Jahresbericht 2008

TNr. 36: Erschließung eines Klinikgebäudes

Verbindungsbauwerk Uniklinik Erlangen

Beim Bau eines Klinikgebäudes wurde ein gläserner Verbindungsgang auf Stützen erstellt. Er war nicht notwendig, aufwendig konstruiert und zog Baumaßnahmen am Hauptgebäude nach sich. Baukosten von über 2 Mio. € und hohe Folgekosten hätten vermieden werden können.

36.1    Allgemeines


Der Gebäudebestand der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen umfasst bestehende Gebäude auf dem Stammgelände und Neubauten auf dem angrenzenden Erweiterungsgelände. Eine städtische Straße trennt die beiden Grundstücksteile voneinander. Ein Generalplan (1973) und ein darauf aufbauender städtebaulicher Ideenwettbewerb (1987) sahen vor, diese Straße aufzulassen und die bauliche Entwicklung im Gesamtgelände längs einer fußläufigen neuen Erschließungsachse zu ordnen. Sie sollte Alt mit Neu zu einer Einheit verbinden.

Anders als im städtebaulichen Konzept vorgesehen, konnte eine Umleitung des Verkehrs nicht durchgesetzt werden. Die Auflassung der städtischen Straße war deshalb nicht möglich. Dennoch wurde beim Neubau des nichtoperativen Zentrums das Konzept einer gebäudeübergreifenden Erschließungsachse wieder aufgegriffen.

36.2    Erschließung des Klinikgebäudes


Zusätzlich zur inneren Erschließung des Klinikgebäudes entstand außerhalb ein parallel laufendes selbstständiges Verbindungsbauwerk auf vier Ebenen. Es besteht unterirdisch aus einem zweigeschossigen Tunnel, ebenerdig verläuft ein Fußweg zum Haupteingang des Klinikgebäudes. Da dieser Weg durch die Straße unterbrochen wird, wurde zusätzlich zur ebenerdigen Erschließung auf Obergeschossniveau ein gläserner Verbindungsgang auf Stützen errichtet. Auf 150 m Länge soll er Personal und Besucher entlang der Gebäudefassade führen. Er ist über mehrere Brücken mit dem Klinikgebäude verbunden, überquert die Straße und endet danach in einem Treppenabgang.

36.3    Feststellungen


36.3.1    Nutzung des Verbindungsbauwerks

Ende des VerbindungsgangsDie beiden Untergeschosse des Verbindungsbauwerks erfüllen die ihnen zugedachten Aufgaben für Gütertransport, Liegendkrankentransport, Patienten- und Personalverkehr sowie Versorgungsleitungen; eine spätere Verbindung mit anderen Gebäuden ist möglich.

Der gläserne Verbindungsgang ist für die innere Erschließung der Klinik nicht erforderlich. Die Zugänge vom Gang zur Klinik sind zum Teil verschlossen, teilweise sind darin zusätzliche Wartebereiche eingerichtet.

Der gläserne Verbindungsgang wird auch für eine gebäudeübergreifende Wegführung nicht genutzt. Er endet nach Querung der Straße in einem Treppenhaus. Dieses wurde versperrt, um einen unkontrollierten Zugang zur Klinik zu verhindern.

36.3.2    Aufwendige Bauausführung des Verbindungsgangs


Der ORH hat bei seiner Prüfung zur Bauausführung Folgendes festgestellt:Stahlkonstruktion

  • Der vom Klinikgebäude losgelöste Verbindungsgang wurde aufwendig mit einer an Stützen hängenden Stahlkonstruktion und einer teils schrägen, kleinteiligen Stahl-Glasfassade errichtet. Allein für die Bauhauptgewerke des Gangs wurden über 1,7 Mio. € ausgegeben. Die Kosten der technischen Ausstattung waren nicht feststellbar, sind aber beträchtlich.
  • Der gläserne Gang ist beheizt. Dadurch wurde für die gesamte Wandfläche eine Isolierverglasung notwendig. Um sichtbare Heizkörper zu vermeiden, wurde eine teure und zudem schwer regulierbare Deckenheizung installiert. Trotz der verwendeten Isolierverglasungen hat der Gang aufgrund seiner Bauart einen erhöhten Heizenergiebedarf.
  • Für den Sonnenschutz wurden zusätzliche Anforderungen an das Isolierglas gestellt. Daneben wurden an der geneigten Ostfassade 1,40 m weit auskragende, starre Sonnenblenden aus Aluminium montiert. Zusätzlich wurden Leichtmetall-Lamellen-Raffjalousien eingebaut, die mit elektrischen Antrieben und einer Zentralsteuerung ausgestattet sind.
  • Zur Belüftung des Verbindungsgangs wurden in den beiden Längsfassaden über die gesamte Länge durchlaufende Fensterbänder aus 324 Lamellen-Fensterelementen installiert. Sie sind mit 169 elektrischen Antrieben verbunden, die das Öffnen und Schließen der Lamellen zentral steuern. Neben den hohen Investitionskosten entstehen durch die Öffnungsmechanik der Elemente höhere Betriebs- und Wartungskosten.
  • Um den erforderlichen Brandschutz zu erzielen und den Einbau von Brandschutztüren zu vermeiden, wurde der gesamte Gang mit einer kostenintensiven SprinkleranlageDachverkleidung ausgestattet.
  • Aus gestalterischen Gründen wurden über der eigentlichen Dachhaut Verkleidungen aus Aluminium-Kassetten angebracht, welche die Raster der Stahlkonstruktion und der Fassade abbilden. Die Dachverkleidungen sind mit Halterungen auf der Unterkonstruktion des Dachs befestigt und durchdringen an insgesamt 370 Stellen die Dachabdichtung. Damit sind Bauschäden vorprogrammiert.


