TNr. 54 Finanzierung von drei Besitzgesellschaften der LfA Förderbank Bayern

Der Freistaat hat zur Finanzierung von drei Besitzgesellschaften der „High-Tech-Offensive“ seit ihrer Gründung im Jahr 2000 Darlehen aus Grundstockmitteln, Zinsverzichte und Zuwendungen von insgesamt 87,6 Mio.€ eingesetzt. Da alle drei Gesellschaften seit Gründung bilanziell überschuldet sind, können sie dauerhaft weder die Darlehen zurückzahlen noch die vereinbarten Zinsen entrichten.
Der ORH empfiehlt nachdrücklich, die eingesetzten Finanzierungs- bzw. Förderinstrumente zu überprüfen. Ausgehend davon sollte ein transparentes Gesamtförderkonzept entwickelt werden, das der parlamentarischen Kontrolle unterliegt.
Der ORH hat 2020/2021 die Betätigung des Wirtschaftsministeriums für die LfA Förderbank Bayern (LfA) bei drei Besitzgesellschaften der „High-Tech-Offensive“ geprüft. Schwerpunkt der Prüfung waren die staatlichen Finanzierungs- bzw. Förderinstrumente zugunsten dieser Besitzgesellschaften.
54.1 Ausgangslage
Die Förderung von Neuen Materialien, Medizintechnik und Biotechnologie bildete im Jahr 2000 einen Schwerpunkt der bayerischen Forschungs- und Technologiepolitik. Die Staatsregierung gründete im Rahmen der „High-Tech-Offensive“ (HTO) dazu drei Kompetenz-, Innovations- und Gründerzentren (Zentren) an den Standorten Bayreuth, Nürnberg-Erlangen und Würzburg.
Die drei Zentren sollten Gründern verbilligten Mietraum sowie verschiedene Beratungsleistungen zur Verfügung stellen und dadurch einen Fördereffekt für diese Unternehmen generieren. Für den Betrieb der Zentren und die Verwaltung der hierfür benötigten Immobilien entschied sich das Wirtschaftsministerium dafür, jeweils eigenständige Besitz- und Betriebsgesellschaften zu errichten:
Aufgabe der Besitzgesellschaften ist hierbei der Erwerb von Grundstücken, die Errichtung von Gebäuden und deren verbilligte Vermietung an die Betriebsgesellschaften. Die Mieten liegen deutlich unter Marktpreis, über deren Höhe entscheidet das Wirtschaftsministerium.
Aufgabe der Betriebsgesellschaften ist die Ansiedlung junger innovativer Unternehmen in diesen Immobilien. Zu diesem Zweck reichen sie u.a. die ihnen von den Besitzgesellschaften gewährten verbilligten Mieten mit einem Aufschlag an die Gründer weiter.
Die LfA ist nominell Alleingesellschafterin der drei Besitzgesellschaften. Sie hatte diese Beteiligungen auf Betreiben des Freistaates übernommen. Voraussetzung dafür war, dass ihr keine finanziellen Nachteile entstehen und der Freistaat die Gesellschafterrechte und pflichten vollumfänglich wahrnimmt. Hiermit ist das Wirtschaftsministerium beauftragt.
In Nürnberg-Erlangen wurde das Innovationszentrum Medizintechnik und Pharma mit der Besitz- und Immobilienverwaltungsgesellschaft Innovations Zentrum Medizintechnik und Pharma mbH (BIVG) und der Betriebsgesellschaft Medical Valley Center GmbH (MVC) gegründet.
In Würzburg wurde das Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie mit der Besitzgesellschaft Innovations- und Gründerzentrum für Biotechnologie und medizin/Zentrum für moderne Kommunikationstechnologien (BG-IGZ) und der Betriebsgesellschaft Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie und medizin/Zentrum für moderne Kommunikationstechnologien mbH (BetrG IGZ) gegründet.
In Bayreuth wurde das Kompetenzzentrum Neue Materialien mit der Besitz- und Immobilien-Verwaltungsgesellschaft Kompetenzzentrum Neue Materialien mbH (BIG) und der Betriebsgesellschaft Neue Materialien Bayreuth GmbH (NMB)1 gegründet. Zu diesem Zentrum zählt auch die Betriebsgesellschaft Neue Materialien Fürth GmbH (NMF).
54.2 Feststellungen
54.2.1 Finanzielle Lage der Besitzgesellschaften
Die Besitzgesellschaften sind seit Gründung im Jahr 2000 bilanziell überschuldet. Grund dafür ist - nach den Feststellungen der Jahresabschlussprüfer - die verbilligte Vermietung der Immobilien an die Betriebsgesellschaften. Die Mieteinnahmen als alleinige Einnahmequelle reichen nicht aus, um die Betriebsausgaben der Besitzgesellschaften zu decken. Bereits bei Gründung der Besitzgesellschaften hatten Finanz- und Wirtschaftsministerium Zweifel, dass die Besitzgesellschaften wie angestrebt sich nach einigen Jahren wirtschaftlich selbst tragen können.
