern allen Arbeitsbereichen zur Verfügung zu stellen. Statt einer Aufgriffsgrenze zur Ressourcenschonung sollten elektronisch vorhandene Informationen möglichst ohne Personaleinsatz automatisiert und vollständig weitergeleitet werden.



[1] § 10 Nr. 4 KStG.
[2] § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.
[3] § 19 Abs. 1 UStG: 17.500€, ab 01.01.2020: 22.000€.
[4] § 19 Abs. 2 UStG.
[5] § 31 Abs. 1a KStG.
[6] ORH-Bericht 2020 - Ergänzungsband TNr. 15.
[7] ORH-Bericht 2022 TNr. 51.
[8] 186.840€ unversteuerte Einkünfte x 30% pauschaler durchschnittlicher Steuersatz.
[9] Abschnitt 2.2 Abs. 2 Satz 7 UStAE.
[10] § 19 UStG: 17.500€, ab 01.01.2020: 22.000€.
[11] Vgl. Fn. 6.
[12] Koordinierte neue Softwareentwicklung für die Steuerverwaltung.