TNr. 26: Staatliche Zweigmuseen und Zweiggalerien

Im Vergleich zur Prüfung des ORH aus dem Jahr 2002 hat sich die Situation der staatlichen Zweigmuseen und -galerien teilweise deutlich verschlechtert. Das Kunstministerium hat dem Landtag gegenüber zugesagte Maßnahmen nicht umgesetzt. Der ORH fordert, zeitnah ein zukunftsfähiges Museumskonzept zu erstellen, das auch eine Verringerung der Museumseinrichtungen nicht ausschließt.
26.1 Vorbemerkung
Hauptziel der Bayerischen Museumsentwicklungsprogramme der Staatsregierung von 1979 und 1990 war, Museumsbesitz überall in Bayern zugänglich zu machen und neue Museen zu errichten. In der Folge wurden insgesamt 49 Zweigmuseen bzw. ‑galerien als "Außenstellen" der Staatlichen Museen und Sammlungen gegründet oder neu ausgerichtet. Zwischenzeitlich wurden 11 Zweigmuseen aufgelöst. Aktuell verbleiben noch 38 Einrichtungen. 17 sind in Objekten der Schlösserverwaltung untergebracht, 21 befinden sich überwiegend in historischen Gebäuden kommunaler Gebietskörperschaften.
26.2 Prüfung 2002
Für die Errichtung staatlicher Zweigmuseen und ‑galerien wurden seit 1979 über 60 Mio. € für die Instandsetzung, Einrichtung und Ausstattung aufgewendet. Die Zweigmuseen und -galerien wurden vom ORH letztmals 2002 geprüft.[1] Zentrale Forderung war, ihre Attraktivität und damit die Besucherzahlen zu erhöhen. Dazu sollten vorrangig die Verhältnisse der bestehenden Einrichtungen verbessert werden. Die Schaffung neuer Zweigmuseen sollte auf die in der Planung bereits weit fortgeschrittenen Projekte beschränkt werden.
Der ORH hat dazu eine Reihe von Anregungen gegeben, gegen die das Kunstministerium keine Einwände erhoben hat. Auf einen entsprechenden Beschluss des Landtags[2] hat das Ministerium die weitgehende Umsetzung der Empfehlungen des ORH zugesagt.
Schwerpunkte der Follow-up-Prüfung 2010 des ORH waren die aktuelle Situation der staatlichen Zweigmuseen und ‑galerien sowie die Umsetzung der vom ORH in der letzten Prüfung vorgeschlagenen Maßnahmen.
26.3 Aktuelle Situation der Zweigmuseen
Nach der Besucherstatistik 2009 verzeichneten die staatlichen Zweigmuseen und ‑galerien 1,35 Millionen Museumsbesucher, d. h. durchschnittlich rd. 35.000 Besucher pro Zweigmuseum.
Allerdings entfielen 55 % der Besucherzahlen auf drei Einrichtungen, in denen sich auch Zweigmuseen befinden:Würzburger Residenz (rd. 475.000), Freilandmuseum Bad Windsheim (rd. 185.000) und Burg Burghausen(rd. 73.000). Bei diesen Einrichtungen erfolgte jedoch keine Trennung nach Zweigmuseum und Gesamtobjekt. Jeder Besucher z. B. der Residenz wurde auch als Besucher des Zweigmuseums gezählt. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass das Hauptinteresse der Besucher nicht den staatlichen Zweigmuseen bzw. ‑galerien galt. Die Besucherstatistik sagt daher insoweit nichts über die wirkliche Attraktivität der Zweigmuseen aus.
Der Besucherzuspruch bei den übrigen Einrichtungen war sehr unterschiedlich. Die in den vergangenen Jahren neu eröffneten Museen (z. B. Archäologie-Museum in Forchheim, Kunst- und Wunderkammer Burg Trausnitzin Landshut) erwiesen sich als sehr attraktiv und wiesen stabile Besucherzahlen auf. Bei 15 staatlichen Zweigmuseen blieb im Jahr 2009 die Besucherzahl allerdings z. T. weit unter 10.000. Den Minusrekord von 1.192 Besuchern verzeichnete dabei das Archäologische Museum der Oberpfalz in Amberg (Zweigmuseum der Archäologischen Staatssammlung).
