TNr. 58 Planungswettbewerbe bei staatlichen Hochbaumaßnahmen

Vor der Vergabe von bedeutenden Planungsaufträgen für staatliche Hochbaumaßnahmen lobt der Freistaat regelmäßig Planungswettbewerbe aus. Bei allen geprüften Wettbewerben stellte der ORH gravierende Verstöße gegen Vergaberecht und Wirtschaftlichkeit fest. Überfällig ist, Ergebnis- und Verfahrensqualität von Planungswettbewerben nachhaltig zu verbessern.
Es genügt nicht, bei der Beurteilung von Wettbewerbsarbeiten vor allem städtebauliche und architektonische Aspekte zu berücksichtigen. Wenn Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz nicht hinreichend gewürdigt werden, erfüllen Planungswettbewerbe eine ihrer wesentlichen Funktionen nicht.
Der ORH hat 2019/2020 zusammen mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Bayreuth und Regensburg das Vorgehen der Staatlichen Bauämter (StBÄ) bei Planungswettbewerben1 der Jahre 2013 bis 2018 geprüft. Wettbewerbe sind Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollen. Prüfungsmaßstab waren Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, insbesondere die Richtlinien für die Durchführung von Hochbauaufgaben des Freistaates (RLBau)2, die Vergabevorschriften (u.a. VHF Bayern)3 und die Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW)4.
Bereits 2012 hatte der Landtag aufgrund des ORH-Berichts 20115 die Staatsregierung ersucht, bei Planungswettbewerben die Wirtschaftlichkeit stärker zu beachten.
58.1 Ausgangslage
Der Freistaat vergibt Planungsaufträge regelmäßig an Externe. In einem ersten Schritt zur Vergabe der Planungsleistung führt er für besonders bedeutende, also meist sehr teure oder planerisch anspruchsvolle Hochbauprojekte Planungswettbewerbe („Architektenwettbewerbe“) durch. Dadurch sollen die besten planerischen Lösungen für unterschiedliche staatliche Unterbringungsbedarfe gefunden werden. Dies erfolgt mit Unterstützung unabhängiger Preisgerichte.
Schon die Planungsleistungen bedürfen wegen ihres Auftragswerts in aller Regel eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens. Die StBÄ müssen als Vergabestellen bei der Durchführung eines Planungswettbewerbs die RPW beachten.6 Sie sind deshalb bereits in der jeweiligen Auslobung eines Planungswettbewerbs für anwendbar zu erklären.7
Für die Vorbereitung und Durchführung von Planungswettbewerben bedienen sich die StBÄ meist externer Wettbewerbsbetreuer. Diese unterstützen bei der Erstellung der Auslobungsunterlagen und der Organisation und Durchführung des Verfahrens. Sie achten im Rahmen einer Vorprüfung darauf, inwieweit die Vorgaben der Auslobung durch die Wettbewerbsteilnehmer eingehalten werden und stellen die Ergebnisse in Form eines Vorprüfungsberichts8 zusammen. Dieser ist Grundlage für die Bewertung der Wettbewerbsbeiträge durch das Preisgericht.
Das Preisgericht besteht aus unabhängigen Preisrichtern. Die StBÄ haben die Preisrichter vertraglich an die Einhaltung der vergabe- und haushaltsrechtlichen Vorschriften zu binden.9 Die Bewertung der Wettbewerbsergebnisse erfolgt ausschließlich nach den in Bekanntmachung bzw. Auslobung festgelegten Vorgaben und Wertungskriterien. Das Preisgericht erstellt einen Bericht über die Rangfolge und hierin eine Beurteilung der von ihm ausgewählten Wettbewerbsarbeiten. Diese werden mit Preisen und Anerkennungen honoriert, deren Umfang in der Wettbewerbsauslobung bekanntgemacht wird. Soweit und sobald das Ergebnis des Planungswettbewerbs realisiert werden soll und beabsichtigt ist, einen oder mehrere der Preisträger mit den zu beschaffenden Planungsleistungen zu beauftragen, fordern die StBÄ alle Preisträger10 zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren11 auf.
