TNr. 28: Neubau des Museums Brandhorst

28.1 Ausgangslage
Nach einem Architektenwettbewerb für das Museumsareal an der Gabelsberger-/Türkenstraße wurde in den Jahren 1996 bis 2002 der 1. Bauabschnitt (BA) der Pinakothek der Moderne (PDM) in München errichtet. Ein 2. BA für die Graphische Sammlung und für weitere Räume der PDM sollte folgen. Für diesen waren 51,1 Mio. € im Haushalt vorgesehen.Zur gleichen Zeit fanden Verhandlungen zwischen dem Freistaat, dem Kunstsammler Udo Brandhorst und der Stiftung Brandhorst statt. 1999 wurde vertraglich vereinbart, die Sammlung Brandhorst dem Freistaat als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen bzw. diese teilweise zu übereignen. Im Gegenzug sollte der Freistaat u. a. dafür Sorge tragen, dass die Sammlung in einem Museumsgebäude einvernehmlich mit dem Stifter in der Nähe der Pinakotheken untergebracht wird. Der Plan, das Museum Brandhorst im Rahmen des 2 BA der PDM zusammen mit der Graphischen Sammlung zu errichten, wurde jedoch verworfen. Vielmehr sollte auf Drängen des Stifters auf einem benachbarten Grundstück mit einem besonders renommierten Architekten eine andere Lösung für den Neubau gefunden werden. Dazu lobte der Freistaat 2002 einen neuen Architektenwettbewerb aus, basierend auf den Erfahrungen beim Neubau der PDM mit der Vorgabe, ein Museum für 35 Mio. € zu errichten.
Die Oberste Baubehörde (OBB) setzte schließlich im März 2004 die Gesamtkosten bei einer Hauptnutzfläche von 5.318 m² auf 46 Mio. € fest. Der im Oktober 2007 von der OBB festgesetzte und vom Landtag genehmigte Nachtrag zur Haushaltsunterlage-Bau (HU-Bau) schließt mit Gesamtkosten von 48,15 Mio. € für das Museum Brandhorst ab. Eine Schlussabrechnung der Baumaßnahme liegt noch nicht vor. Der derzeitige Ausgabenstand beträgt 46 Mio. €.
Die Baumaßnahme wird nach Aussage der Bauverwaltung innerhalb des genehmigten Kostenrahmens abgerechnet werden. Der HU-Bau wurde damit Genüge getan. Gegenüber den ursprünglich angenommenen Kosten von 35 Mio. € haben folgende Punkte zu höheren Kosten geführt:
- Die geänderte Grundstückswahl,
- die Entscheidung für ein Tageslichtmuseum,
- eine Flächenmehrung,
- Planungsänderungen und zusätzliche Wünsche,
- Beschleunigungs- und Winterbaumaßnahmen,
- Mängel, Bauzeitverlängerungen, Terminverschiebungen und
- indexbedingte Kostensteigerungen.
28.2 Feststellungen
28.2.1 Entscheidung für ein Tageslichtmuseum
Obwohl der Staatsgemäldesammlung bekannt war, dass bei der Alten Pinakothek, bei der Neuen Pinakothek und bei der PDM die Regelungstechnik für eine natürliche Tagesbelichtung nicht funktionierte (und auch heute noch nicht funktioniert), forderte sie in einer Baukommissionssitzung[1] in 2003 erneut ein Tageslichtmuseum:"Bei den Münchner Museen der staatlichen Gemäldesammlungen gibt es eine sehr lange Tradition außerordentlich guter natürlicher Belichtung. Sie beginnt bei der alten Pinakothek und endet derzeit mit der Pinakothek der Moderne. Auch für den Neubau des Museums Brandhorst ist deshalb die beste Lösung gerade gut genug. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, das Ziel einer natürlichen Belichtung der Ausstellungsräume zu erreichen."
Das Museum Brandhorst wurde daher ebenfalls als Tageslichtmuseum errichtet. Auf eine Gegenüberstellung der Kosten mit einem Kunstlichtmuseum und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung wurde verzichtet. Aufgrund der unterschiedlichen Verfügbarkeit des Tageslichts je nach Jahres- und Tageszeit ist eine Anlage zur Beeinflussung des Tageslichts erforderlich. Die Anlage muss zudem gewährleisten, dass die Schwankungen des Tageslichts weitgehend ausgeschlossen werden und das einfallende Licht[2] optimal verteilt wird. Hierfür sind aufwendige Konstruktionen mit erhöhten Herstellungskosten erforderlich, wie z. B. ein Glasdach und die sog. Lamellenanlage. Der Betrieb ist aufwendiger und verursacht zudem erhöhte Energiekosten: Im Winter muss eine Kondensatbildung an den Glasflächen u. a. durch Beheizung vermieden werden; im Sommer muss die einfallende Sonnenwärme durch einen erhöhten Luftwechsel wieder abgeführt werden. Auch die Unterhaltskosten sind überdurchschnittlich hoch (z. B. Wartung der Anlage und jährlich mehrmalige Reinigung des Glasdaches).
