Jahresbericht 2008

TNr. 35: Auslastung der Operationssäle der Universitätsklinika

Operation

Die Operationssäle der fünf Universitätsklinika werden überwiegend nicht optimal ausgelastet. Von 171 Operationssälen sind 30 überzählig. Zwei voll ausgestattete septische Operationssäle in dem 2004 neu errichteten Operationszentrum Würzburg werden bislang nicht genutzt. Werden künftig Operationszentren errichtet, sind strengere Maßstäbe an die bedarfsgerechte Planung anzulegen, um unnötige Investitions- und Betriebskosten zu vermeiden.

35.1    Vorbemerkung


Zum 01.01.2009 wird das Vergütungssystem (DRGs5) voll wirksam werden. Damit kommt einem optimal ausgelasteten Operations-(OP )Bereich große Bedeutung für den wirtschaftlichen Betrieb eines Krankenhauses zu. Mit Investitionskosten von 3 Mio. € und jährlichen Betriebskosten (einschließlich Personal) von bis zu 1 Mio. € pro OP-Saal zählt dieser Bereich auch bei den Hochschulklinika zu den teuersten Ressourcen.

Der ORH hat im Rahmen einer Querschnittsuntersuchung zusammen mit einem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt die Auslastung der 171 OP-Säle aller "schneidenden Fächer" bei den fünf Universitätsklinika für das Jahr 2007 untersucht. OP-Räume in den Ambulanzen blieben dabei ausgespart.

Allgemein anerkannter Maßstab, um den Auslastungsgrad eines OP-Saals zu bestimmen, ist die Schnitt-Naht-Zeit. Die innerhalb der täglichen Regelarbeitszeit möglichen Schnitt-Naht-Minuten (Sollwert) je OP-Saal wurden vom ORH anhand eines Tagesablaufprofils im OP-Betrieb (Dienstbeginn, Vorbereitungszeit und Abfolge von Schnitt-Naht- und Wechselzeiten) ermittelt. Fächer mit kürzeren OP-Zeiten (z. B. Augenheilkunde) erzielen wegen der häufigeren Wechsel einen niedrigeren Sollwert als Fächer mit langen OP-Zeiten (z. B. Herzchirurgie). Der ORH hat keinen Normwert zugrunde gelegt, sondern für jede Fachrichtung die durchschnittlichen Zeiten für Vorlauf, Operation (Schnitt-Naht) und Wechsel ermittelt. Dadurch kann dem unterschiedlichen Leistungsspektrum und strukturellen Bedingungen, wie vorhandenen Einleitungsräumen, Rechnung getragen werden.

35.2    Auslastung der OP-Säle


Vergleicht man anhand der Schnitt-Naht-Zeiten die vorgehaltenen mit den tatsächlich in Anspruch genommenen OP-Kapazitäten, ergeben sich folgende Auslastungen:
Tabelle Auslastung nach Schnitt-Naht-Zeiten

Für die Berechnung der Auslastung wurde die in der Kernzeit von 8:00 bis 16:00 Uhr erbrachte Jahresleistung (ohne Samstage, Sonn- und Feiertage) an Schnitt-Naht-Minuten herangezogen. Zeiten nach 16:00 Uhr wurden bis zur Beendigung der jeweiligen Operation berücksichtigt.

35.3    Überhang an OP-Sälen


Hierzu werden Säle einzelner Fachrichtungen, die dezentral organisiert sind, nur als Ganzes gerechnet. Anders verhält es sich bei den Sälen eines zentralen OP-Bereichs, da diese interdisziplinär genutzt werden können und sollen. Diese werden auch zu Anteilen bei den Überkapazitäten erfasst.

Für die einzelnen Fachdisziplinen ergeben sich damit folgende nicht genutzte räumliche OP-Ressourcen:
Tabelle Überhang an OP-Sälen

Somit sind von 171 OP-Sälen 30 zu viel. Die Universitätsklinika München (Großhadern) und Würzburg weisen mit jeweils acht OP-Sälen den höchsten, Regensburg mit nur einem Saal den geringsten Überhang aus.
Beim Standort Großhadern ist zu berücksichtigen, dass dort langfristig gesehen die operativen Fächer der Innenstadtkliniken zu integrieren sind. Andererseits ist im März 2007 in der Chirurgischen Klinik Nußbaumstraße der bestehende OP-Trakt mit fünf Sälen nach grundlegender Sanierung (Kosten: 12 Mio. €) wieder in Betrieb genommen worden.

