TNr. 30: Verwaltung für Ländliche Entwicklung

Beim freiwilligen Land- und Nutzungstausch besteht Verbesserungspotenzial.
Die geplante Verlagerung des Amtes für Ländliche Entwicklung von Regensburg nach Tirschenreuth wird erheblich teurer. Dies sollte bei einer endgültigen Entscheidung berücksichtigt werden.
30.1 Allgemeines
Die Verwaltung für Ländliche Entwicklung ist zweistufig aufgebaut. Oberste Landesbehörde ist das Staatsministerium. Ihm nachgeordnet sind die Ämter für Ländliche Entwicklung. An den Ämtern sind Vermesser, Landwirte, Architekten, Landschaftsplaner, Bauingenieure, Juristen und Verwaltungsfachkräfte beschäftigt. Die Ämter haben spezifische Fachkompetenz im Bodenmanagement. Sie sollen u. a. der Effizienzsteigerung der Landwirtschaft sowie der weitestmöglichen Sicherung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung dienen und zur Umsetzung von Großbau- und Infrastrukturmaßnahmen beitragen. Sie sind auch zuständig für die Dorf- und Gemeindeentwicklung und für Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz.
Der ORH und ein Staatliches Rechnungsprüfungsamt haben Teilbereiche der Verwaltung für Ländliche Entwicklung untersucht.
30.2 Freiwilliger Land- bzw. Nutzungstausch
Der freiwillige Landtausch und der freiwillige Nutzungstausch sind Verfahren zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Bewältigung von Flächennutzungskonflikten (z. B. Landschaftspflege und Naturschutz). Im freiwilligen Landtausch werden Grundstücke tatsächlich eigentumsrechtlich getauscht. Beim freiwilligen Nutzungstausch werden Wirtschaftsflächen auf Pachtbasis zusammengelegt, ohne die Eigentumsverhältnisse anzutasten. Voraussetzung für beide Verfahren ist das Einverständnis der Tauschpartner.
30.2.1 Aufgabenerledigung durch Helfer
Die Tauschpartner können sich eines Helfers zur Durchführung des Verfahrens bedienen. Die Helfervergütungen werden beim freiwilligen Land- bzw. Nutzungstausch in Bayern bisher zu 100% vom Staat übernommen. Andere Länder fordern eine Eigenbeteiligung der Tauschpartner.
Die Qualität der Leistungen der Helfer ist regional unterschiedlich. In 20% der geprüften Verfahren des freiwilligen Landtauschs mussten die Unterlagen vom Amt nachbearbeitet werden. Trotzdem wurde in voller Höhe gefördert.
Die Verwaltung erledigte im Prüfzeitraum insgesamt 33% aller Verfahren selbst. Es fehlt eine zuverlässige Datenbasis für einen Kostenvergleich, ob die Arbeiten von einem Helfer oder von der eigenen Verwaltung günstiger durchgeführt werden.
Der ORH hält eine Kürzung der Förderung bei unzureichenden Leistungen der Helfer und einen Kostenvergleich zwischen eigener Bearbeitung und Fremdvergabe für erforderlich. Unabhängig davon, ob das Verfahren durch die Verwaltung oder durch einen Helfer durchgeführt wird, sollte nach Auffassung des ORH grundsätzlich eine angemessene Eigenbeteiligung des Begünstigten erfolgen.
30.2.2 Kleinstverfahren
26% der untersuchten Fälle betrafen nur kleine Verfahren mit zwei Tauschpartnern und zwei Tauschbesitzstücken. Kleinstverfahren sollten nur im Ausnahmefall durchgeführt werden. Außerdem hält der ORH die Helferkosten von derzeit 1.711 € pro Verfahren und den Verwaltungsaufwand für zu hoch.
30.2.3 Haltung des Staatsministeriums
Werde ein freiwilliger Land- bzw. Nutzungstausch vollständig von der Verwaltung durchgeführt, bestehe rechtlich keine Möglichkeit, von den Tauschpartnern eine Kostenbeteiligung für die Personalaufwendungen der Verwaltung zu erheben. Würden Teile der Arbeit an einen Helfer vergeben, sei aus Gründen der Gleichbehandlung der Tauschpartner die vollständige Übernahme der Helfervergütungen durch den Staat geboten.