28.2.2 Steuerung des Tageslichts
Nach Eröffnung des Museums 2009 wurden bei der Regelung der natürlichen Belichtung Fehlfunktionen festgestellt:- Die Lamellen zur Beschattung werden über Stellmotoren geregelt. Diese Motoren laufen für die Regelung zu schnell. Dies führt zu einer Übersteuerung und zu einer fehlerhaften Anpassung der Verschattung und damit auch zu einer ungenügenden natürlichen Belichtung.
- Die Sensoren zur Messung der Beleuchtungsstärke bewerten das Tages- und Kunstlicht unterschiedlich und erkennen die Lage der zu steuernden Lamellen nicht. Außerdem schaltet sich die Kunstlichtsteuerung auch dann ein, wenn genügend Tageslicht zur Verfügung steht.
- Eine Feineinstellung der Lamellen in den Erdgeschossräumen mit Seitenlichteintrag ist aufgrund der Konstruktion der Antriebe nicht möglich. Unerwünschte Licht- und Schattenschlieren an den Wänden dieser Ausstellungsräume könnten nur durch andere oder zusätzliche Diffusoren beseitigt werden. Dadurch würde aber die Tageslichtausbeute sinken.
- Die Lamellen in den Oberlichträumen verursachen konstruktionsbedingt störende, flatternde Geräusche.
Zur Beseitigung der Fehlfunktionen wurde zwischenzeitlich bei zwei Räumen im Obergeschoss die Steuerung ertüchtigt. Diese Ertüchtigung soll auch bei den anderen Räumen erfolgen. Die geschätzten Mehrkosten hierfür beziffert die Verwaltung auf etwa 330.000 €. Für die Räume im Erdgeschoss lag zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen noch kein zufriedenstellendes Lösungskonzept vor.
28.2.3 Bauteilaktivierung
Zum Schutz der Ausstellungsstücke müssen in einem Museum besondere klimatische Anforderungen eingehalten werden. Die Bauteilaktivierung (BTA) soll eine gleichmäßige Temperatur und Feuchte bei möglichst geringem Energieverbrauch sicherstellen. Die Grundidee liegt darin, das Raumklima nicht nur über die Zuluft, sondern auch zu einem Teil über die Raumflächen zu regeln. Hierfür wurden Wand- und Bodenflächen mit Rohrleitungen versehen, die mit temperiertem Wasser durchspült werden.Durch die regelungstechnische Vorgabe, die BTA 2 Grad unter der Raumsolltemperatur zu betreiben, kommt es allerdings grundsätzlich zu einem erhöhten Energieverbrauch, weil die BTA kühlt und die Lüftung gleichzeitig heizt. Dies wurde schon in einem Gutachten[3] zur HU-Bau festgestellt. Nach einer Aufstellung der Bauverwaltung lagen die durchschnittlichen Energiekosten von 2009 bis 2011 mindestens 21% über den planerischen Angaben in der HU-Bau. Die prognostizierte Energiekosteneinsparung gegenüber einer herkömmlichen Klimatisierung mit einer reinen Klimaanlage wurde nicht erreicht.
Der ORH stellte zudem fest, dass zu Beginn der Prüfung nach Inbetriebnahme des Museums die BTA zum größten Teil nicht in Betrieb war. Eine anschließende Überprüfung des planenden Ingenieurbüros ergab, dass von 41 BTA-Kreisen nur 3 bestimmungsgemäß in Funktion und von rd. 600 Kleinstellantrieben knapp 100 defekt waren. Nach Behebung der Mängel wurden bei erneuter Begehung wieder defekte Kleinstellantriebe festgestellt. Derartige Ausfälle waren und sind jedoch für den Betreiber aufgrund der Anlagenkonstellation durch zu geringe Einbindung in die Gebäudeleittechnik nicht erkennbar. Auch sind bereits erste Leckagen aufgetreten; die betroffenen BTA-Kreise wurden stillgelegt.
28.2.4 Planung, Ausschreibung und Ausführung
Bei verschiedenen Gewerken wurden Mängel festgestellt, wie z. B. gerissene Plattenbeläge, schlecht verlegte Holzböden, verschmutzte Lichtdecken, Undichtigkeiten des Glasdachs oder korrodierte Rohrleitungen.Bei 40 Bauaufträgen sind 255 Nachträge angefallen. Wesentliche Ursachen waren unausgereifte Planungen und Ausschreibungen sowie Ausführungsmängel. Die Leistungen wurden in den Leistungsverzeichnissen unzureichend oder unvollständig beschrieben. Zum Teil wurden Ausschreibungen - um vermeintliche Kostensicherheit zu erhalten - sehr früh durchgeführt, obwohl noch keine Planungssicherheit bestand. Es gab Koordinierungsdefizite bei den Gewerken, gestörte Bauabläufe und enge Terminvorgaben ohne Zwänge. Mängelrügen erfolgten oftmals erst sehr spät, z. B. wenn Leistungen bereits fertig erstellt waren. Bei der Bauabnahme wurden allein beim Rohbau rd. 800 Mängel gelistet.
28.3 Würdigung
Der ORH ist der Auffassung, dass viele der genannten Mängel durch eine sorgfältigere Planung und Bauleitung seitens der eingeschalteten Büros hätten vermieden werden können. Bei einzelnen Gewerken hätte aufgrund der erkennbar gravierend mangelhaften Leistung eine Abnahme nicht erfolgen dürfen.Etliche Mängel, z. B. an den Bodenbelägen, sind bis heute nicht behoben. Eine Beseitigung dieser Mängel ist z. T. gar nicht möglich oder zumindest nicht, ohne den Betrieb des Museums erheblich zu stören.
Die BTA zeigte sich im Betrieb energieaufwendig und konservatorisch nachteilig. Das Ziel, ein besonders energiesparendes Museum zu errichten, wurde nicht erreicht. Der ORH hat der Bauverwaltung zur Verbesserung vorgeschlagen, die BTA ohne Abweichung von der Raumtemperatur und mit gleitender Sollwertvorgabe zu betreiben. Dies würde den konservatorischen Vorgaben für die ausgestellten Kunstobjekte näherkommen und zu einem deutlich geringeren Energieverbrauch beitragen.
Auch fünf Jahre nach der Eröffnung des Museums funktioniert die Tageslichtsteuerung noch nicht ordnungsgemäß. Die Komplexität des Gesamtsystems Tages- und Kunstlichtsteuerung hat sich als nur schwer beherrschbar erwiesen. Für die Ertüchtigung der Anlage fällt ein erheblicher finanzieller und auch personeller Mehraufwand an; u. U. muss der Nutzer auch funktionelle Einbußen der Anlage in Kauf nehmen.
Der ORH schätzt die Mehrkosten für den zusätzlichen umbauten Raum, die Glasflächen, die Einbruchs- und Durchbruchsüberwachung der verglasten Flächen, den Mehraufwand für Kühlung und Kondensatvermeidung sowie die aufwendige Verschattungs- und Regelungstechnik auf rd. 5,3 Mio. €. Dies entspricht Mehrkosten von 1.600€/m2 Ausstellungsfläche bei der Errichtung, zuzüglich der späteren Instandhaltungs- und Betriebskosten. Die Nutzung des Tageslichts wird niemals zur Wirtschaftlichkeit beitragen. Die aus künstlerischer Sicht gewünschte "Lebendigkeit des Tageslichts" kann die meiste Zeit nicht wahrgenommen werden, weil die strengen konservatorischen Anforderungen es notwendig machen, die Kunstgegenstände vor zu hohen Beleuchtungsstärken zu schützen. Die Schwankungen des Tageslichts werden deshalb weggeregelt. Der ORH fordert, künftig auf den Bau von teuren Tageslichtmuseen mit derart komplizierter Technik zu verzichten.