Der Freistaat setzte zur Finanzierung der drei Besitzgesellschaften in den letzten 20 Jahren mehr als 87 Mio.€ ein:

54.2.2 Darlehen aus Grundstockmitteln als Anschubfinanzierung
Alleiniger Geschäftszweck der Besitzgesellschaften ist die verbilligte Vermietung von Immobilien an die Betriebsgesellschaften. Zur Anschaffung dieser Immobilien leistete der Freistaat eine Anschubfinanzierung: Er gewährte den Besitzgesellschaften mehrere Darlehen über insgesamt 42,7 Mio.€. Hierfür stellte das Finanzministerium 41,8 Mio.€ aus Grundstockmitteln und 0,9 Mio.€ aus Haushaltsmitteln zur Verfügung. Dem Wirtschaftsministerium wurde die Mittelbewirtschaftung für die Darlehen übertragen. Der Freistaat erklärte bereits jeweils bei Vertragsabschluss den Rangrücktritt für die Darlehen, um eine Insolvenz der Gesellschaften zu vermeiden.
Bis heute sind von den 42,7 Mio.€ Darlehen lediglich 1,1 Mio.€ getilgt. Nach Auffassung der Jahresabschlussprüfer wird eine weitere Tilgung auch in Zukunft nicht möglich sein.
54.2.3 Verzicht auf Darlehenszinsen
In mehr als 20 Jahren seit Gründung der Besitzgesellschaften erhielt der Freistaat von den fälligen 36,3 Mio.€ Darlehenszinsen tatsächlich 4,4 Mio.€ (12%). Auf die übrigen 31,9 Mio.€ (88%) verzichtete er überwiegend gegen Besserungsabrede. Diese sieht für den Fall, dass die Besitzgesellschaften künftig Jahresüberschüsse ausweisen, Zinszahlungen vor.
Die voraussichtlich notwendigen Zinsverzichte sind in den Wirtschaftsplänen der jeweils laufenden und kommenden Wirtschaftsperioden bereits berücksichtigt. Die Besitzgesellschaften beantragen diese dementsprechend jährlich beim Wirtschaftsministerium. Das Wirtschaftsministerium überprüft die Anträge und deren Begründung im Einzelfall. Nach Abwägung der aktuellen wirtschaftlichen Situation der Besitzgesellschaften und Abstimmung mit dem Finanzministerium gewährt es die Zinsverzichte.
Die gesamten Zinsverzichte des Freistaates für alle drei Besitzgesellschaften beliefen sich 2012 bis 2020 auf durchschnittlich 1 Mio.€ pro Geschäftsjahr.2 Sie werden anders als die Zinseinnahmen haushaltsmäßig nicht dargestellt.
Ohne diese Zinsverzichte und die Rangrücktritte des Freistaates drohten den Besitzgesellschaften nach den Feststellungen der Jahresabschlussprüfer unmittelbar die Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz.
54.2.4 Zuwendungen zur Finanzierung von Instandhaltungen
Die Besitzgesellschaften verfügen über keine Mittel, um notwendige Instandhaltungsarbeiten zu finanzieren. Ihre einzige Einnahmequelle, die nicht kostendeckenden Mieteinnahmen, reicht hierfür nicht aus. So konnten in der Vergangenheit keine Instandhaltungsrücklagen gebildet werden. Die Besitzgesellschaften sind insoweit auf Zuwendungen des Freistaates angewiesen.
Bislang gewährte das Wirtschaftsministerium zur Durchführung von Umbau- und Sanierungsmaßnahmen den drei Besitzgesellschaften Zuwendungen von insgesamt 13,0 Mio.€. Dabei mussten notwendige und dringliche Maßnahmen bei allen drei Besitzgesellschaften z.T. um mehrere Jahre verschoben werden, denn die notwendigen Haushaltsmittel standen meist nicht zeitnah zur Verfügung.
Die Immobilien der Besitzgesellschaften sind im Durchschnitt über 15 Jahre alt. Aufgrund des zunehmenden Gebäudealters und der teilweise umfangreichen Beanspruchung ist zukünftig ein höherer Instandhaltungsbedarf zu erwarten.
54.3 Würdigung und Empfehlungen
Seit Gründung bewegen sich die Besitzgesellschaften am Rande der Insolvenz. Gleichwohl hat es das Wirtschaftsministerium seit 20 Jahren versäumt, die eingesetzten Finanzierungs- bzw. Förderinstrumente an die Erfordernisse der Realität anzupassen.
