Jahresbericht 2023

TNr. 59 Umbau von Straßenkreuzungen

Die Staatlichen Bauämter haben für den Umbau von Kreuzungen an Staatsstraßen häufig keine vollständigen Planunterlagen erstellt sowie Varianten und Wirtschaftlichkeit nicht untersucht. Häufig wurden statt Lichtsignalanlagen Kreisverkehre ohne ausreichende fachliche Begründung priorisiert, obwohl deren durchschnittliche Baukosten doppelt bis vierfach so hoch sind.

Der ORH hat 2021/2022 gemeinsam mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Regensburg und Würzburg den Umbau von Kreuzungen und Einmündungen (Knotenpunkte) an Staatsstraßen geprüft. Er hat bei den 19 Staatlichen Bauämtern (StBÄ) mit Straßenbauaufgaben erhoben, ob die für Knotenpunktumbauten erforderlichen Planunterlagen vorlagen. Zudem hat er ermittelt, ob die Entscheidung für die gewählte Knotenpunktart (z.B. Kreisverkehr, Lichtsignalanlage) sachgerecht begründet war, insbesondere ob ein Variantenvergleich mit Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt wurde. Prüfungsmaßstab waren Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit staatlichen Handelns.


59.1 Ausgangslage

Zur Beseitigung von Defiziten in der Verkehrssicherheit oder Leistungsfähigkeit von Staatsstraßen müssen bestehende Knotenpunkte umgebaut und dazu vorab Planunterlagen1 erstellt werden. Grundlage hierfür sind die 2013 von der damaligen Obersten Baubehörde eingeführten Richtlinien des Bundes zum Planungsprozess und für die einheitliche Gestaltung von Entwurfsunterlagen im Straßenbau (RE 2012). Diese sind für alle Vorhaben an Bundesfern-, Staats- und Kreisstraßen in staatlicher Verwaltung anzuwenden.

Im Rahmen der Entwurfsplanung ist ein Vorentwurf aufzustellen, der im Wesentlichen Pläne und Erläuterungen umfasst. Darin beschreibt der Vorhabenträger u.a. den Anlass für das Bauvorhaben, die angestrebten Ziele, die Gründe für die gewählte Variante, weitere untersuchte Varianten, die Auswirkungen auf Klima, Natur und Umwelt und die Kosten. Anhand des Vorentwurfs wird die Planung fachlich beurteilt, insbesondere im Hinblick auf

  • die Übereinstimmung mit den verkehrspolitischen Zielsetzungen,
  • die Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften und der allgemein anerkannten Regeln der Technik sowie
  • die Wirtschaftlichkeit, die sparsame Verwendung von Haushaltsmitteln und die Kostenbeteiligung Dritter.
Wenn die Kosten von Staatsstraßenprojekten über 5 Mio.€ liegen (Vorlagegrenze), muss das Bauamt den Vorentwurf der zuständigen Regierung bzw. dem Bauministerium zur Genehmigung vorlegen. Die Kosten von Knotenpunktumbauten liegen meist unter der Vorlagegrenze. In diesen Fällen soll die Prüfung durch die StBÄ selbst erfolgen.

Auch Kommunen können Staatsstraßen-Knotenpunkte in Abstimmung mit den StBÄ mit staatlicher Förderung umbauen. Die Förderanträge dazu müssen Planunterlagen mit Erläuterungen zu Variantenwahl und Wirtschaftlichkeit enthalten.


59.2 Feststellungen

Der ORH befragte über das Bauministerium die StBÄ, welche Umbaumaßnahmen an Knotenpunkten mit Staatsstraßen in den Jahren 2015 bis 2020 geplant und ausgeführt wurden. Diese meldeten insgesamt 166 Fälle, wobei es sich in 100 Fällen (60 %) um höhengleiche Knotenpunkte2 handelte, die entweder zu Kreisverkehren umgebaut (68 Fälle) oder mit einer Lichtsignalanlage ausgestattet wurden (32 Fälle). Die übrigen 66 Knotenpunkte wurden auf andere Weise verbessert, wie etwa durch Ergänzung von Abbiegestreifen, Fahrbahnteilern, Querungshilfen oder durch Umbau zu einem höhenfreien Knotenpunkt.