Bezüglich der Qualität der vom Helfer abgelieferten Unterlagen werde die Verwaltung künftig verstärkt darauf achten, dass Nacharbeiten bei Mängeln entweder vom Helfer erbracht werden oder eine entsprechende Kürzung des Honorars vorgenommen werde.
Da der Personalabbau der Verwaltung in den kommenden Jahren fortschreiten werde, bis die vorgegebene Zielgröße von 1.000 Stellen erreicht sei, bestehe für eine Erhöhung der Anzahl der Tauschverfahren, die ohne Helfer durchgeführt werden, kein personeller Spielraum. Im Zuge der geplanten Neufestlegung der Helfervergütungen werde auch überprüft, ob die Vergütung angemessen sei.
30.3 Verlagerung des Amtes für Ländliche Entwicklung Oberpfalz
Das Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Oberpfalz soll von Regensburg nach Tirschenreuth verlagert werden. Bereits 2004 hat die Staatsregierung die Verlagerung des Amts erwogen. Ein Landtagsantrag, die Behörde nicht zu verlagern, wurde am 06.04.2005 von der Landtagsmehrheit abgelehnt. In einer Ministerratsvorlage des Staatsministeriums vom November 2006 wurden die Kosten der Verlagerung mit etwa 18 Mio. € veranschlagt. Darin enthalten sind Neubaukosten von 7,6 Mio. €, Auslagenersatz nach dem Umzugskostengesetz von 9,6 Mio. € und Umzugskosten der Verwaltung von 0,8 Mio. €.
Das ALE Oberpfalz geht nach derzeitiger Prognose davon aus, dass in dem für 135 Mitarbeiter geplanten Neubau ab dem Jahr 2015 lediglich 65 Personen Dienst leisten werden. Zwölf jüngere Mitarbeiter hätten das ALE bereits wegen der Verlagerung verlassen. Weitere 18 Mitarbeiter hätten sich bei anderen Verwaltungen beworben.2Insbesondere Mitarbeiter mit Kindern in Ausbildung (82 Personen mit 150 Kindern), Teilzeitkräfte, Schwerbehinderte oder mit zu pflegenden Angehörigen würden eine andere Tätigkeit im Raum Regensburg anstreben. Damit werde Fachkompetenz verloren gehen. Das Durchschnittsalter betrage derzeit schon 51 Lebensjahre und werde sich voraussichtlich noch erhöhen. Die Anwerbung von Fachpersonal mit Option für den Standort Tirschenreuth gestalte sich als äußerst schwierig.
Der ORH hat die geplante Verlagerung untersucht. Er hat hierfür auch in einer Umfrage Daten zu den Mitarbeitern, wie die Entfernung zum neuen Dienstort, die Restdienstzeit sowie den zeitlichen Umfang der Beschäftigung erhoben und ist zu folgenden Ergebnissen gekommen:
30.3.1 Finanzielle Auswirkungen
Nach Auffassung des ORH ist gegenüber den bisherigen Schätzungen mit erheblichen Mehrkosten zu rechnen:
- Anstieg der Neubaukosten aufgrund allgemeiner Preissteigerungen (Stand Juni 2008) von 7,6 auf 8,5 Mio. €.
- Nicht berücksichtigte Grundstückskosten, z. B. Wertausgleich durch den Freistaat für den Tausch Grünland gegen Bauland.
- Mehrkosten für
- Auslagenersatz nach dem Umzugskostengesetz für Fahrtkosten zur neuen Dienststelle:
Auf der Grundlage der voraussichtlichen Fahrten der Beschäftigten, die vom ORH in einer Umfrage ermittelt wurden, müssen in den nächsten zehn Jahren Kosten von insgesamt etwa 13,7 statt der kalkulierten 9,6 Mio. € aufgewendet werden. Diese Zahlen mindern sich, sofern in Regensburg eine Außenstelle beibehalten würde. - ein Sondereinstellungskontingent:
Infolge einer Sonderregelung für das ALE Oberpfalz wegen der Verlagerung können die Mitarbeiter bereits ab dem 55. Lebensjahr die Altersteilzeit beantragen. Um die künftige Dienststelle in Tirschenreuth sinnvoll aufbauen zu können, bestehen Überlegungen, diese Abgänge zu ersetzen. Durch ein solches Sonderkontingent entstünden zusätzliche Personalkosten. - Dienstreisen:
Aufgrund der dezentralen Lage von Tirschenreuth ist dauerhaft mit längeren Reisezeiten zu den Einsatzorten und deshalb auch mit höheren Reisekosten zu rechnen (Schätzung bis zu 500.000 € in zehn Jahren). Bei etwa 8.000 Dienstreisen pro Jahr werden somit zusätzliche Fahrtzeiten von 2.600 Stunden zulasten der Arbeitszeit anfallen. In zehn Jahren entstehen somit Personalvollkosten von etwa 1,2 Mio €. Die Anzahl der Außendienste wird sich erhöhen.
