Jahresbericht 2005

TNr. 18: High-Tech-Offensive Bayern - Projekt "Media@Komm - RegioSignCard"

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Für ein bereits laufendes und durchfinanziertes Förderprojekt des Bundes zum Einsatz der elektronischen Signatur für kommunale Online-Anwendungen gewährte der Staat eine Zuwendung von 10,2 Mio €. Diese zusätzliche Förderung war nicht erforderlich und hat ihr Ziel nicht erreicht.

18.1 Bundesförderung

 

Im März 1998 initiierte das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie den Städtewettbewerb Media@Komm. Damit sollte modellhaft aufgezeigt werden, wie Dienstleistungen der Kommunen für die Bürger und die Wirtschaft rechtsverbindlich voll elektronisch ohne Medienbrüche erbracht werden können. An diesem Wettbewerb hatte sich neben 130 Kommunen auch der Städteverbund Nürnberg, Fürth, Erlangen, Bayreuth, Schwabach mit seinem Projekt „RegioSignCard“ beteiligt. Neben Bremen und Esslingen erhielt der Städteverbund für die Umsetzung seines Projekts einen Bundeszuschuss von 8,4 Mio €.

18.2 Landesförderung

18.2.1 Sachverhalt

 

Im Hinblick auf die etwa zeitgleich beginnende High-Tech-Offensive Bayern (HTO) bemühte sich der Städteverbund auch um Landesmittel. Im Nachtragshaushaltsgesetz 2000 wurde daraufhin ein Betrag von 10,2 Mio € für das Media@Komm-Projekt aufgenommen.

Es stellte sich heraus, dass eine Kofinanzierung des Projekts aus Landesmitteln zu einer Kürzung des Bundeszuschusses führen würde. Um dies zu umgehen, bewilligte das Staatsministerium Ende 2000 nicht der Projekt-GmbH, die Empfängerin der Bundesförderung war, sondern den Städten als Gesellschafter der Projekt-GmbH Zuwendungen von 10,2 Mio € zur Unterstützung des Media@Komm-Projekts RegioSignCard. Das Bundesministerium wurde vom Staatsministerium hiervon erst auf Veranlassung des ORH im Juli 2005 informiert und teilte daraufhin mit, dass das Projekt nach den ihm vorliegenden Unterlagen ausschließlich mit Bundesmitteln gefördert worden sei; abschließend hat es sich zur Sachlage noch nicht geäußert.

Im Ergebnis finanzierte der Staat 45 % der Kosten des vom Bund begonnenen Projekts, der Bund nur 36 %. Die Städte mussten deshalb nicht wie in der Bundesförderung vorgesehen 63 %, sondern nur noch 19 % der Projektkosten von 22,6 Mio € tragen.

18.2.2 Wertung des ORH

 

Voraussetzung für eine staatliche Förderung ist, dass diese nur gewährt werden darf, wenn das erhebliche staatliche Interesse an der Erfüllung des Zwecks ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann (Art. 23 und 44 BayHO). Die Kommunen hatten sich aber bereits ohne eine Finanzierungszusage des Staates an dem mehrstufigen Projektauswahlverfahren beteiligt und gegenüber dem Bundesministerium erklärt, den Eigenanteil von 14,7 Mio € selbst finanzieren zu können. Die Einschätzung des Staatsministeriums, die Städte wären ohne die Landesförderung nicht in der Lage gewesen, das Projekt durchzuführen, ist vor diesem Hintergrund nicht überzeugend.

Bei der Förderung handelt es sich um eine zusätzliche Finanzierung des Projekts. Das Staatsministerium hätte nach den zuwendungsrechtlichen Bestimmungen vor der Bewilligung mit dem Bundesministerium Einvernehmen herstellen müssen. Die Städte haben die Landesmittel dazu verwandt, der Projekt-GmbH Eigenkapital zuzuführen. Im Finanzierungsplan für die Bundesförderung sind solche Mittel nicht aufgeführt. Die Geschäftstätigkeit der Projekt-GmbH beschränkte sich während des Bewilligungszeitraums ausschließlich darauf, das Projekt Media@Komm-RegioSignCard umzusetzen. Die Landesmittel wurden folglich in vollem Umfang zur Finanzierung des vom Bund bereits geförderten Projekts herangezogen.

Für den ORH ist es angesichts der tatsächlichen Verwendung der Fördermittel unerheblich, dass die Zuwendungen nicht der Projekt-GmbH, sondern den Städten als Gesellschaftern bewilligt worden sind. In den Zuwendungsbescheiden des Staatsministeriums wurden zudem unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und der Projekt-GmbH hergestellt.