58.2 Feststellungen
Der Querschnittsprüfung des ORH lagen 25 Planungswettbewerbe sämtliche Auslobungen von 2013 bis 2015, zudem zwei Wettbewerbe aus 2016 und 2018 mit genehmigten Projektkosten12 von 1,8 Mrd.€ (Stand: 01.10.2022) zugrunde. Die Kosten13 je Wettbewerb betrugen ohne Berücksichtigung des Preisgelds für den 1. Preisträger14 zwischen 37.750 und 544.500€, im Durchschnitt 244.500€.
Die StBÄ und die eingebundenen Wettbewerbsbetreuer sowie Preisrichter müssen in allen Projektphasen für staatliche Baumaßnahmen, beginnend vom Planungswettbewerb, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten. Die Wirtschaftlichkeit bei den Phasen staatlicher Baumaßnahmen wird u.a. nach verbindlichen Planungsrichtwerten gemäß RLBau, anhand der Einhaltung von Kostenobergrenzen15 und Vorgaben zur Energieeffizienz16 beurteilt.
58.2.1 Auslobung und Kostenentwicklung
Bereits zum Zeitpunkt des laufenden Planungswettbewerbs ergaben sich Kostensteigerungen bei staatlichen Hochbaumaßnahmen im Wesentlichen aus folgenden Gründen:
Bei 10 Wettbewerben hätten die Planungsrichtwerte der RLBau in der Auslobung vorgegeben und der Beurteilung durch das Preisgericht zugrunde gelegt werden müssen (Zentral- und Mittelbehörden, Gebäude für allgemeine Verwaltung, Justizgebäude, Institutsgebäude). In 6 dieser 10 Wettbewerbe war dies nicht der Fall.
Bei 13 der 25 geprüften Wettbewerbe hatten die StBÄ keine Kostenobergrenzen in der Auslobung vorgegeben. Bei 3 Projekten wurde nach Beendigung des Wettbewerbs und nach Abschluss des darauffolgenden Verhandlungsverfahrens im Architektenvertrag keine Kostenobergrenze vereinbart. In 7 Fällen wich die vereinbarte Kostenobergrenze deutlich von den Vorgaben der Auslobung ab.
Beispiele:
Beim Neubau für ein Krankenhaus wurde bei den einzelnen Wettbewerbsbeiträgen die Einhaltung der vorgegebenen Kostenobergrenze weder durch die Vorprüfung, noch durch das Preisgericht geprüft oder gewürdigt. Der Siegerentwurf erfüllte die Flächenvorgaben mehrfach nicht: Einige Bereiche waren teilweise stark überdimensioniert, bei den Patientenzimmern wurden die Sollflächen deutlich unterschritten, es fehlten Bewegungsflächen und die Unterbringung der notwendigen Bettenanzahl war teilweise aufgrund des ungünstigen Raumzuschnitts nicht möglich. Unmittelbar nach dem Planungswettbewerb wurde mit dem Architekturbüro eine Kostenobergrenze vertraglich vereinbart. Während der Planung stiegen die Kosten dann trotz reduzierten Raum- und Funktionsprogramms um insgesamt 80%. Daraufhin wurde das Projekt eingestellt. Das Verfahren verursachte verlorene Baunebenkosten von 5,8 Mio.€.
In der Wettbewerbsbekanntmachung zur Planung eines Hochschulgebäudes wurde eine Kostenobergrenze mit 57,9 Mio.€17 vorgegeben und im Architektenvertrag mit 73,3 Mio.€ vereinbart.18
58.2.2 Vorprüfung bei externer Wettbewerbsbetreuung
Bei 23 von 25 Wettbewerben war die Wettbewerbsbetreuung einem Architektur- bzw. Ingenieurbüro übertragen worden.19 Bei 7 Wettbewerben wurden daneben weitere externe Berater für Spezialaufgaben hinzugezogen, wie z.B. für die Vorprüfung der Haustechnik oder Betriebsplanung. Die Kosten für Wettbewerbsbetreuung und Spezialaufgaben lagen zwischen 13.550 und 162.700€, im Durchschnitt bei ca. 60.000€.