Von den 166 Maßnahmen forderte der ORH die Unterlagen für 51 Maßnahmen3 mit Gesamtkosten von 43,3 Mio.€ an:

  • 40 der ausgewählten 51 Maßnahmen bauten die StBÄ und finanzierten sie aus dem Staatsstraßenhaushalt (Regelbaulast); hier prüfte der ORH, ob Vorentwürfe vorlagen (TNr. 1.2.1). Die übrigen 11 Maßnahmen wurden von Kommunen in Abstimmung mit den StBÄ mit staatlichen Fördermitteln gebaut (Sonderbaulast).
  • Bei 45 der 51 ausgewählten Umbaumaßnahmen wurde entweder ein Kreisverkehr (32 Fälle) oder eine Lichtsignalanlage (13 Fälle) erstellt. Für diese beiden häufigsten Fälle prüfte der ORH insbesondere die Begründung zur Variantenauswahl (TNr. 59.2.2).

59.2.1 Vorentwurf - Variantenuntersuchung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Für 23 der 40 Maßnahmen in Regelbaulast legten die StBÄ den Vorentwurf mit Erläuterungsbericht vor; für 17 Maßnahmen dagegen nicht. Bei 11 der 23 Vorentwürfe fehlten technische Variantenuntersuchung oder Wirtschaftlichkeitsbetrachtung oder die Unterlagen hierzu waren unvollständig. Somit lagen für 12 von 40 Umbaumaßnahmen ordnungsgemäße Vorentwürfe mit Plänen und Erläuterungsbericht vor, in denen die Entscheidung für die gewählte Variante nachvollziehbar begründet war.


59.2.2 Entscheidungskriterien Kreisverkehr/Lichtsignalanlage

Häufig können die Defizite eines Knotenpunkts entweder durch Ausstattung mit einer Lichtsignalanlage oder durch Umbau zum Kreisverkehr beseitigt werden. Nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit sollte bei der Variantenwahl das günstigste Verhältnis zwischen verfolgtem Zweck und Mitteleinsatz angestrebt werden. Entscheidungskriterien sind daher die unterschiedlichen Kosten der Alternativen und deren fachliche Vor- bzw. Nachteile für die angestrebten Zwecke. In 68 der von den StBÄ insgesamt gemeldeten 100 Fälle und auch bei 32 der vom ORH ausgewählten 45 Fälle fiel die Entscheidung auf einen Umbau zum Kreisverkehr.


59.2.2.1 Kosten

Laut den 2022 vom Bauministerium aktualisierten Kostenpauschalen für Straßenbauvorhaben beträgt der Regelpreis für den Bau eines Kreisverkehrs 1,2 Mio.€, mit einer Preisspanne von 500.000€ bis 2 Mio.€. Die Ausstattung mit einer Lichtsignalanlage ist erheblich kostengünstiger. Der Regelpreis beträgt 300.000€, mit einer Preisspanne von 50.000 bis 800.000€.

Auch der ORH stellte bei seiner Prüfung fest, dass die durchschnittlichen Kosten für Kreisverkehre deutlich über den Kosten für die Ausstattung mit Lichtsignalanlage lagen. Die Kostenspanne der geprüften Kreisverkehre lag zwischen 400.000€ und 1,4 Mio.€, bei Durchschnittskosten von 820.000€. Bei den mit Lichtsignalanlage ausgestatteten Knotenpunkten betrug die Kostenspanne 120.000€ bis 2,1 Mio.€, mit Durchschnittskosten von 545.000€. Ohne Berücksichtigung der weitaus teuersten Einzelmaßnahme als außergewöhnliches Projekt4, lägen die Durchschnittskosten bei 420.000€.

Der Kostenvorteil für die Variante Lichtsignalanlage ist im Vergleich zur Variante Kreisverkehr dann besonders hoch, wenn am Knotenpunkt bereits Fahrspuren für die verschiedenen Verkehrsbeziehungen vorhanden sind oder vergleichsweise einfach ergänzt werden können.

Grundsätzliche Nachteile von Lichtsignalanlagen sind die Folgekosten für Wartung (Fehleranfälligkeit) und Betrieb. Durch die Umstellung der Signalgeber auf LED-Technik sind die Stromkosten deutlich reduziert. Laut Erhebung des ORH betragen die Kosten für Wartung und Betrieb einer Lichtsignalanlage an einer Kreuzung etwa 2.000€ pro Jahr.5


59.2.2.2 Fachliche Kriterien

Für die Variantenentscheidung hat die Straßenbauverwaltung neben den Kosten vor allem zu bewerten, ob damit die angestrebte Verkehrssicherheit und -qualität erreichbar ist (Zweckerreichung). Die technischen Vor- bzw. Nachteile von Kreisverkehren und Lichtsignalanlagen sind dabei für die spezielle räumliche und verkehrliche Situation (außerorts/innerorts, Anzahl Kfz, Radfahrer, Fußgänger) zu prüfen.