Die zusätzliche Förderung war nicht erforderlich, um - wie das Staatsministerium meint - allen Kommunen die Ergebnisse des Media@Komm-Projekts zugänglich machen zu können. Nach den Förderbestimmungen des Bundes hat dieser bei einem besonderen öffentlichen Interesse ein unentgeltliches, übertragbares Benutzungs- und Nutzungsrecht an den Projektergebnissen. Von diesem Recht hat der Bund bereits Gebrauch gemacht und das zentrale Projektergebnis des Media@Komm-Projekts Bremen, die eGovernment-Plattform Governikus, für sich beansprucht und das Nutzungsrecht über die Länder an die Kommunen weitergegeben. Nach Ansicht des Staatsministeriums sei es nicht zu erwarten, dass der Bund Nutzungsrechte an den im Städteverbund entstandenen Projektergebnissen frei gibt; es hat sich darum aber auch nicht bemüht. Anhaltspunkte dafür, dass der Bund sich beim Media@Komm-Projekt des Städteverbunds anders verhalten würde als beim Bremer Media@Komm-Projekt oder bei anderen Online-Entwicklungen (z.B. Bund Online), liegen nicht vor. Die Befürchtung des Staatsministeriums, der Bund würde beim bayerischen Media@Komm-Projekt anders verfahren, erscheint dem ORH unrealistisch. Die Zusatzförderung war dafür jedenfalls nicht notwendig.

Im Gegensatz zu Bremen und Esslingen wurde das Media@Komm-Projekt des Städteverbunds ohne nennenswerte Finanzierungsbeteiligung der Wirtschaft umgesetzt. Nach Auffassung des ORH kam eine Public-Private-Partnership auch deshalb nicht zustande, weil durch die zusätzlichen Landesmittel keine Notwendigkeit mehr bestand, Unternehmen als Partner in das Projekt einzubeziehen.

18.3 Projektcontrolling

 

Die Steuerung der laufenden Förderung durch das Staatsministerium war unzureichend.

  • Drei der fünf Städte erhielten zeitweise mehr Fördermittel, als ihrem Eigenanteil an den Projektkosten entsprach (2000 und 2001 erhielten sie sogar mehr Zuwendungen als überhaupt Kosten angefallen waren).
  • Die Projekt-GmbH legte aufgrund der Überfinanzierung erhebliche Teile der Fördermittel als Termingeld an und erzielte hieraus Kapitalerträge.
  • Mehrere, z.T. für die bayerische Zusatzförderung wesentliche Nebenbestimmungen der Zuwendungsbescheide wurden nicht erfüllt (z.B. Sicherung der Rechte an den Projektergebnissen, Verpflichtungsübertragung auf Projekt-GmbH, Nennung der HTO bei allen Projektdarstellungen).

Das Staatsministerium verweist darauf, dass das Projektcontrolling in erster Linie durch den Bund erfolgt sei. Die Nebenbestimmung zu den Benutzungs- und Nutzungsrechten habe sich auf das Projektende bezogen, so dass während der Projektlaufzeit hierzu nichts zu veranlassen gewesen sei. Dies werde aber schnellstmöglich nachgeholt. Auf Anforderung des Staatsministeriums hätten die Städte inzwischen weitere Kosten, die im Verwendungsnachweis zunächst nicht angegeben worden waren, nachgemeldet. Eine zeitweilige Überfinanzierung habe es deshalb nur bei drei Städten gegeben. Von diesen werde das Staatsministerium Zinsen von insgesamt 155.000 € verlangen. Von der Projekt-GmbH könnten dagegen aus Rechtsgründen keine Zinsen verlangt werden. Mit den Kapitalerträgen, die die Projekt-GmbH aus den Fördermitteln erzielt hat, könnten aber nach Projektende die vom ORH bemängelte unzureichende Dokumentation nachgeholt und die Anwendungen weiter entwickelt werden.

Ein einheitliches Projektcontrolling der beiden Zuwendungsgeber wäre sicher sinnvoll gewesen. Dazu hätte aber die gemeinsame Förderung mit dem Bund konkret abgestimmt werden müssen. Nur so hätte der vom Bundesministerium eingeschaltete Projektträger auch die bayerischen Ziele der Förderung, die Erfüllung der Nebenbestimmungen, die Mittelverwendung und die Gesamtfinanzierung des Projekts überwachen können. Wie sich aus der Stellungnahme des Bundesministeriums ergibt, geht dieses aber immer noch von einer Förderung des Projekts ausschließlich durch den Bund aus.