Hinzuweisen ist auch auf die Auslastung bei der Frauenheilkunde, die in München von den beiden Universitätsklinika an drei Standorten vertreten ist. Die Kliniken Maistraße (LMU) und rechts der Isar (TUM) liegen bei der Auslastung jeweils unter 60%. Dieses Ergebnis unterstreicht nach Ansicht des ORH die Vorschläge von Expertenkommissionen zur Neuordnung der Hochschulmedizin in München,6 wonach die Frauenheilkunde auf zwei Standorte konzentriert werden sollte.

Beim Universitätsklinikum Würzburg wurde im März 2004 das neu errichtete Zentrum für Operative Medizin mit 16 Sälen in Betrieb genommen. Davon sind zwei vollständig ausgestattete septische Säle bislang weder für Operationen noch anderweitig genutzt worden. Aus der Sicht der Krankenhaushygiene und Infektionsprävention wäre die Errichtung septischer OP-Säle nicht mehr notwendig gewesen.

35.4    Empfehlungen des ORH


35.4.1    Nutzung der räumlichen Ressourcen

Der ORH empfiehlt, nicht oder nur selten belegte Säle (septische OP-Säle, Säle mit eingeschränkter Nutzbarkeit) stillzulegen oder anders zu nutzen. Uneingeschränkt nutzbare OP-Säle sollten durch höhere OP-Frequenzen besser ausgelastet oder notfalls geschlossen werden.

In den zentralen OP-Bereichen herrscht noch überwiegend eine starre fachbezogene Saalzuordnung vor. Nach Auffassung des ORH sollten sich die Fachdisziplinen verstärkt für eine abteilungsübergreifende Nutzung der Säle öffnen, verbunden mit einem flexibleren Einsatz der OP- und Anästhesiepflege. Damit sollte es gelingen, Auslastungsschwankungen zu nivellieren. Zur wirtschaftlicheren Auslastung könnte der Einkauf von OP-Kontingenten der jeweiligen Fächer im Wege der internen Leistungsverrechnung führen.

35.4.2    OP-Planung und Ablauforganisation

OP-Pläne werden vielfach zu kurzfristig (erst am Vortag der Operation) erstellt. Der ORH hält eine Wochenplanung für erforderlich, um vorausschauend für eine Auslastung der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu sorgen. Unzureichend mit Patienten eines Fachs ausgelastete OP-Säle sind interdisziplinär zu belegen.

Leerlaufzeiten, u. a. aufgrund von Wartezeiten auf den Anästhesisten/Operateur oder zu langen Vorbereitungs- und Wechselzeiten, sind zu vermeiden. Der ORH hat Wechselzeiten bis zu 90 Minuten festgestellt. In zentralen OP-Bereichen mit entsprechender räumlicher Ausstattung zur überlappenden Ein- und Ausleitung wird in Fachkreisen von einer erreichbaren Wechselzeit von 35 Minuten ausgegangen. Werden Holding Areas (der Patient wird für die Operation vorbereitet in den OP-Saal gefahren) eingerichtet, kann die Wechselzeit auf bis zu 30 Minuten verkürzt werden.

35.4.3    Planung und Ausführung neuer OP-Zentren

Beim Neubau des Zentrums für Operative Medizin in Würzburg bestand von Anfang an keine Notwendigkeit, zwei septische OP-Säle einzurichten; für weitere zwei Säle gab es keinen Bedarf. Investitionskosten von 12 Mio. € wären vermeidbar gewesen.

Der ORH hält es daher für dringend erforderlich, künftig bei der Ermittlung des Bedarfs an OP-Sälen insbesondere die Auslastungssituation und die Fortentwicklung in der medizinischen Versorgung angemessen zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere bei den aktuellen Neubauplanungen für das Operative Zentrum am Klinikum Erlangen und das OP-Zentrum Nord am Klinikum rechts der Isar.