Regelablauf und Mindestprüfumfang müssen der RPW entsprechen. Neben den formalen Wettbewerbsanforderungen müssen beispielsweise die Einhaltung von Beurteilungskriterien und Raumprogramm sowie die geforderten Unterlagen und Angaben (Flächen, Rauminhalte, Kennwerte, Kostenangaben etc.) geprüft, kommentiert und dargestellt werden. Bei allen 25 Wettbewerben stellte der ORH fest, dass die zu fertigenden Vorprüfungsberichte unvollständig waren und damit nicht den Vorgaben der RPW entsprachen.
In der Regel lag das daran, dass die externen Wettbewerbsbetreuer und Berater ihr jeweiliges, standardisiertes Konzept zur Erstellung der Vorprüfungsberichte verwendet hatten, meist ohne individuelle Vorgaben des einzelnen Wettbewerbs zu berücksichtigen. Dem Preisgericht war auf dieser Grundlage keine Bewertung möglich. In keinem Fall haben die StBÄ dies kritisiert oder eine vertragsgerechte Leistung eingefordert.
Die Auslobungen der 24 Wettbewerbe zur Realisierung von Hochbaumaßnahmen20 nannten jeweils die Wirtschaftlichkeit des Entwurfs als Wertungskriterium. Bei 12 Wettbewerben waren zusätzlich Kostenobergrenzen enthalten. Bis auf einen Fall wurden aber die Angaben der Wettbewerbsteilnehmer ungeprüft übernommen oder diese wurden anhand fester Durchschnittskosten je Quadratmeter Nutzfläche pauschal ermittelt. Aussagen zu entwurfsbedingten Sonderkosten oder potenziellen Kostenrisiken wurden nicht gemacht.
Beispiel:
Zum Bau eines Dokumentations- und Ausstellungsgebäudes schlug eine Wettbewerbsarbeit vor, das Gebäude beinahe komplett in einen Berg hinein zu bauen. In der Auslobung war eine „feste Kostenobergrenze“ von 9,7 Mio.€21 vorgegeben. Obwohl die Wettbewerbsarbeit aufgrund der geologischen Rahmenbedingungen hohe Sonderkosten erwarten ließ, wurden diese im Vorprüfungsbericht nicht dargestellt und somit dem Preisgericht keine Grundlage zur Beurteilung dieses Risiko- und Kostenfaktors gegeben. Die Wettbewerbsarbeit wurde in der Preisgerichtssitzung mit dem 1. Preis ausgezeichnet und wird inzwischen umgesetzt.
Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit waren in 17 geprüften Fällen Verhältnis- oder Flächenwerte im Auslobungstext als einzuhaltende Vorgabe genannt. Die Vorprüfung ermittelte und bewertete diese Werte in 12 der 17 Fälle nicht.
Beispiel:
Bei der Wettbewerbsarbeit für einen Hochschulneubau fehlten Grundriss und Flächenangaben für das gesamte Untergeschoss. Im Vorprüfungsbericht wurde dieser Mangel nicht ausdrücklich dargestellt. Die Wandstärken waren nicht in den Planunterlagen dargestellt.
58.2.3 Preisgericht und Auswahl der Preisträger
Der Entscheidungsprozess des Preisgerichts auf Grundlage der Beurteilungskriterien und deren Gewichtung ist nachvollziehbar zu dokumentieren.22 In keinem Fall wurde eine Gewichtung der Beurteilungskriterien durch das Preisgericht dokumentiert.
Preisrichter und deren Stellvertreter sind schriftlich auf die Einhaltung der einschlägigen Rechtsnormen zu verpflichten.23 Die StBÄ konnten für keines der 25 geprüften Wettbewerbsverfahren Unterlagen zu einer schriftlichen Verpflichtung der Preisrichter einschließlich der einzuhaltenden Vorschriften vorlegen. Die Preisrichter wurden in allen Fällen mündlich bestellt.