Ihr alleiniger Geschäftszweck, die Vermietung an die Betriebsgesellschaften, ist bereits deshalb gefährdet, weil die Besitzgesellschaften nicht für den Erhalt der Immobilien aufkommen können.
Da die Rückführung der Darlehen auch in Zukunft nicht möglich sein wird, hat der ORH erhebliche Zweifel, ob die Darlehen (noch) werthaltig und damit grundstockkonform sind: Das Wirtschaftsministerium als mittelbewirtschaftende Stelle hat aber sicherzustellen, dass die Darlehen als Teil des Grundstockvermögens nach Art. 81 BV in ihrem vollen Wert erhalten bleiben. Andernfalls gebietet Art. 81 BV dem Grundstockvermögen Haushaltsmittel in entsprechender Höhe zuzuführen.
Die zwangsweise verstetigten Zinsverzichte sind kein Ausdruck eines transparenten und zielgerichteten, staatlichen Vorgehens. Ohne die jährlichen Zinsverzichte des Freistaates droht den Besitzgesellschaften die Insolvenz. Die Zinsverzichte von 31,9 Mio.€ entsprechen zwischenzeitlich 75% der ursprünglich ausgereichten Darlehenssumme von 42,7 Mio.€. Die Besserungsabreden ändern daran nichts. Sie laufen vielmehr ins Leere; denn die Konstruktion der Zentren lässt keine Gesundung der Besitzgesellschaften in der Zukunft erwarten.
Die jährlichen Zinsverzichte sind zwar keine Zuwendungen im Sinne der Bayerischen Haushaltsordnung, sie wirken jedoch wie eine „indirekte“ institutionelle Förderung zugunsten der Besitzgesellschaften; denn sie sind regelmäßig, sind auf gewisse Dauer angelegt und dienen der Förderung einer Einrichtung als solcher. Anders als bei Zuwendungen gibt es beim Zinsverzicht keine transparenten haushaltsmäßigen Steuerungs- und Kontrollmechanismen (z.B. Kontrolle der Mittelverwendung und Leistungserbringung). So sind die jährlichen Zinsverzichte auch nicht Gegenstand der Haushaltsaufstellung.
Die förmliche Entscheidung der Ministerien über den Zinsverzicht von bislang insgesamt 31,9 Mio.€ ändert nichts an der letztlich fehlenden parlamentarischen Kontrolle. Eine solche hält der ORH jedoch für angezeigt, denn auch künftig werden Zinsverzichte von rd. 1 Mio.€ jährlich notwendig sein.
54.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Wirtschaftsministerium hat in Abstimmung mit dem Finanzministerium und der LfA Stellung genommen.
Das Wirtschaftsministerium teilt mit, dass das bisherige Förder- und Finanzierungskonzept umfassend überprüft werde. Diese Prüfung umfasse alle Gesellschaften, bei denen in der Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums im Rahmen der HTO das entsprechende Finanzierungsmodell über grundstockkonforme Darlehen angewandt worden sei. Das Wirtschaftsministerium habe für eine andere HTO-Gesellschaft ein Gutachten zu den Möglichkeiten einer Umfinanzierung beauftragt. Dieses Gutachten solle Ansätze für eine Umfinanzierung der Besitzgesellschaften liefern.
Die hohe Auslastung der Zentren zeige aber, dass die veranschlagten Mieten, in Verbindung mit dem angebotenen Gesamtpaket akzeptiert würden. Die erfolgreiche Entwicklung der eingemieteten Unternehmen und deren Verweildauer lasse auf das Erreichen des Fördereffekts schließen.
54.5 Schlussbemerkung
Der vom Wirtschaftsministerium geltend gemachte Fördereffekt hat einen hohen Preis: Der Freistaat hat zur Finanzierung der Besitzgesellschaften 87,6 Mio.€ eingesetzt. Alle drei Gesellschaften sind seit Gründung bilanziell überschuldet, können dauerhaft weder die Darlehen zurückzahlen noch die vereinbarten Zinsen entrichten. Die vom Wirtschaftsministerium angekündigte umfassende Überprüfung des Finanzierungskonzepts ist längst überfällig. Ein externes Gutachten kann hierfür allenfalls ein erster Schritt sein.
Der ORH empfiehlt, die Werthaltigkeit der aus Grundstockmitteln gewährten Darlehen in Höhe von 41,8 Mio.€ zu überprüfen. Nachdrücklich empfiehlt er zudem, die eingesetzten Finanzierungs- bzw. Förderinstrumente zu überprüfen. Ausgehend davon sollte ein transparentes Gesamtförderkonzept entwickelt werden, das der parlamentarischen Kontrolle unterliegt.
[1] Siehe ORH-Bericht 2022 TNr. 52.
[2] Zum Beispiel Zinsverzicht 2020: BIG: 442.000€, BIVG: 262.000€, BG-IGZ: 246.000€; gesamt 1 Mio.€.