Jahresbericht 2006

TNr. 38: Leistungsbezogene Verteilung der staatlichen Zuschüsse im Theaterbereich

Masken

Eine teilweise leistungsbezogene Vergabe der Zuschüsse des Staats für die Staatstheater und die von ihm geförderten Theater  könnte Anreize schaffen, das Kosten- und Leistungsbewusstsein der Bühnen zu stärken. Dies würde den wirtschaftlichen sowie organisatorischen und damit auch den künstlerischen Betrieb der Theater optimieren.

38.1    Gegenstand der Prüfung
   

Im Zeitraum 2004/2005 hat der ORH erstmals einen wirtschaftlichen Betriebsvergleich für die Spielzeit 2002/2003 bei den drei Staatstheatern und acht staatlich geförderten Theatern in sonstiger Trägerschaft durchgeführt. Um eine Gegenüberstellung mit der bundesweiten Entwicklung zu ermöglichen, wurden dabei auch die Wirtschafts- und Leistungsdaten der Theaterstatistiken des Deutschen Bühnenvereins 1 herangezogen.   

Eine Grundidee der Vergleichsuntersuchung war, Ergebnisse und Kennzahlen für einzelne Bereiche zu ermitteln und diese der Leitung anderer Bühnen als Anregung für eigenes Handeln zugänglich zu machen. Für den ORH war dabei zu beachten, dass seine Zuständigkeit in der Sicherstellung des sparsamen und wirtschaftlichen Einsatzes staatlicher Mittel liegt. Im Folgenden werden hierzu einige grundsätzliche Aspekte der Untersuchungen des ORH näher dargestellt.

38.2    Entwicklung der Theater- und Finanzstrukturen

38.2.1    Bundesweiter Vergleich
  

Im Vergleichszeitraum 1997/1998 zu 2002/2003 sind bei annähernd gleicher Zahl an Vorstellungen die Besucherzahlen in Bayern (2002/2003: 2,88 Mio) um 2,3 % und im übrigen Bundesgebiet (2002/2003: 19,17 Mio) sogar um 4,1 % zurückgegangen. Die Zuschüsse der Kommunen und des Landes pro Besucher sind in Bayern im untersuchten Zeitraum mehr als doppelt so stark gestiegen wie im übrigen Bundesgebiet.

Zuschuss pro Besucher


Der Vergleich von Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben sowie Zuschüssen der Länder und Kommunen im Verhältnis des Freistaats zum übrigen Bundesgebiet ergibt Folgendes:

Vergleich Freistaat - Bundesgebiet

Die Steigerungsraten im übrigen Bundesgebiet liegen insgesamt niedriger als in Bayern. Dabei deutet insbesondere der erheblich geringere Anstieg der Betriebsausgaben bei den nichtbayerischen Theatern darauf hin, dass diese Theater durch geringere Förderleistungen gehalten waren, erheblich zu sparen.

38.2.2    Entwicklung der untersuchten Theater in Bayern

Die Ergebnisse und Entwicklungen der elf vom ORH örtlich untersuchten Theater sind nachfolgend dargestellt:

Entwicklung der untersuchten Theater

Aufgrund der künstlerischen Ausrichtung, des unterschiedlichen Spielbetriebs sowie der unterschiedlichen Platzangebote der Spielstätten müssen die Besucherzahlen und Erträge der Theater abweichen. Auch unter Berücksichtigung dessen sind die Leistungen der Theater, insbesondere die Zahl der Inszenierungen, Vorstellungen, Besucher und Einspielergebnisse, höchst unterschiedlich. Nach den Untersuchungen des ORH sind die Unterschiede zwischen den Theatern auch dadurch begründet, dass einige Bühnen in den vergangenen Jahren ihre Betriebsform geändert und die Zusammenarbeit mit anderen Theatern verstärkt haben.  Ein Teil hat moderne Planungs-, Steuerungs- und Kontrollinstrumente eingeführt, die einen besseren Einsatz der vorhandenen Mittel ermöglichen.

38.3    Bemessung der staatlichen Mittelvergabe
   

Im Jahr 2002 lagen die Ausgaben der Staatstheater bei über 138 Mio € (einschließlich 3 Mio € für den Zentralen Dienst). Nach Abzug der Erträge der Staatstheater sowie der kommunalen Zuschüsse betrugen die Leistungen des Staats 97 Mio €. Die nichtstaatlichen Theater und förderungswürdigen Einrichtungen auf dem Gebiet der darstellenden Kunst wurden mit insgesamt 44,6 Mio € gefördert.2   

In Bayern gibt es keine gesetzlichen Bestimmungen zu Zielsetzung und Umfang der Theaterförderung. Bei der Bemessung der Staatszuschüsse an die einzelnen Theater wurden offensichtlich weder die Einspielergebnisse noch die Vorstellungs- und Besucherzahlen berücksichtigt. So hat sich der Staatszuschuss pro Besucher bei den einzelnen Theatern im Zeitraum von 1997/1998 bis 2002/2003 zwischen - 2 und + 117 % und pro Vorstellung zwischen - 2 und + 94 % verändert. Wie die Zahlenübersicht 3 weiter zeigt, erhält beispielsweise das Landestheater Coburg pro Besucher und Vorstellung mehr als den dreifachen Staatszuschuss im Vergleich zum Stadttheater Ingolstadt.