- Auslagenersatz nach dem Umzugskostengesetz für Fahrtkosten zur neuen Dienststelle:
In die Betrachtung ist auch die mögliche weitere Verwendung des bisherigen Dienstgebäudes in Regensburg einzubeziehen. Aufgrund der derzeitigen Marktlage (freie Büroflächen in Regensburg3 derzeit etwa 70.000 m²) müssen hier weitere Risiken berücksichtigt werden.
30.3.2 Auswirkungen auf die Umwelt
Sollte die Verlagerung des ALE Oberpfalz umgesetzt werden, haben die Beschäftigten eine zusätzliche Strecke zum Dienstort von etwa 30.000 km täglich zurückzulegen.4 Dadurch entsteht eine Mehrbelastung an Treibhausgasen (CO2) von etwa 5.000 kg pro Tag. Um diese Zunahme an CO2 durch Investitionen aus dem "Klimaprogramm 2020" der Staatsregierung infolge energetischer Sanierung staatlicher Gebäude an anderer Stelle auszugleichen, wären etwa 5 Mio. € erforderlich.5
30.3.3 Stellungnahme des Staatsministeriums
Die Verlagerung des ALE Oberpfalz von Regensburg nach Tirschenreuth habe derzeit folgenden Planungsstand erreicht: Die OBB habe die Realisierungsmöglichkeit eines Neubaus auf dem von der Stadt Tirschenreuth vorgeschlagenen ehemaligen Bahnhofsgrundstück geprüft und mitgeteilt, dass die Baumaßnahme auf diesem realisiert werden könne. Das Staatsministerium habe daraufhin dem Leiter des ALE Oberpfalz am 4. September 2008 den Auftrag erteilt, den Bauantrag mit den hierzu erforderlichen Unterlagen zu stellen.
Damit seien jedoch keine abschließenden Festlegungen insbesondere finanzieller Art getroffen.
Die vom ORH genannten Argumente und Feststellungen würden in die weiteren Überlegungen einfließen.
Wegen der politischen Bedeutung der Angelegenheit und der finanziellen Auswirkungen der Verlagerung werde sich der Ministerrat mit dem Thema erneut befassen.
30.4 Schlussbemerkung des ORH
Die von der Verwaltung angestrebten Verbesserungen beim freiwilligen Land- und Nutzungstausch weisen in die richtige Richtung. Da wegen des Personalabbaus zunehmend Helfer beim Land- und Nutzungstausch eingesetzt werden müssen, sollte eine angemessene Eigenbeteiligung der Begünstigten an den Helferkosten erfolgen, da die Verfahren im Eigeninteresse liegen. In der Konsequenz sollte auch die kostenlose Tätigkeit der Verwaltung beim freiwilligen Land- und Nutzungstausch auf den Prüfstand gestellt werden.
Die geplante Verlagerung des ALE von Regensburg nach Tirschenreuth wird erheblich teurer als bisher angenommen. Dies sollte bei der endgültigen Entscheidung berücksichtigt werden. Vorher sollten keine kostenwirksamen Maßnahmen erfolgen.
3) Auswertung der Internetportale: www.regensburg-immobilien.de, www.deteimmobilien.de,www.immowelt.de, www.immobilienscout24.de (Stand: August 2008).
4) Die 30.000 km pro Tag werden lediglich in der ersten Zeit nach dem Umzug zurückgelegt. Danach wird sich die Anzahl der Beschäftigten aufgrund der Altersteilzeitregelung und der Versetzungen in den Ruhestand und damit auch die zurückzulegenden Fahrtstrecken sukzessive verringern.
5) Vergleichsberechnungen auf der Grundlage von Beispielen des Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz.