TNr. 24: Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

Bei der Besteuerung der Einkünfte aus der Vermietung oder Verpachtung von Immobilien weist ein Viertel der geprüften Veranlagungen Mängel in der Sachverhaltsermittlung und/oder der Rechtsanwendung auf. Dies führt bei vorsichtiger Hochrechnung zu jährlichen Steuerausfällen von 150 Mio €. Der ORH hat Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität vorgeschlagen.
24.1 Ausgangslage
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung stammen insbesondere aus der entgeltlichen Überlassung von Immobilien. Sie ergeben sich aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Die Abnutzung des Gebäudes wird über die Abschreibung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf eine gesetzlich festgelegte Nutzungsdauer von bis zu 50 Jahren steuerlich als Werbungskosten berücksichtigt. In der Praxis überwiegen die - vor allem in den ersten Jahren oftmals erheblichen - Verluste. Sie können mit anderen positiven Einkünften verrechnet werden und reduzieren die zu zahlende Einkommensteuer teilweise deutlich.
24.2 Prüfungsumfang und -ablauf
Der ORH prüfte bei einem mittleren und drei größeren Finanzämtern die Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Hierzu wurden 2 400 Veranlagungen der Zeiträume 2002 bis 2004 untersucht. Der ORH überprüfte, ob die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen durchgeführt wurden und die Veranlagung materiell-rechtlich zutreffend war. Wenn eine Änderung durch das Finanzamt vorgenommen wurde, untersuchte der ORH zusätzlich, in welchen Bereichen diese stattfanden.
24.3 Prüfungsergebnisse
Der ORH stellte bei 25 % der eingesehenen Fälle eine unzureichende Bearbeitung fest. Die Beanstandungsquoten reichten bei den Ämtern von 17 bis 28 % und bei den einzelnen Bearbeitungsstellen von 7 bis 44 % der Fälle. Bei knapp zwei Dritteln der beanstandeten Fälle wurde der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Für die geprüften Finanzämter errechnete der ORH hieraus ein mögliches steuerliches Ausfallrisiko von 1,8 Mio €, dies entspricht einem durchschnittlichen Risiko von 3 600 € je Ermittlungsfehler. Ein Drittel der Fälle wies Rechtsfehler auf. Der Steuerausfall durch Rechtsfehler betrug insgesamt knapp 0,6 Mio €, was einen durchschnittlichen Ausfall von 2 000 € je Rechtsfehler bedeutet.1 Nach einer überschlägigen Hochrechnung des ORH könnten die Ermittlungs- und Rechtsfehler bayernweit zu Steuerausfällen von jährlich 150 Mio € führen.2
Gravierend ist aus der Sicht des ORH auch, dass von den Fällen, in denen die Finanzämter bereits punktuell von der Erklärung abgewichen waren, immer noch mehr als ein Fünftel beanstandet wurde. Auch hier waren hauptsächlich Ermittlungsdefizite zu bemängeln, wobei das durchschnittliche Risiko mit 3 000 € sowie der Ausfall bei Rechtsfehlern mit 1 500 € etwas niedriger festgestellt wurden. Obwohl vor allem die Gebäudeabschreibung und die laufenden Werbungskosten häufig geändert wurden, waren dies immer noch die fehlerträchtigsten Bereiche.
Folgende Ermittlungsdefizite und Fehlerursachen hat der ORH hauptsächlich festgestellt:
24.3.1 Einnahmen
Die Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wurden selten geprüft. Selbst in Einzelfällen, in denen die geltend gemachten laufenden Grundstückskosten die erklärten Einnahmen überstiegen, wurden sie nicht weiter hinterfragt. Aus den Akten waren Nachweise über vereinnahmte Mieten und Vorauszahlungen nicht ersichtlich.
24.3.2 Gebäudeabschreibungen
Der Kaufpreis eines Vermietungsobjekts enthält häufig sowohl Anteile für das Gebäude wie für Grund und Boden, auf dem das Gebäude steht. Da die Kosten für den Grund und Boden nicht abschreibungsfähig sind, besteht die Tendenz, diese niedrig anzusetzen, um einen möglichst hohen Anteil des Kaufpreises für die Gebäudeabschreibung zu bekommen.
Sehr häufig übernahmen die Bearbeiter in den Finanzämtern die erklärten niedrigen pauschalen Ansätze für den Grund und Boden, ohne nachzuprüfen, ob diese zumindest annähernd dem ortsüblichen Bodenwert entsprechen. In Einzelfällen wurden gänzlich ungekürzte Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung übernommen.
Oft wurde die Abschreibung des Gebäudes auch nicht hinreichend dokumentiert, wodurch jährlich wiederholt zu hohe Absetzungsbeträge veranlagt wurden oder sogar nach vollständiger Abschreibung des Gebäudes die Abschreibung fortgesetzt wurde. Dies war auch in Fällen festzustellen, in denen im Beitrittsgebiet nach dem Fördergebietsgesetz eine Sonderabschreibung von bis zu 50 % der Gebäudekosten innerhalb der ersten fünf Jahre möglich war. Das restliche Abschreibungsvolumen wäre ab dem sechsten Jahr auf 45 Jahre gleichmäßig zu verteilen gewesen, stattdessen wurde die hohe Abschreibung der Vorjahre fortgeführt.
24.3.3 Finanzierungskosten und laufende Werbungskosten
Einen Großteil der abzugsfähigen Werbungskosten stellen die Schuldzinsen dar. Diese, wie auch die laufenden Werbungskosten, müssen mit der Vermietung oder Verpachtung zusammenhängen. Kosten von zu eigenen Wohnzwecken genutzten Objekten sind steuerlich nicht absetzbar.
Der ORH stellte fest, dass vor allem bei anteilig selbst genutzten Objekten die Aufteilung der Kosten auf den selbst genutzten und den vermieteten Teil auch in offensichtlich zweifelhaften Fällen nicht korrigiert wurde.
24.4 Bewertung des Ergebnisses
Der Großteil der Beanstandungen beruht darauf, dass bei erstmalig erklärten Einkünften aus vermieteten oder verpachteten Objekten der zu besteuernde Sachverhalt zu wenig aufgeklärt wurde, obwohl es sich hierbei weitgehend um Dauersachverhalte handelt. Fehler, die im Erstjahr gemacht werden, werden i.d.R. auch in den Folgejahren nicht erkannt und addieren sich dadurch zu hohen Steuerausfällen.
24.5 Anregungen zur Verbesserung der Bearbeitungsqualität
Der ORH empfiehlt folgende Maßnahmen:
Im Rahmen einer Schwerpunktaktion sollte die Überwachung und Fortschreibung der laufenden Gebäudeabschreibung geprüft werden. Ihre Höhe und das Abschreibungsvolumen sollten durch deren elektronische Erfassung und Fortschreibung gesichert werden.
Bei Erstvermietungen von Objekten muss in geeigneten Fällen der zugrunde liegende Sachverhalt als Intensivprüffall so weitgehend aufgeklärt werden, dass er für die Zukunft als Dauersachverhalt gesichert ist.
Hierzu sollten mehr als bisher Sachverhaltsaufklärungen von der Betriebsnahen Veranlagung durchgeführt werden, die sich auch auf die erklärten Einnahmen erstrecken sollten. Hemmend wirkt sich in diesem Zusammenhang die immer noch bestehende Unterbesetzung dieses Bereichs aus.3
24.6 Stellungnahme der Verwaltung und Schlussbemerkung des ORH
Das Staatsministerium hat gegen die Darstellung des Sachverhalts keine grundsätzlichen Bedenken geäußert und angekündigt, die Empfehlungen des ORH aufzugreifen. Es weist jedoch darauf hin, dass ein Teil des hochgerechneten Steuerausfalls auf nicht konkret festgestellten Fehlern beruhe, sondern lediglich ein Steuerausfallrisiko berücksichtige.
Der ORH stellt hierzu fest, dass die möglichen Auswirkungen von Ermittlungsdefiziten, die nur ein Risiko darstellen, letztlich nur zu einem Zehntel als Steuerausfall gewertet worden sind.
Im Übrigen erwartet der ORH die zeitnahe Umsetzung der vorgesehenen Verbesserungsmaßnahmen, insbesondere der elektronischen Abschreibungstabelle.
1) Ausreißer wurden in beiden Fällen nicht berücksichtigt.
2) Die möglichen Auswirkungen von Ermittlungsdefiziten, die lediglich ein Risiko darstellen, wurden nur zu einem Fünftel aus Steuerausfall gewertet. Bei Ermittlungs- und Rechtsfehlern wurde noch ein Sicherheitsabschlag von 50 % vorgenommen.
3) vgl. ORH-Bericht 2004 Nr. 26