Eineinhalb Jahre nach Projektende sind die Benutzungs- und Nutzungsrechte immer noch nicht übertragen worden. Dies ist erstaunlich, weil es für die zusätzliche Förderung von zentraler Bedeutung war (vgl. TNr. 18.2.2). Das Staatsministerium macht hierzu geltend, wegen der Beteiligung der Projekt-GmbH keine unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten zu haben.

Inwieweit die auf Anforderung des Staatsministeriums nachträglich gemeldeten Kosten der Städte tatsächlich mit dem Projekt zu tun haben, lässt sich durch den ORH nun nicht mehr feststellen. Tatsache ist jedoch, dass die Städte schon vorher über 2,1 Mio € an eigenen Personal- und Sachkosten über das Projekt abgerechnet hatten.

18.4 Ergebnisse des Förderprojekts

 

Mit dem Media@Komm-Projekt „RegioSignCard“ wurden folgende Ziele verfolgt:

  • Entwicklung von medienbruchfreien Online-Anwendungen kommunaler Dienstleistungen für die Bürger und die Wirtschaft,
  • Einbindung und Nutzung der elektronischen Signatur in diese Online-Anwendungen,
  • Verbesserung der Effizienz der kommunalen Geschäftsprozesse durch den Einsatz dieser Online-Anwendungen.

Speziell durch die Zusatzförderung sollten der Staat und die Kommunen von dem Projekt profitieren, indem sie ohne Einschaltung des Bundes ein unentgeltliches Benutzungsrecht an den Projektergebnissen erhalten können.

18.4.1 Wesentliches Ergebnis der Förderung ist die im Städteverbund entstandene eGovernment-Plattform CuriaWORLD. Dieses Softwareprodukt steht allerdings in Konkurrenz zu der im Rahmen des Bremer Media@Komm-Projekts entwickelten eGovernment-Plattform Governikus. Die Produkte basieren auf unterschiedlichen Softwarearchitekturen. Dies hat zur Folge, dass die in Bremen entstandenen Online-Anwendungen nicht mit CuriaWORLD und die im Städteverbund entstandenen Online-Anwendungen nicht mit Governikus betrieben werden können. Governikus wird vom Bund für dessen virtuelle Poststelle sowie u.a. auch von Bayern beim Online-Mahnverfahren genutzt. Der Kooperationsausschuss Bund/Länder/Kommunaler Bereich hat Governikus Ende 2003 (bei Stimmenthaltung des Vertreters des Staatsministeriums) als einheitlichen Intermediär1 für eGovernment-Anwendungen empfohlen. Bislang haben sich zwölf Länder zu einem Pflegeverbund für Governikus zusammengeschlossen.

Nach Auffassung des ORH war schon der Ansatz des Bundes problematisch, zwei funktional identische Produkte zu fördern. Das Staatsministerium hätte aber wenigstens im Projektverlauf dafür sorgen müssen, die Interoperabilität von CuriaWORLD zu Governikus herzustellen. Dass dies nicht erfolgte, ist ein entscheidendes Manko, weil Governikus sich zunehmend am Markt etabliert. Die Projekt-GmbH hat selbst darauf hingewiesen, dass die Investitionen des Staates in das Media@Komm-Projekt verloren wären, wenn für CuriaWORLD und die darauf aufsetzenden Online-Anwendungen kein Markt mehr existieren würde.

Nach Ansicht des Staatsministeriums dürfe man das Vorhaben nicht nur als reines Softwareentwicklungsprojekt definieren. Es habe sich in der Region Nürnberg ein Schwerpunkt an Erfahrungen und Kenntnissen für den Bereich der elektronischen Signatur gebildet, auf dem aufgebaut werden könne und der auch in den staatlichen Bereich zurückfließen würde. So seien z.B. die Projekterfahrungen aus dem Städteverbund in die Novellierung des Verwaltungsverfahrensgesetzes eingeflossen, mit dem die elektronische Unterschrift der händischen Unterschrift gleichgestellt worden ist. Der ORH kann diese Auffassung nicht nachvollziehen.

18.4.2 Bei Projektbeginn wurde angenommen, dass eine rechtswirksame und rechtssichere Kommunikation nur mit Verwendung der zertifizierten elektronischen Signatur zu realisieren sei. Erst im Laufe des Projekts wurde erkannt, dass tatsächlich nur sehr wenige Verwaltungsverfahren eine elektronische Signatur erfordern und das Ziel, mit dem Projekt bis zu 400.000 Signaturkarten in der Region Nürnberg auszugeben, illusorisch war. Nur in neun Online-Verfahren ist die Nutzung der elektronischen Signatur überhaupt vorgesehen, tatsächlich verwendet wird sie kaum.

