TNr. 21: Baumaßnahmen für die "FIS Nordische Ski-WM 2005" in Oberstdorf
Der Staat hat die Sportanlagen für die „FIS Nordische Ski-WM 2005“ mit 10,5 Mio € gefördert. Die Errichtung der Anlagen wurde einer GmbH & Co. KG übertragen, der Zuschuss an diese weitergeleitet. Die prognostizierten Gewinne dieser Gesellschaft blieben bei der Förderung unberücksichtigt.
Die Zufahrtsstraße zum Stadion hätte nicht als Gemeindestraße gefördert werden dürfen.
21.1 Ausgangslage
Im Februar 2005 fand die Nordische Ski-Weltmeisterschaft (WM) mit den Sportarten Langlauf, Skispringen und Nordische Kombination in Oberstdorf statt. Die Sportanlagen im „Schattenberg-Ski-Stadion“ mit fünf Schanzen unterschiedlicher Größe, die in einen gemeinsamen Auslauf münden, mussten deshalb den neuesten internationalen Standards angepasst werden. Unter anderem wurde die Stadionkapazität von 18 000 auf 27 000 Zuschauer erweitert, ein neues Hauptgebäude mit Empfangsbereich, Büro- und Funktionsräumen errichtet, der Schanzenturm um einen Panoramalift und eine Aussichtsplattform ergänzt, ein Schrägaufzug zum Transport der Sportler, Zuschauer und Touristen angefügt und eine Straße gebaut.
Die Maßnahmen wurden im Herbst 2002 begonnen und im Dezember 2003 beendet, so dass die neue Anlage zur Vier-Schanzen-Tournee 2003/2004 und zur Vor-WM 2004 genutzt werden konnte.
Zwei Staatliche Rechnungsprüfungsämter haben die Maßnahmen geprüft und dabei Folgendes festgestellt:
21.2 Finanzierung der Baumaßnahmen
21.2.1 Zuwendungen des Staats und Beteiligung Dritter
Die Regierung von Schwaben bewilligte dem Markt Oberstdorf Zuwendungen von 10,5 Mio €. Der Markt verpachtete die bestehenden Sportanlagen an eine neu gegründete GmbH & Co. KG mit der Berechtigung und Verpflichtung, die Baumaßnahmen durchzuführen. An der Gesellschaft sind eine GmbH als Komplementär sowie der Markt, der Landkreis und Private als Kommanditisten beteiligt. Die Zuwendungen wurden auf Antrag des Marktes direkt auf das Konto dieser Gesellschaft ausgezahlt.
Die Finanzierung der Baumaßnahmen stellt sich wie folgt dar:
Nachdem die Sportanlagen umgebaut waren, wurden sie von der GmbH & Co. KG an eine neu gegründete GmbH (Anteile: GmbH & Co. KG 49,5 %; Skiclub 50,5 %) weiterverpachtet. Die Gesellschaft erzielt aus diesem Pachtvertrag Einnahmen von jährlich 530 000 €. Weitere Einnahmen von jährlich 150 000 € hat sie aus einem Sponsorenvertrag mit einer Laufzeit von zehn Jahren.
Ende 2005 wurde rückwirkend zum 1. Januar 2003 vereinbart, dass die förderrechtlichen Bestimmungen zwischen Regierung und Erstzuwendungsempfänger Markt Oberstdorf auch für die GmbH & Co. KG als Zweitzuwendungsempfänger gelten. Die Regierung traf allerdings keine Regelung, ob und ggf. wie sich Einnahmen des Erst- bzw. Zweitzuwendungsempfängers förderrechtlich auswirken.
21.2.2 Förderrechtliche Würdigung
Nach Art. 23, 44 BayHO dürfen Zuwendungen nur gewährt werden, wenn das erhebliche Interesse des Staats an der Förderung ohne die Zuwendung nicht befriedigt werden kann (Subsidiaritätsprinzip). Bei der Prüfung, ob die Zuwendung als Zuschuss oder Darlehen ausgereicht wird, sowie bei der Bemessung der Höhe des Zuschusses sind deshalb sowohl die Leistungskraft des Zuwendungsempfängers als auch die Finanzierungsbeteiligung Dritter angemessen zu berücksichtigen.1 Dies gilt für den Erstempfänger der Zuwendung und bei Weitergabe auch für den Zweitempfänger. Im vorliegenden Fall wurde eine GmbH & Co. KG gefördert, an der sowohl Gebietskörperschaften als auch Privatpersonen als Gesellschafter beteiligt sind. Ziel dieser Gesellschaft ist es, Überschüsse zu erwirtschaften. Nach der eigenen Prognose der Gesellschaft werden bis zum Jahr 2022 Bankguthaben von rd. 3,4 Mio € entstehen.