Aus den Dokumentationen der Preisgerichtssitzungen geht hervor, dass bei allen 25 Wettbewerben das verbindliche Beurteilungskriterium der Wirtschaftlichkeit in keinem Fall maßgeblich für die Beurteilungen und Entscheidungen der Preisgerichte war. Die Preisgerichte zeichneten 9 Wettbewerbsarbeiten mit dem 1. Preis und 6 Arbeiten mit dem 2. Preis aus, obwohl die Preisrichter selbst unwirtschaftliche Planungen erkannt hatten. In allen Preisgerichtsprotokollen nimmt die Diskussion und Bewertung architektonischer, gestalterischer sowie städtebaulicher Kriterien einen überwiegenden Anteil ein.
Beispiel:
Im oben genannten Fall eines Hochschulneubaus bewertete das Preisgericht den Baukörper mit einem Bruttorauminhalt von 33.500 m³ daraufhin als „besonders kompakt“ und zeichnete den Wettbewerbsbeitrag mit dem 1. Preis aus. Das vorgegebene Raumprogramm konnte nur mit einem Bruttorauminhalt von 49.946 m³, also einer Mehrung von beinahe 50%, realisiert werden.
Zu den Planungsrichtwerten der RLBau fand der ORH in keinem Preisgerichtsprotokoll eine Wertung. Bei 4 Wettbewerben waren zum 1. Preis, bei 5 Wettbewerben zum 2. Preis keine Aussagen zu Gebäudekennwerten oder zur Wirtschaftlichkeit vorhanden. Bei den übrigen Wettbewerben wurden in einzelnen Fällen kurze, pauschale Aussagen zu Preisträgern getroffen.
Bei den 12 Wettbewerben mit Vorgabe von Kostenobergrenzen oder Kostenrahmen wurden in den Preisgerichtsprotokollen nur in einem Fall Aussagen dazu getroffen, ob die Wettbewerbsarbeit des 1. Preisträgers innerhalb dieser Vorgaben realisierbar ist. Sonderkosten oder Kostenrisiken wurden in keinem Fall ermittelt bzw. blieben unberücksichtigt.
Die Bewertungen von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz wurden generell nur in Form von kurzen, pauschalen Bemerkungen dokumentiert. Bei 3 der 25 geprüften Wettbewerbe sind diesbezüglich keine Aussagen dokumentiert. In weiteren 15 Fällen fehlten im Preisgerichtsprotokoll zumindest für einzelne Preisträger und Anerkennungen Bewertungen der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. In mehreren Fällen wurden Wettbewerbsarbeiten mit Preisen ausgezeichnet, die die Anforderungen der Auslobung bezüglich Nachhaltigkeit und Energieeffizienz nicht nachweisen konnten.
Beispiel:
Beim Erweiterungsbau eines Archivgebäudes wurden in der Auslobung umfangreiche Vorgaben zur Energieeffizienz definiert und als Entscheidungskriterium festgelegt (z.B. Ausführung als energieeffizientes Gebäude24, Vorrang passiver Maßnahmen zur Energieeinsparung). Das Preisgericht zeichnete eine Arbeit mit dem 1. Preis aus, die lt. Protokoll „sehr wenig Aussagekraft im Hinblick auf das technische und energetische Konzept hat“.
Zu Funktionalitäten und Raumprogramm nahmen die Preisgerichte häufig keine Bewertung vor, obwohl die Vorprüfungsberichte teilweise Hinweise auf unvollständige Umsetzung der Wettbewerbsanforderungen gaben. Auch wenn das Preisgericht selbst kritische und negative Beurteilungen aussprach, wurden diese Wettbewerbsbeiträge dennoch mit Preisen ausgezeichnet. Bei Empfehlungen des Preisgerichts zu notwendigen Überarbeitungen von Entwürfen blieb außer Acht, dass sich dadurch ggf. Flächen- bzw. Kostensteigerungen ergeben würden.