28.4 Stellungnahme der Verwaltung und sonstiger Beteiligter
Zu den Feststellungen des ORH nahmen die OBB, das Wissenschaftsministerium, das verantwortliche Architekturbüro und die Stiftung Brandhorst Stellung.Das Ministerium, die Stiftung Brandhorst und der Architekt des Museums weisen darauf hin, dass es sich bei der Errichtung des Museums für die Sammlung Brandhorst um eine Erfolgsgeschichte handele. Ob ein Museum mit Kunstlicht oder mit Tageslicht ausgestattet werden soll, könne sich nach Meinung des Kunstministeriums nicht allein am Kostenkriterium orientieren. Das Architekturbüro weist darauf hin, dass es aufgrund der Vorgabe, ein Tageslichtmuseum zu bauen, nicht darauf ankomme, welche Kosten der Bau eines Kunstlichtmuseums verursache. Maßgeblich zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit sei vielmehr ein Vergleich mit anderen Tageslichtmuseen. Hinsichtlich der festgestellten Mängel führt die Bauverwaltung aus, dass die Tageslichtsteuerung im Obergeschoss grundsätzlich betriebsfähig sei. Im Erdgeschoss seien dagegen noch Anstrengungen erforderlich. Beispielsweise müssten bei den Seitenlichtanlagen die vorhandenen Antriebe erneuert werden. Dies sei aber sehr schwierig, weil geeignete Antriebe erst entwickelt werden müssten. Eine Markteinführung stehe noch aus.
Die Bauverwaltung weist darauf hin, dass einer Auftragssumme von 40,8 Mio. € Nachträge in Höhe von 2,9 Mio. € gegenüberstehen. Der Anteil der Nachträge sei mit 7,1% üblich. Dass bei der Bauabnahme 800 Mängel gelistet worden seien, zeige, dass die Bauleitung gewissenhaft gearbeitet habe.
Die Bauverwaltung ist der Auffassung, dass die Anlage zur Bauteilaktivierung "bis heute absolut dicht" sei. Die Herausnahme einzelner Kreise sei vernachlässigbar und beeinträchtige nicht die Funktion. Der Anlagenbetriebspunkt, bei dem sich die BTA im "Kühlbetrieb" befinde und zeitgleich die Lüftungsanlage Wärmeenergie in den Raum einbringe, sei prinzipiell richtig und notwendig. Zwischenzeitlich seien einzelne Hinweise des ORH aufgegriffen und entsprechende Reparatur- und Anpassungsarbeiten durchgeführt worden. Weitere Anpassungen der Anlage seien nicht notwendig. Das oberste Ziel der Entwurfsplanung sei die Minimierung der Energieverbräuche bei Einhaltung der Klimakonstanz gewesen. Die Einhaltung der engen Toleranzwerte für Raumtemperatur und relative Feuchte bei möglichst einfachem Anlagenaufbau und leichter Regelbarkeit der Anlagen sei auch ein Ziel gewesen. Durch die Kombination von Raumlufttechnischen Anlagen und BTA könnten die Technikflächen reduziert und der Aufwand an Investitions- und Betriebskosten minimiert werden. Die BTA sei nach den Ergebnissen einer Simulationsberechnung ausgelegt. Die um 20% gegenüber der Prognose höheren tatsächlichen Energieverbräuche rührten von der Betriebsweise des Gebäudes her, die von der Planung abweiche.
Zu den vom ORH festgestellten Mängeln teilt die Bauverwaltung mit, dass die Mängel im Rohbau beseitigt worden seien. Es seien lediglich optische Beeinträchtigungen verblieben, die sich im untergeordneten Bereich bewegten. Bei den übrigen Gewerken bewege sich die Anzahl der Mängel im üblichen Rahmen.
28.5 Schlussbemerkung
Wie schon beim Bau der PDM sind auch beim Museum Brandhorst Mängel im Bereich der Planung und Ausführung aufgetreten.
Durch eine sorgfältigere Planung und konsequentere Bauüberwachung hätten viele Nachträge vermieden, Baumängel nicht nur aufgedeckt, sondern zum großen Teil bereits in ihrer Entstehung verhindert werden können.
Die Regulierung der natürlichen Belichtung der Ausstellungsräume und die Minimierung der Energieverbräuche werden bislang trotz der höheren Kosten nicht erreicht. Diese Mängel sind baldmöglichst zu beheben.
Das Gebot der Wirtschaftlichkeit nach Art. 7 BayHO gilt auch für den Bau und den Betrieb von Museen. Deshalb fordert der ORH auch angesichts der Erfahrungen bei anderen Museen und der hohen Kosten, zukünftig auf besonders störanfällige Systeme wie die Tageslichtsteuerung zu verzichten.
[1] 2. Sitzung der Projektkommission am 22.05.2003.
[2] Physikalisch exakt: Der Lichtstrom.
[3] "Vor allem nachts, wenn die Last der Personen sowie die Sonnenenergie nicht auftreten, kühlt die BTA, während die Zuluft die Raumluft zum Halten der Vorgabe erwärmt."