38.4    Künftige Bemessung der Staatszuschüsse
  

Aufgrund der Situation der öffentlichen Haushalte ist - auch nach Ansicht des Staatsministeriums der Finanzen (StMF) - nicht zu erwarten, dass sich die Förderbeträge des Freistaats und der Kommunen in Zukunft noch deutlich erhöhen werden. Dadurch dürfte sich die wirtschaftliche Situation der Theater verschärfen, da - je nach Struktur der Bühnen - bis zu 80 % der Betriebsausgaben Fixkosten darstellen, die kurzfristig nicht zu beeinflussen sind.   

Wie die Prüfung des ORH gezeigt hat, waren einzelne Bühnen in der Lage, ihre Leistungen durch entsprechende Spielplangestaltungen und Spielfrequenzen sowie durch Optimierung der Betriebsabläufe und Anwendung von theaterspezifischen Controllinginstrumenten zu steigern. Der Staat sollte dies bei der Bemessung der Staatszuschüsse positiv berücksichtigen. Damit werden Anreize gegeben, die Betriebserträge zu steigern und somit den finanziellen Spielraum der Häuser zu erweitern. Der ORH empfiehlt, den Bühnen neben einem Grundzuschuss, der sich an der Höhe der Betriebsaufwendungen sowie an regionalen und strukturellen Gegebenheiten orientieren könnte, einen Teil des Staatszuschusses nach leistungsbezogenen Kriterien auszureichen. Die Anzahl der Inszenierungen, die Vorstellungs- und Besucherzahlen sowie die Einspielergebnisse der Bühnen könnten als Kriterien dienen. Es bleibt jedoch den Bühnen unbenommen, weitere Kriterien vorzuschlagen, die ihrer Meinung nach für die Bemessung der Zuschüsse herangezogen werden könnten.   

Um die Theaterlandschaft in Bayern zu sichern, müssten nach Auffassung des ORH alle Bühnen erhöhte Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Einnahmen- und Ausgabensituation unternehmen. Dies gilt ganz besonders für jene Theater, die sich bisher darauf verlassen haben, dass bei finanziellen Engpässen der Staat mit höheren Förderbeträgen eingreift. 

Das StMF hält den Vorschlag des ORH, künftig den staatlichen Zuschuss an die nichtstaatlichen Theater teilweise anhand leistungsbezogener Kriterien zu bemessen, für ein geeignetes Instrument zur Optimierung von Betriebsabläufen und Spielplänen.

38.5    Weitere Empfehlungen des ORH
   

Aus Sicht des ORH wären insbesondere noch folgende Maßnahmen zu prüfen:

38.5.1    Zielsetzungen
   

Wie andere öffentliche und private Einrichtungen benötigen auch Theater Zielsetzungen, an denen die Theaterleitungen ihre Leistungsangebote orientieren sowie Rechtsträger und Zuwendungsgeber den Erfolg des Theaters messen können. Dabei ließen sich die Zielsetzungen, unter Wahrung der künstlerischen Freiheit der Theaterleitung, auf die Vereinbarung konkreter Leistungs- und Finanzziele beschränken.   

Um den Theatern Planungs- und Finanzierungssicherheit zu geben, wären die Zielsetzungen zumindest mittelfristig zu vereinbaren. Dabei sollten nicht nur die Rechtsträger, sondern auch der Staat als Zuschussgeber Festlegungen über den Zeitraum und die Höhe der Leistungen/Zuschüsse treffen.   

Angesichts der vergleichsweise hohen staatlichen Zuschüsse sollte auch der Staat bei der Ausgestaltung der Leistungs- und Finanzziele mitwirken.   

Das StMF unterstützt die Forderung des ORH nach Festlegung von Zielsetzungen. Eine mehrjährige Festlegung der Leistungen des Staats käme aber im Hinblick auf das Budgetrecht des Landtags nicht in Betracht. Daneben müsse es der Verwaltung möglich sein, bei nicht vorhersehbaren Entwicklungen, wie z.B. dem drastischen Rückgang der Steuereinnahmen in den Jahren 2004 bis 2006, durch Maßnahmen des Haushaltsvollzugs gegenzusteuern.   

Das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (StMWFK) spricht sich für eine zumindest mittelfristige Planungs- und Finanzsicherheit aus, die über bloße Absichtserklärungen hinausreichen müssten.   

Der ORH weist darauf hin, dass bereits jetzt bei den Stiftungen Bamberger Symphoniker und Staatstheater Nürnberg die Haushalte und damit auch die Leistungen des Staats für mehrere Jahre verbindlich beschlossen werden.

38.5.2    Budgetierung
   

Die weitgehende Stellenbindung im Theaterbereich führt dazu, dass Einsparungen durch freie Stellen nicht oder nur zum Teil dem Theaterhaushalt zufließen. Für die Theaterleitung besteht damit kein wirtschaftlicher Anreiz, Stellen unbesetzt zu lassen oder flexible Beschäftigungsverhältnisse zu vereinbaren.   

Der ORH empfiehlt daher, die Stellenbindung aufzugeben und die Bewirtschaftung der Personalaufwendungen den Theatern vollständig zu übertragen.   

Das StMF sieht eine Lösungsmöglichkeit in der für den Doppelhaushalt 2009/2010 geplanten Einführung eines Arbeitnehmerbudgets. Auszunehmen wäre nur der Beamtenbereich der Staatstheater, der aber nur einen Anteil von 1 % ausmacht.

38.5.3    Buchführung und betriebliches Rechnungswesen
  

Nach den Untersuchungen des ORH müssen bei einer kameralistischen Buchführung aufwendige Verzeichnisse und Nebenrechnungen geführt und erstellt werden, um die für einen Theaterbetrieb notwendigen Planungs- und Steuerungsmöglichkeiten zu erschließen. Es sollte daher zumindest bei den größeren Bühnen die kaufmännische doppelte Buchführung eingesetzt werden.   

Das StMF spricht sich zwar dagegen aus, bei den Staatstheatern die kaufmännische doppelte Buchführung als führendes System einzusetzen. Gegen die Nutzung von doppischen Elementen für die interne Steuerung bestünden aber keine Bedenken, sofern dies sinnvoll und wirtschaftlich sei.   

Der ORH hält es ferner für erforderlich, die Betriebsabläufe zu optimieren. Um überhaupt feststellen zu können, welche Ressourcen zu welchem Zweck und in welcher Leistungserbringung eingesetzt werden, ist es notwendig, ein betriebliches Rechnungswesen und ein Controlling einzuführen. Die Untersuchungen zeigen, dass sich Theater mit diesem Instrumentarium wirtschaftliche und damit auch künstlerische Freiräume erarbeiten können.

38.5.4    Zusammenarbeit der Theater
   

Die große Zahl der Inszenierungen der untersuchten Theater ist auch darauf zurückzuführen, dass das Besucherpotenzial bei mittleren und kleinen Bühnen beschränkt ist. Diese Bühnen unterliegen einem erheblichen Produktionsdruck, da oft schon nach etwa zehn Vorstellungen die Nachfrage weitgehend befriedigt ist und das Stück abgesetzt wird. Um ein kontinuierliches Angebot bieten zu können, muss eine entsprechende Anzahl von Inszenierungen pro Spielzeit erarbeitet werden. Bei Bühnen mit knappen Finanz- und Personalausstattungen besteht dann die Gefahr, dass die Produktionen nicht das erwünschte Qualitätsniveau erreichen und vom Publikum nur zurückhaltend angenommen werden.   

In Bayern wird von der selbst von großen ausländischen Bühnen verstärkt genutzten Möglichkeit, Austauschgastspiele und Koproduktionen zu veranstalten, nicht ausreichend Gebrauch gemacht. Auch wenn die Eigenproduktionen weiterhin Kernbestandteil der Theaterarbeit bleiben müssen, könnte das Theaterangebot durch Zusammenarbeit mit anderen Bühnen ergänzt und für das Publikum sogar ausgeweitet werden. Die dadurch frei werdenden Ressourcen würden eine Verbesserung der eigenen Produktionen ermöglichen.   

Der darin liegende potenzielle Strukturwandel könnte nach Ansicht des ORH von staatlicher Seite unterstützt werden. Dazu sollte ein Teil der bisher ausschließlich institutionellen Förderung der Theater in eine Projektförderung solcher Kooperationen umgewandelt werden. Das StMWFK hält dies allenfalls dann für denkbar, wenn hierfür zusätzliche Mittel bereitgestellt würden. Der ORH sieht dies anders.

 


1) Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins auf der Basis der Umfrage des Deutschen Städtetags

2) geprüfte und nicht geprüfte Einrichtungen