Beispiel:
Bei einem Wettbewerb für eine Bibliothek wurde eine Arbeit mit dem 2. Preis ausgezeichnet, obwohl dem Preisgericht die innere Organisation wenig überzeugend erschien. Daneben wurde dem Entwurf durch das Preisgericht attestiert, dass sich die Nutzungen gegenseitig stören würden und ein wissenschaftliches Arbeiten im Lesesaal kaum möglich sei.
58.3 Würdigung und Empfehlungen
58.3.1 Auslobung und Kostenentwicklung
Der ORH hält es für notwendig, bei Konzeption, Auslobung sowie Bewertung von Planungswettbewerben durch die Preisgerichte wirtschaftlichen Aspekten deutlich mehr Gewicht zu verleihen. Kostenobergrenzen, Kostenermittlungen25 und Planungsrichtwerte stellen wichtige Instrumente dar, um die haushaltsrechtlich gebotene Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu erreichen. Ihre Anwendung sollte bindend vorgegeben und die Einhaltung der Vorgaben angemessen bewertet werden. Nachweislich unwirtschaftliche Wettbewerbsarbeiten dürfen weder weiter geplant noch realisiert werden.
Die im Planungswettbewerb festgelegte Kostenobergrenze für eine Baumaßnahme ist im Architektenvertrag also meist unmittelbar nach Abschluss von Wettbewerb und Verhandlungsverfahren ebenso verbindlich zu vereinbaren. Schließlich haben sich die Entwürfe am vorgegebenen Budget des Auslobers zu orientieren und zu gewährleisten, dass das jeweilige Projekt vom Wettbewerbsbeitrag bis zur Bauausführung im Kostenrahmen bleibt. Wenn schon die Kostenobergrenze eines Architektenvertrags deutlich über der Kostenobergrenze einer Wettbewerbsauslobung liegt, war der Wirtschaftlichkeit des Projekts im Wettbewerbsverfahren offensichtlich keine entscheidende Bedeutung zugemessen worden. Dies steht im Widerspruch zu den haushaltsrechtlichen Bestimmungen.
58.3.2 Vorprüfung bei externer Wettbewerbsbetreuung
Die überwiegend mangelhaften und unvollständigen Vorprüfungsberichte der externen Wettbewerbsbetreuer stellen keine vertragsgerechte Leistung dar und hätten durch die StBÄ nicht ohne Weiteres abgenommen werden dürfen. Viele dieser Berichte waren als Arbeits- und Bewertungsgrundlage für das Preisgericht aufgrund fehlender oder unvollständiger Informationen unbrauchbar. Wenn der Vorprüfungsbericht keine vollständigen und qualifizierten Informationen zur Verfügung stellt, ist dem Preisgericht im regelmäßig knappen Zeitrahmen eine zutreffende Bewertung der Wettbewerbsarbeiten kaum möglich, was häufig zu Fehlauszeichnungen führt. Insbesondere sind Vorprüfungsberichte ohne Prüfung der Bauwerkskosten, Sonderkosten und Kostenrisiken keine hinreichende Grundlage, die Wirtschaftlichkeit eines Projekts zu beurteilen. Aus einer entsprechend unwirtschaftlichen Wettbewerbsplanung ergeben sich erhebliche Risiken für spätere Kostensteigerungen.
Der ORH empfiehlt, das Verfahren der Vergabe und insbesondere der Abnahme freiberuflicher Leistungen zur externen Wettbewerbsbetreuung anhand konkreter Vorgaben wie Checklisten oder Vertragsmuster zu verbessern. So sollte die dringend notwendige vergaberechtliche und inhaltliche Qualität der Vorprüfung sichergestellt werden.
58.3.3 Preisgericht und Auswahl der Preisträger
Nach den Prüfungsergebnissen des ORH kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund fehlerhafter Bewertungen oder Unkenntnis der geltenden rechtlichen Vorgaben unwirtschaftliche Wettbewerbsarbeiten durch die Preisgerichte prämiert und in der Folge beauftragt und realisiert wurden.