Laut Bauministerium und Landesbaudirektion können Lichtsignalanlagen gegenüber Kreisverkehren einige Aspekte betreffend Vorteile haben. Sie sind häufig schneller realisierbar und bieten zudem auch einen sicheren Verkehrsablauf bei hohen Verkehrsstärken. Außerdem sind sie variabel einsetzbar und ermöglichen die Priorisierung einzelner Verkehrsteilnehmer bzw. -gruppen. Fußgängern und Radfahrern bieten sie gesicherte Querungszeiten. Das erhöht die Verkehrsqualität und -sicherheit vor allem im Ortsbereich für Kinder, ältere Menschen und Menschen etwa mit Geh- oder Sehbehinderungen.

Insbesondere passgenaue verkehrsabhängige Steuerungen mit eigenen Linksabbiegephasen im 24-Stunden-Betrieb in Kombination mit gut sichtbaren LED-Signalen können den Verkehrsfluss beschleunigen und das Unfallgeschehen positiv beeinflussen.6 Darüber hinaus kann der öffentliche Verkehr durch Vorrangschaltungen gegenüber dem Individualverkehr beschleunigt und dadurch seine Attraktivität erhöht werden.

Beispiele:

Ein Bauamt baute 2019 eine bereits mit Linksabbiegestreifen ausgebaute Kreuzung für 1,4 Mio.€ zu einem Kreisverkehr um. Im Erläuterungsbericht fehlen der Nachweis der Wirtschaftlichkeit sowie die Abwägung mit möglichen Alternativen, wie beispielsweise der Ausstattung mit Lichtsignalanlage.

In einem weiteren Fall wurde an einer mit Linksabbiegestreifen ausgebauten Einmündung am Ortseingang 2018 ein Kreisverkehr errichtet. Mit dem Umbau sollte die Leistungsfähigkeit erhöht und zusätzlich die Möglichkeit für den Anschluss eines neuen Gewerbegebietes geschaffen werden. Die Kosten beliefen sich auf 1,3 Mio.€. Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich mit einer Lichtsignalanlage war im Vorentwurf nicht enthalten.

Ein Knotenpunkt am Ortsrand aus drei Staatsstraßen und einer Gemeindestraße war vollständig richtlinienkonform ausgebaut, mit Links- und Rechtsabbiegestreifen sowie Fahrbahnteilern. Um den Unfallschwerpunkt zu beseitigen, beabsichtigte das Bauamt zunächst die Nachrüstung einer Lichtsignalanlage. Infolge der Forderung der Gemeinde baute das Bauamt 2017 dann einen Kreisverkehr. Der Bau des Kreisverkehrs kostete 546.000€. Ein Nachweis der Wirtschaftlichkeit lag nicht vor.


59.3 Würdigung und Empfehlungen


59.3.1 Vorentwurf - Variantenuntersuchung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Die StBÄ haben entgegen der Vorgabe des Ministeriums nicht einmal für ein Drittel aller Maßnahmen vollständige Vorentwürfe erstellt. Aufgrund der fehlenden bzw. unvollständigen Variantenuntersuchungen oder Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen war häufig nicht erkennbar, ob die gewählte Lösung auch die wirtschaftlichste bzw. technisch zweckmäßigste war. Der ORH weist darauf hin, dass die StBÄ die nach RE 2012 geforderten Unterlagen vollständig zu erstellen und die Entscheidung zur Variantenwahl zu dokumentieren haben.


59.3.2 Entscheidungskriterien Kreisverkehr/Lichtsignalanlage


59.3.2.1 Kosten

Die Kosten für einen Kreisverkehr sind im Durchschnitt doppelt bis vierfach so hoch wie für eine Lichtsignalanlage. Überschlägig könnte somit anstelle des Baus von einem Kreisverkehr an zwei bis vier Knotenpunkten die Verkehrssicherheit erhöht bzw. die Leistungsfähigkeit verbessert werden. Dennoch wurden zwischen 2015 und 2020 von 100 Knotenpunkten mehr als doppelt so viele zu Kreisverkehren umgebaut (68 Fälle) wie mit Lichtsignalanlage ausgestattet (32 Fälle). Die StBÄ sollten die Kosten der Varianten sorgfältig prüfen und nachvollziehbar begründen. Nach Auffassung des ORH können sie mit den vorhandenen Mitteln mehr erreichen.


59.3.2.2 Fachliche Kriterien

Nach Ansicht des ORH wäre bei den drei Beispielen für Umbaumaßnahmen bei sorgfältiger Anwendung der fachlichen Kriterien der Bau einer Lichtsignalanlage zur Beseitigung der jeweiligen Defizite wirtschaftlicher gewesen. Bei Ansatz der Regelpreise des Bauministeriums hätten alleine bei diesen drei Umbaumaßnahmen (Gesamtkosten 3,3 Mio.€) etwa 2,5 Mio.€ eingespart und beispielsweise für die Verbesserung anderer Knotenpunkte eingesetzt werden können.

Lichtsignalanlagen sind ein wichtiges Element für die Digitalisierung des Verkehrs. Sie sind intelligent steuerbar und können einen Beitrag zur Beschleunigung des ÖPNV und zur künftigen Digitalisierung des Verkehrs leisten. Auch im Sinne der Barrierefreiheit bieten sie Vorteile, etwa für Menschen mit eingeschränkter Sehkraft.

Kreisverkehre verbrauchen im Betrieb und bei der Steuerung keinen Strom, sind selbstregelnd und dadurch ausfallsicherer als Lichtsignalanlagen.

Bei der Wahl der Knotenpunktart sollten nach Auffassung des ORH diese Kriterien nachvollziehbar berücksichtigt werden.


59.4 Stellungnahme der Verwaltung

Das Bauministerium bestätigt, dass die haushaltsrechtlichen Unterlagen entsprechend der RE 2012 grundsätzlich für alle Projekte unabhängig von den jeweiligen Vorlagegrenzen zu erstellen sind. Der ORH nenne in seinen Prüfungsmitteilungen wichtige Gesichtspunkte, die bei der Wahl der Knotenpunktart und dem Entwurf des Knotenpunkts künftig verstärkt zu berücksichtigen sind. Aus Sicht der Bauverwaltung seien die Gesichtspunkte einer künftigen Digitalisierung des Verkehrs, die angestrebte Stärkung von ÖPNV, Rad- und Fußgängerverkehr, die Ziele der Barrierefreiheit und die demografische Entwicklung grundsätzlich immer auch vorausschauend zu berücksichtigen. Das Kriterium einer künftigen Digitalisierung des Verkehrs sollte insbesondere in dichter besiedelten Gebieten ein Schwerpunkt sein.

Darüber hinaus seien mit Blick auf die Verkehrswende die Anforderungen der verschiedenen Nutzungsarten gegenüber dem Status quo des Regelwerks neu zu gewichten.

Die vom ORH vermutete Priorisierung von Kreisverkehren gegenüber Lichtsignalanlagen sieht das Bauministerium vorwiegend auf der Nutzerseite (Bürger, Vertreter kommunaler Gremien), die ihre Erwartungshaltung gegenüber den Baulastträgern auf politischer und Verwaltungsebene deutlich zum Ausdruck brächten. Kreisverkehre würden von der Bayerischen Straßenbauverwaltung nicht präferiert. Moderne Lichtsignalanlagen könnten eine rasche und kostengünstige Lösung insbesondere zur Beseitigung von Unfallschwerpunkten darstellen.

Das Bauministerium werde die Prüfung zum Anlass nehmen, die Thematik bei geeigneten Dienstbesprechungen zu vertiefen.


59.5 Schlussbemerkung

Im Vergleich zu Lichtsignalanlagen sind die durchschnittlichen Baukosten von Kreisverkehren doppelt bis vierfach so hoch. Das Bauministerium sollte künftig beim Umbau von Knotenpunkten mit Staatsstraßen dafür sorgen, dass die StBÄ alle erforderlichen Planunterlagen erstellen. Dabei ist die Wirtschaftlichkeit aller Vorhaben sorgfältig zu prüfen und anhand fachlicher Kriterien sowie eines Variantenvergleichs nachvollziehbar zu begründen.



[1] Art. 24 BayHO.
[2] Höhengleich bedeutet, dass sich zwei Verkehrswege in derselben Höhe (ohne Über-/Unterführung) kreuzen.
[3] Von jedem Bauamt mindestens ein Fall sowie insbesondere Umbauten zu Kreisverkehren oder Errichtung von Lichtsignalanlagen.
[4] Die mit großem Abstand teuerste Maßnahme (2,1 Mio.€) betraf den Umbau von zwei aufeinanderfolgenden Einmündungen; die zweitteuerste Maßnahme kostete 1,2 Mio.€.
[5] Anlage mit 18 Signalgebern.
[6] Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr - Verkehrs- und Unfallgeschehen auf Straßen des überörtlichen Verkehrs in Bayern, Ausgabe 2018, S.28.