21.2.3 Stellungnahme der Verwaltung
Die Einnahmen aus dem Sponsorenvertrag würden nicht der Finanzierung der Baumaßnahmen, sondern dem laufenden Bauunterhalt dienen. Dieser sei ausschließlich vom Zuwendungsempfänger aufzubringen. Auch die Einnahmen aus der Vermietung der fertiggestellten Gebäude würden den Unterhalt der Anlage sichern. Da es sich deshalb nicht um zusätzliche Deckungsmittel für den Zuwendungszweck handele, seien sie bei der Förderung der Baumaßnahmen nicht zu berücksichtigen gewesen. Im Übrigen sei die GmbH & Co. KG bereit, die nach Darlehenstilgung und angemessenen Ausschüttungen verbleibenden Mittel für größere Instandhaltungsmaßnahmen zurückzulegen.
21.2.4 Bemerkung des ORH
Der ORH hält daran fest, dass für den Zweitempfänger der Zuwendung die gleichen Fördermaßstäbe gelten müssen wie für den Erstempfänger. Deshalb hätte die finanzielle Situation der Gesellschaft bei der Bewilligung der Zuwendung an den Markt Oberstdorf bzw. bei der Weitergabe an die GmbH & Co. KG berücksichtigt werden müssen. Die Regierung hätte im Sinne des Subsidiaritäts- und Leistungsfähigkeitsprinzips prüfen müssen, ob ein Darlehen dem Zweck genügt oder ein geringerer Zuschuss ausgereicht hätte. Diese Prüfung ist im Rahmen der noch ausstehenden Verwendungsnachweisprüfung nachzuholen und das Ergebnis hinsichtlich Erst- und Zweitzuwendungsempfänger förderrechtlich zu würdigen.
21.3 Projektabwicklung der Fördermaßnahme
21.3.1 Bewilligung
Die Zuwendungen wurden bewilligt, obwohl in der baufachlichen Stellungnahme der Regierung fehlende Kostennachweise sowie unzureichende Antragsunterlagen bemängelt worden waren.
Der ORH ist der Auffassung, dass die Verwaltung auf die rechtzeitige und vollständige Vorlage der Projektunterlagen hätte hinwirken müssen.
Die ursprünglich geplante Installation einer Skiflugausstellung in einem Geschoss des Hauptgebäudes des Skisprungstadions, die auch bewilligt war, wurde inzwischen verworfen. Über die Nutzung des gesamten Geschosses (geschätzte Kosten: 540 000 €) ist bisher nicht entschieden worden, obwohl die Anlage bereits im Dezember 2003 in Betrieb genommen wurde.
Die Regierung hat zu prüfen, ob die Zuwendung wegen der nicht zweckentsprechenden Nutzung des Geschosses anteilig zurückgefordert werden muss.
21.3.2 Ausschreibung und Vergabe
Die einzelnen Bauleistungen wurden überwiegend im Offenen Verfahren EU-weit ausgeschrieben. Eine angemessene Zahl von Interessenten forderte auch die Ausschreibungsunterlagen an. Allerdings wurden oft nur wenige Angebote abgegeben (z.B. Erdarbeiten Stadion: 11 Interessenten, aber nur drei Angebote). Diese stammten bis auf wenige Ausnahmen von Bietern aus der Region. Nach Auffassung des ORH lag dies auch daran, dass die Maßnahmen unter großem Zeitdruck durchgeführt werden mussten.
Nach Vergabe erfolgten erhebliche Ausführungsänderungen. Es wurden umfangreiche Nachtragsvereinbarungen geschlossen. Bei der Hangtribüne, Begrünung, Umzäunung und bei der Befestigung durch Rasenpflaster ist nahezu die Hälfte der Positionen weggefallen. Bei den Erdarbeiten stiegen dagegen die Kosten um 59 % von 731 352 auf 1 163 523 €. Daraus folgt, dass die Bauleistungen nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben waren und somit Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitsgrundsätze nicht eingehalten wurden.
Für die erheblichen Mengenmehrungen beim Bodenaushub für die Hangtribüne und das Funktionsgebäude wäre unverzüglich zu prüfen gewesen, ob ein niedrigerer Preis für die über 110 % hinausgehende Menge zu vereinbaren ist. Trotz einer Mengenmehrung um 200 % waren in den Unterlagen keine Aufzeichnungen über Verhandlungen mit dem Auftragnehmer zu finden. Durch den Verzicht auf neue Preisverhandlungen ergaben sich vermeidbare Mehrausgaben, die nicht förderfähig sind.
21.4 Errichtung der Straße
Im Zusammenhang mit der Erweiterung der Stadionkapazität forderte das Organisationskomitee zur Nordischen Ski-WM 2005 eine zweite Zufahrt zu den Sportstätten auf der Trasse eines Fußwegs entlang des Faltenbachs.
21.4.1 Finanzierung
Dieser Teil des Gesamtprojekts wurde gesondert gefördert. Für den Bau der 220 m langen Straße hat der Markt Oberstdorf Zuwendungen aus FAG-Mitteln der Regierung und des Landratsamts erhalten. Die Gesamtkosten waren bei der Bewilligung auf 326 000 € veranschlagt, davon 237 000 € zuwendungsfähig. Die Gesamtzuwendung wurde mit einem Fördersatz von rd. 70 % als Festbetragsfinanzierung auf 165 000 € festgesetzt. Nach Abschluss der Baumaßnahme, Prüfung des Verwendungsnachweises und Auszahlung der Schlussrate hat das Landratsamt seinen Zuwendungsanteil um 45 000 € erhöht. Die Förderrichtlinien lassen aber eine Nachförderung gerade bei einer Festbetragsfinanzierung grundsätzlich nicht zu.2
Bei der örtlichen Prüfung nach der WM wurde festgestellt, dass die Straße verkehrsrechtlich als Sonderweg „Fußgänger“ ausgewiesen ist. Entlang dieser Straße scheidet eine Bebauung aus.
Über den Stadionbereich hinaus dürfen Kraftfahrzeuge die Straße grundsätzlich nicht befahren, Anlieger bedürfen einer Bescheinigung der Marktgemeinde. Bauordnungs- und sicherheitsrechtlich muss eine Sportstätte dieser Größenordnung an mehrere öffentliche Verkehrsflächen angeschlossen sein.3 Schon bisher war das Stadion unmittelbar an das öffentliche Straßennetz angebunden. Allerdings war eine Seite nur über eine Brücke zu erreichen, über die Fahrzeuge mit mehr als 12 t Gewicht nicht fahren dürfen. Schwerere Fahrzeuge bis 30 t können jetzt diesen Bereich, in dem sich die einzige Zufahrt zum Stadioninneren befindet, über die neue Straße erreichen.
Ohne den geförderten Straßenbau wäre die Stadionerweiterung nicht möglich gewesen. Umgekehrt erschöpft sich hierin aber auch die Funktion der Straße; sie hat über die weitere Erschließung des Stadions hinaus keine Verkehrsbedeutung.
Die Straße hätte deshalb nicht mit den FAG‑Zuwendungen gefördert werden dürfen, die für dringend notwendige Verbesserungen der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden vorbehalten sind. Vielmehr wäre zu prüfen gewesen, ob der Markt hierfür Zuwendungen im Rahmen der Förderung des Gesamtprojekts hätte erhalten können, zumal die Straße als Baustraße diente. Allerdings wäre dann der Fördersatz erheblich niedriger gewesen.
21.4.2 Stellungnahme der Verwaltung
Die Verwaltung teilt mit, dass die verkehrsrechtliche Beschränkung als Fußgängerweg inzwischen aufgehoben worden sei und die Straße dem allgemeinen Verkehr zur Verfügung stehe. Die relativ kurze Zeit der Verkehrsbeschränkung ändere nichts an der grundsätzlichen Förderfähigkeit. Das Staatsministerium der Finanzen und die Regierung stufen die „Nachbewilligung“ durch das Landratsamt als rechtswidrig ein.
21.4.3 Schlussbemerkung des ORH
Der ORH ist nach wie vor der Auffassung, dass die Förderung des Straßenbaus der einschlägigen Zuwendungsrichtlinie nicht entsprochen hat. Diese knüpft an die dringend notwendige Verbesserung der Verkehrsverhältnisse an. Die Straße hat aber keine über die zusätzliche Erschließung hinausgehende Verkehrsbedeutung. Die Verwaltung hätte sie deshalb nicht aus FAG-Mitteln fördern dürfen.
Der Staat hat die Baumaßnahmen für die FIS Nordische Ski-WM (23,7 Mio €) mit 10,5 Mio € gefördert (45 %); zusammen mit den Mitteln des Bundes betrug der Zuschuss knapp 14,4 Mio € (61 %). Wenn der Straßenbau in diesem Rahmen finanziert worden wäre, hätte die Förderung nicht 70 %, sondern deutlich weniger betragen. Der ORH hält eine entsprechende Bereinigung für notwendig.
1) VV Nr. 2.4 zu Art. 44 BayHO
2) Nr. 19. RZStra
3) Art. 15 Abs. 3 BayBO und § 3 Abs. 3 VStättV