Bei richtiger Analyse der rechtlichen Anforderungen hätte der Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit schon früher auf die formfreien Verwaltungsverfahren verlagert und der Aufwand vermieden werden können. Insbesondere hätte das Staatsministerium Ende 2000 beim Erlass seiner Zuwendungsbescheide nicht mehr die überholte Projektkonzeption aus dem Jahr 1999 übernehmen dürfen, deren Zielsetzung von der Projekt-GmbH selbst schon in Frage gestellt worden war.

18.4.3 Die unentgeltlichen Nutzungsrechte wurden bisher nur in sehr wenigen Fällen auf andere Kommunen übertragen. Dies war aber eines der wesentlichen Ziele der Zusatzförderung. Auch der Staat selbst hat das ihm zustehende Nutzungsrecht an der eGovernment-Plattform CuriaWORLD noch nicht in Anspruch genommen.

Das Staatsministerium hat angekündigt, die Übertragung der Nutzungsrechte auf weitere Kommunen zu betreiben. Ein über den Charakter einer Empfehlung hinausgehendes Tätigwerden der Staatsregierung verbiete aber das Prinzip der Kommunalen Selbstverwaltung. Im eigenen Bereich zwinge das Vergaberecht das Staatsministerium zu einer Auftragsvergabe für die virtuelle Poststelle im Wettbewerb. Es sei jedoch zu begrüßen, dass es durch die parallele Entwicklung wenigstens einen kleinen Markt gebe.

Ein Erfolg dieser Bemühungen ist nach Auffassung des ORH mehr als zweifelhaft.

18.5 Wirtschaftlichkeit

 

Bislang sind erst wenige der im Städteverbund entstandenen eGovernment-Anwendungen auf andere Kommunen übertragen worden (vgl. TNr. 18.4.4). Geht man gleichwohl davon aus, dass etwa 20 % der Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern die eGovernment-Plattform und die darauf aufbauenden Online-Anwendungen übernehmen, dann sparen diese Kommunen Lizenzgebühren von 1 Mio €. Allerdings ist die Übernahme der Online-Anwendungen für die Kommunen mit erheblichen, in der Praxis abschreckend wirkenden Kosten für erforderliche Dienstleistungen der Projekt-GmbH, notwendige Basissoftware sowie für Lizenzen von Fremdprodukten verbunden. Hinzu kommen die laufenden Kosten für die Pflege. Der Fördermitteleinsatz von 10,2 Mio € hat damit sein Ziel nicht erreicht.

Das Staatsministerium wendet ein, dass sich der Wert der Ergebnisse nicht allein auf den Marktwert der Nutzungsrechte beschränke. Es müsse auch der Wert aller gewonnenen Erkenntnisse technischer, rechtlicher und organisatorischer Art berücksichtigt werden. Das Geschäftsmodell der Projekt-GmbH, das neben der Verwertung der entwickelten Softwareprodukte eine Vermarktung des gewonnenen Know-how vorsieht, sei ebenfalls ein Gegenwert der Förderung.

Der ORH hält gleichwohl an seiner Beurteilung fest. Die zusätzliche Förderung durch den Staat wurde ausdrücklich mit der unentgeltlichen Nutzungsmöglichkeit der Software für die Kommunen begründet. Das Geschäftsmodell der Projekt-GmbH ergab sich bereits aus der Bundesförderung, die eine wirtschaftliche Verwertung der Projektergebnisse vorschreibt.

18.6 Fazit

 

Die Erfahrungen bei der Umsetzung der eGovernment-Initiative des Staates zeigen, dass eine interoperable IT-Infrastruktur und der Einsatz von einheitlichen Basiskomponenten Grundvoraussetzung für ein funktionierendes eGovernment sind. Nach Auffassung des ORH wäre es deshalb zielführender gewesen, auch im kommunalen Bereich zunächst die Interoperabilität der Hard- und Softwaresysteme zwischen Staat und Kommunen herzustellen sowie Standards für kommunale eGovernment-Basiskomponenten zu definieren.

Das Staatsministerium kann sich diesem Fazit anschließen. Gleichwohl sei das Media@Komm-Projekt des Städteverbunds umfassend und erfolgreich in Zeit und Budget abgeschlossen worden. Inzwischen hätten die Regionen Nürnberg und Moskau im Rahmen des deutsch-russischen Strategischen Arbeitstreffens eine Kooperation im Bereich eGovernment, IT und Telekommunikation abgeschlossen, so dass das Projekt bereits international Früchte trage. Zugleich räumt es jedoch ein, dass der Bund die im Städteverbund entstandenen Projektergebnisse nicht unterstützt.


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