Wenn das Preisgericht Wettbewerbsarbeiten auszeichnete, bei denen es sogar selbst Hinweise auf die Unwirtschaftlichkeit bei der Realisierung sah, verstieß es gegen haushalts- und vergaberechtliche Vorgaben. Dies trifft ebenso zu, wenn das Preisgericht die Einhaltung von Kostenvorgaben, Kennwerten zu Nachhaltigkeit und Energieeffizienz oder Angaben zu Funktionalitäten und Raumprogramm nicht angemessen in die Wertung einfließen ließ. Sofern die Wertungen des Preisgerichts den Feststellungen im Vorprüfungsbericht widersprachen oder die Bewertung von falschen Annahmen ausging, bedeutet das eine wesentliche Missachtung vergaberechtlicher Grundsätze. Zudem droht in solchen Fällen eine spätere Anfechtung der Auftragsvergabe.
Der ORH hält es für unabdingbar, dass die StBÄ die Preisrichter künftig schriftlich auf die Einhaltung der RPW sowie der einschlägigen Haushalts- und Vergabevorschriften verpflichten und in geeigneter Weise über die Inhalte und Konsequenzen informieren.
Bei allen Planungswettbewerben sollen nach Auffassung des ORH künftig die in der Bekanntmachung bzw. in der Auslobung genannten Kriterien, insbesondere zur Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz, in den Preisgerichtssitzungen mit der entsprechenden Gewichtung berücksichtigt und der Wertungsprozess präzise dokumentiert werden. Das Preisgericht muss hierbei die Vorgaben der Bekanntmachung bzw. Auslobung, beispielsweise Kostenobergrenzen, Planungsrichtwerte und sonstige Kennwerte, beachten, andernfalls verstößt es gegen die Grundsätze des Haushaltsrechts.
Wenn Wettbewerbsarbeiten wesentliche Vorgaben der Auslobung nicht erfüllen und damit ihre wirtschaftliche Realisierung infrage steht, dürfen sie nach Auffassung des ORH nicht mit Preisen ausgezeichnet werden.26
58.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Bauministerium teilt die Auffassung des ORH, dass bei der Durchführung von Wettbewerben die Themen Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz eine angemessene Berücksichtigung finden müssten. Es sieht in den Prüfungsmitteilungen eine wertvolle Grundlage für die Qualitätssicherung zukünftiger Wettbewerbe. Allerdings würden Wettbewerbe nur bei ca. 3% der Staatlichen Hochbaumaßnahmen durchgeführt.
Seit 2015 würden wirtschaftliche Aspekte verstärkt berücksichtigt. Die StBÄ seien inzwischen über die Prüfungsergebnisse des ORH unterrichtet und um Beachtung der Empfehlungen gebeten worden. Das Thema solle zudem verstärkt in die Fortbildungsoffensive der Bauverwaltung und in die Ausbildung der Referendare aufgenommen werden.
Das Bauministerium werde in seinen Zustimmungsschreiben zu den jeweiligen Wettbewerben nochmals auf die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften, Landtagsbeschlüsse und Ministerialschreiben hinweisen. Zudem werde jeweils um eine angemessene Berücksichtigung der Ausführungen des ORH bezüglich Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz gebeten. Außerdem sei geplant, neben einer Kostenobergrenze entsprechende Regelungen aufzunehmen, die es ermöglichen, bei Überschreitung des Kostenrahmens von einer Beauftragung eines Preisträgers mit den weiteren Planungsleistungen abzusehen.
Bezüglich der Auftragsvergaben an externe Wettbewerbsbetreuer seien Muster für den Leistungsumfang erstellt worden, die den StBÄ sukzessive zur Verfügung gestellt werden sollen. Zudem sei der Aufbau eines Fachregisters für Wettbewerbsbetreuer bei der Bayerischen Architektenkammer beschlossen worden. Der Abschnitt IV des VHF Bayern (Durchführung von Wettbewerben) werde grundlegend überarbeitet und mit zusätzlichen Arbeitshilfen und Beispielen versehen werden.