Mit dem Bau des neuen Operativen Zentrums im Klinikum Großhadern (Baubeginn Juli 2008) wird Europas größtes zusammenhängendes OP-Zentrum mit 32 Sälen entstehen. Bei der Bedarfsberechnung wurde von einer Jahresleistung von 30.000 Operationen ausgegangen. Im Jahr 2007 wurden im Klinikum der Universität München insgesamt 26.600 Operationen (Großhadern 17.400, Innenstadt 9.200) durchgeführt. Der Planung lag zugrunde, dass alle operativen Fächer, bis auf die Augenklinik, von der Innenstadt nach Großhadern verlagert werden. Das OP-Zentrum wird mit einer neuen OP-Struktur (z. B. Einrichtung von Holding Areas, Instrumententischvorbereitung außerhalb des OP-Saals) die Voraussetzungen dafür schaffen, die OP-Rüst- und Wechselzeiten um bis zu 40% gegenüber dem derzeitigen System zu senken.

Für Großhadern mit derzeit 32 OP-Sälen7 ergab sich für 2007 ein Kapazitätsüberhang von 8 Sälen. Es ist deshalb zu erwarten, dass die Säle im neuen OP-Zentrum nicht annähernd ausgelastet werden können. Die Verlagerung der operativen Fächer aus der Innenstadt nach Großhadern kann nach Informationen des Klinikums8 frühestens 2022 erfolgen. Somit werden von der Fertigstellung des OP-Zentrums (geplant 2012) bis zur Verlagerung mindestens zehn Jahre lang OP-Kapazitäten vorgehalten, für die zu einem Drittel kein Bedarf sein wird.

Vor diesem Hintergrund sollte nach Ansicht des ORH zumindest die medizin-technische Erstausstattung, die je nach Fachrichtung mit bis zu 1 Mio. € je Saal zu veranschlagen ist, für eine entsprechende Anzahl von OP-Sälen zurückgestellt werden.

35.5    Stellungnahme der Universitätsklinika und des Staatsministeriums


Hinsichtlich der vom ORH festgestellten überzähligen OP-Kapazitäten haben die Universitätsklinika differenziert und individuell Stellung bezogen. Unter anderem wurde vorgebracht, es seien nicht genügend OP-Teams vorhanden, für Notfalleingriffe seien Ressourcen vorzuhalten, Effizienzverluste würden durch Beeinträchtigung im Organisationsablauf aufgrund der studentischen- und Facharztausbildung sowie der dezentralen OP-Bereiche einzelner Fächer eintreten. Eine bessere Auslastungssituation werde beispielsweise durch Leistungssteigerungen erreicht, wenn Lehrstühle neu besetzt und weitere Abteilungen, wie der Thorax- und der Kinderherzchirurgie am Universitätsklinikum Erlangen, geschaffen würden.

Zu den beiden septischen OP-Sälen teilt das Universitätsklinikum Würzburg mit, dass bei Planung des OP-Zentrums in den Jahren 1988 bis 1994 die Berufsgenossenschaften noch eine Trennung zwischen aseptischen und septischen OP-Einheiten gefordert haben. Nach heutigem Sachstand sei eine solche Trennung nicht mehr erforderlich. Künftig sei eine Nutzung dieser beiden Säle für ambulante Kurzeingriffe vorgesehen.

Zu den Neubauvorhaben wird ausgeführt, dass das operative Zentrum des Universitätsklinikums Erlangen unter verstärkter Beachtung wirtschaftlicher Gesichtspunkte geplant werden soll. Mit dem Neubau des OP-Zentrums Großhadern werde der vom ORH vorgeschlagenen Reduzierung der OP-Saalkapazitäten entsprochen, wenn auch erst nach der beabsichtigten Verlagerung der Innenstadtkliniken an den Campus Großhadern.

35.6    Schlussbemerkungen des ORH


Die Ergebnisse des Quervergleichs zeigen, dass die Wirtschaftlichkeit der OP-Säle noch verbessert werden kann.
Die vorhandenen Kapazitäten sollten intensiver fachübergreifend genutzt und bei Neubauvorhaben die Planungen nochmals auf ihre tatsächliche Notwendigkeit hin überprüft werden. Zudem sollte in der Ausführungsphase flexibel auf Bedarfsentwicklungen reagiert werden.


5) Diagnosis Related Groups.

6) U.a. Lenkungsausschuss Hochschulmedizin München, Abschlussbericht Januar 2006.

7) Einschließlich der zwei Säle der herzchirurgischen Einheit in der Klinik Augustinum.

8) Klinikum aktuell (Magazin des Klinikums, Heft 3/2008).