36.3.3    Fassadenbefahranlage an der Ostfassade des Klinikgebäudes


FassadenbefahranlageDer vor der Fassade stehende gläserne Verbindungsgang mit seinen Brücken zum Obergeschoss sowie Treppen und Lichthöfen zum Untergeschoss des Klinikgebäudes steht der Wartung und Reinigung der Glasflächen am benachbarten Klinikgebäude und an der eigenen Rückseite im Wege. So ist der Einsatz eines Hubsteigers nicht möglich. Deshalb wurde entlang der Ostfassade des Klinikgebäudes eine Fassadenbefahranlage mit einem Fassadenaufzug-Kompaktkran für 300.000 € montiert.

Weitere Kosten entstanden, weil zur Montage der notwendigen Schienenkonstruktion die angrenzende Außenwand des Klinikgebäudes auf eine einheitliche Höhe gebracht werden musste. Sie wurde hierzu etwa auf der Hälfte ihrer gesamten Länge um ein Geschoss erhöht, ohne dass Räume dahinter liegen.


36.3.4    Beschränkung der Durchfahrtshöhe
Beschränkung Durchfahrtshöhe
Der gläserne Verbindungsgang liegt barrierefrei auf Obergeschossniveau des Klinikgebäudes und quert auf dieser Höhe die nicht aufgelassene Straße. Wegen des darunter liegenden Verbindungstunnels kann die Straße nicht abgesenkt werden. Sie ist deshalb für Fahrzeuge nur bis zu einer Höhe von 3,30 m befahrbar. Zweckmäßig und nach den einschlägigen Bestimmungen für die Querschnittsgestaltung im Straßenbau notwendig wäre ein Lichtraummaß von 4,50 m (Bemessungsfahrzeug Lkw/Bus: h = 4,00 m). Nach ersten Beschädigungen am Verbindungsbauwerk sowie Verkehrsbehinderungen wegen der eingeschränkten Durchfahrtshöhe wurden teure Höhenmarkierungen auf beiden Seiten der Durchfahrt aufgestellt. Allein die Mietkosten für die Höhenbegrenzungen an der städtischen Straße betrugen bis zu Beginn der örtlichen Prüfung 82.000 € (1.122 € monatlich).

36.3.5    Sichtschutz im Bereich der Behandlungsräume


Der in geringem Abstand parallel zum Klinikgebäude geführte gläserne Verbindungsgang ermöglicht Einblick in die Räume des Klinikgebäudes in drei Geschossen, dabei auch in Untersuchungs- und Behandlungszimmer. Der Sonnenschutz dieser Räume wird deshalb als Sichtschutz eingesetzt. Fensterscheiben sind mit Folie beklebt. Als Folge bleibt in den betroffenen Räumen das Kunstlicht ganztägig eingeschaltet. Dies führt zu höheren Betriebskosten, die Arbeitsplatzqualität wird beeinträchtigt.

36.4    Stellungnahme der Verwaltung


Nach Auffassung der OBB stellen die Verknüpfung von Stamm- und Erweiterungsgelände des Klinikums und die betriebsneutrale Erschließung der Neubauten durch ein Verbindungsbauwerk einen Grundzug der Planung im städtebaulichen Ideenwettbewerb für das Universitätsklinikum Erlangen dar. Der Entwurf des ersten Preisträgers habe die seinerzeitigen Vorgaben der Auslobung hinsichtlich Funktion, Gestaltung und Gesamtkonzept optimal erfüllt. Magistralen zur Optimierung der verkehrstechnischen Verbindungen gebe es in den meisten Universitätskliniken Bayerns.

Staatsministerium und OBB halten den gläsernen Verbindungsgang für notwendig. Das Erschließungskonzept des Klinikareals sei auf längere Sicht angelegt. Der gegenwärtig noch fragmentarisch erscheinende Erschließungsgang werde die ihm zugedachte Funktion erst nach Abschluss der anstehenden Neubaumaßnahmen am Klinikum Erlangen erfüllen (Bettenhaus Baubeginn August 2008, Funktionstrakt der Chirurgie Bauantrag 2008, Translational Research HU-Bau 2008/09).

36.5    Schlussbemerkung des ORH

 


Der ORH bleibt bei seiner Auffassung, dass der gläserne Verbindungsgang nicht notwendig ist und die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllt. Die übergeordnete betriebliche Erschließung erfüllt bereits der Verbindungstunnel.

Nachdem es nicht möglich war, die Straße aufzulassen, hätte das städtebauliche Konzept von 1987 neu überdacht werden müssen. Auch die Planung des gläsernen Verbindungsgangs mit den aufgezeigten hohen Investitions- und Folgekosten hätte unter diesen Vorgaben kritischer auf Notwendigkeit, Funktionalität und Ausführungsstandards überprüft werden müssen.

Nach den bekannten Planungen ist eine schlüssige Fortsetzung des bisher fragmentarischen Verbindungsgangs nicht absehbar. An keinem anderen Universitätsklinikum ist eine derart weitläufige Erschließung über beheizbare Verbindungsgänge zwischen verschiedenen Klinikgebäuden vorhanden oder geplant.