58.5 Schlussbemerkung
Die Staatsregierung hatte dem Landtag bereits 2012 zugesagt, Empfehlungen des ORH aus dessen Bericht 2011 umzusetzen, was dann aber zehn Jahre lang nicht erfolgte. Bei allen geprüften Planungswettbewerben der Folgejahre fanden sich gravierende Verstöße gegen Vergaberecht und Wirtschaftlichkeit. Überfällig ist, Ergebnis- und Verfahrensqualität von Planungswettbewerben nachhaltig zu verbessern.
Es genügt nicht, wenn Preisgerichte sich auf städtebauliche und architektonische Aspekte konzentrieren. Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz staatlicher Projekte dürfen nicht weiter vernachlässigt werden; sie sind wesentliche Kriterien bei Planungswettbewerben. Wenn Preisgerichte bei der Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten diese nicht hinreichend würdigen, erfüllen Planungswettbewerbe eine ihrer wesentlichen Funktionen nicht.
[1] § 103 Abs. 6 GWB.
[2] Gemeinsame Bek. des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 25.05.2011 Az. IIA/IIZ-42011-001/09 und 13-B 1003-2-21511/11, AllMBl. S. 309.
[3] GWB, VgV, UVgO, Handbuch für die Vergabe und Durchführung für Freiberufliche Dienstleistungen (VHF Bayern).
[4] Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW 2013), Fassung vom 31.01.2013, BAnz. AT 22.02.2013 B4.
[5] Siehe ORH-Bericht 2011 TNr. 15.
[6] Bek. der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 01.10.2013 Az. IIZ5-4634-01/13, AllMBl. Nr. 12/2013 S. 404.
[7] Abschnitt IV.2 Nr. 0.2 Abs. 2 VHF Bayern
[8] Regelablauf der Vorprüfung: siehe Anlage 6 RPW.
[9] Abschnitt IV.2 Nr. 4.10 Satz 2 VHF Bayern.
[10] Vgl. Fn. 6.
[11] § 70 Abs. 2 VgV.
[12] Sofern in der Datenbank HHV-Bau keine genehmigten Projektkosten angegeben waren, wurde der voraussichtliche Ausgabemittelbedarf bzw. die Kostenberechnung nach dem letzten Planungsstand herangezogen.
[13] Zum Beispiel für Raummieten, Modelle, Verpflegungen, Aufwandsentschädigungen, Preisgelder, Anerkennungen und Honorare für externe Wettbewerbsbetreuer.
[14] Das Preisgeld für den 1. Preisträger wird später mit dem Architektenhonorar verrechnet und wäre somit auch ohne Durchführung des Wettbewerbs angefallen.
[15] Abschnitt A Nr. 8.1 RLBau 2011.
[16] Nr. 4.14.5 HvR 2022.
[17] Kostenobergrenze der Bek. umgerechnet auf Kostengruppen 200 bis 600 DIN 276.
[18] Betrag nach Umrechnung auf Kostengruppen 200 bis 600 DIN 276.
[19] In zwei Fällen führten die StBÄ die Wettbewerbe ohne externe Berater durch.
[20] Ein Wettbewerb zielte auf einen städtebaulichen und landschaftsplanerischen Entwurf ab. Die Vorgaben der Auslobung waren deshalb nicht mit den übrigen 24 Wettbewerben vergleichbar.
[21] Kostengruppen 200 bis 600 DIN 276; Kosten ohne Ausstellung bzw. Ausstellungsarchitektur.
[22] § 6 Abs. 2 RPW, § 8 Abs. 1 Satz 1 VgV, Abschnitt IV Nr. 0.4 VHF Bayern.
[23] Abschnitt IV.2 Nr. 4.3 Abs. 7 VHF Bayern.
[24] Mindest-Standard Energieeinsparverordnung 2009 minus 30% bezüglich der Anforderungen an die Gebäudehülle.
[25] Kostenschätzung gem. DIN 276.
[26] § 7 Abs. 1 Satz 2 RPW.