Die bei der Mehrzahl der Zweigmuseen niedrigen Besucherzahlen sind in den letzten zehn Jahren weiter deutlich gesunken. Sie stehen mit den daraus erwirtschafteten Einnahmen im Missverhältnis zu den laufenden Ausgaben. In Zeiten knapper Gelder sehen sich die Bayerische Schlösserverwaltung, aber auch die kommunalen Eigentümer der Gebäude immer weniger in der Lage, den Unterhalt und die Personalkosten (Aufsichts- und Kassenpersonal) zu tragen. Seit 1997 wurden bereits elf Zweigmuseen geschlossen. Weitere Schließungen aus wirtschaftlichen Gründen sind ein realistisches Szenario.
26.4 Bewertung ORH
Die Zusagen des Kunstministeriums gegenüber dem Landtag wurden lediglich insoweit eingehalten, als nur noch die in der Planung schon weit fortgeschrittenen Projekte realisiert wurden. Die übrigen vom ORH vorgeschlagenen Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität wurden de facto nicht umgesetzt:
- Die vom Ministerium angekündigte Neuorganisation der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen mit dem Ziel, dass diese auch die staatlichen Zweigmuseen mitbetreut, blieb aus.
- Die museumspädagogische Betreuung der Zweiggalerien ist weiterhin mangelhaft.
- Das Marketing für die staatlichen Zweigmuseen hat sich nicht verbessert.
- Es ist bislang auch nicht gelungen, Zweigmuseen mit den örtlichen Museen unterschiedlicher Trägerschaft in regionale Werbemaßnahmen einzubinden.
- Verstärkte Anstrengungen für Wechsel- und Sonderausstellungen waren nicht erkennbar.
- Eine stärkere örtliche Verankerung der Zweigmuseen wurde bisher nicht erreicht.
Die Situation der Zweigmuseen hat sich gegenüber der Prüfung 2002 teilweise deutlich verschlechtert. Das Ministerium konzentrierte sich auf die Neueröffnungen. Bei den bestehenden Einrichtungen ist wenig geschehen. Sie wurden weitgehend vernachlässigt und sind daher teilweise in konzeptioneller Hinsicht völlig überaltert, baulich und konservatorisch ungenügend betreut und somit für das Publikum unattraktiv. Dies spiegelt sich auch in den Besucherzahlen wider.
26.5 Empfehlungen ORH
Das Kunstministerium sollte endlich die bereits vor Jahren zugesagten Maßnahmen kurzfristig umsetzen:
- Die fachliche, konservatorische und restauratorische Betreuung durch die Stammhäuser sollte deutlich intensiviert werden.
- Ausstellungskonzepte sollten vor allem hinsichtlich zeitgemäßer didaktischer Methoden und Technik überarbeitet und Möglichkeiten für Wechselausstellungen geschaffen werden. Diese müssten so konzipiert sein, dass sie möglichst in vielen Zweigmuseen temporär gezeigt werden können. Hierzu sind besonders auch die Staatlichen Museen und Sammlungen einzubeziehen, die keine eigenen Zweigmuseen zu betreuen haben.
- Zur öffentlichen Wahrnehmung der Zweigeinrichtungen ist es erforderlich, ein attraktives Umfeld für die Besucher zu schaffen. Die kommunalen Träger sollten hier deutlich stärker als bisher eingebunden werden. Ebenso ist die örtliche Verankerung (z. B. durch Gründung von Freundes‑ und Förderkreisen oder partnerschaftliche Modelle mit anderen Museen vor Ort) zu stärken.
- Die Einbeziehung insbesondere des Museumspädagogischen Zentrums in die museumspädagogische Betreuung sollte weiter ausgebaut werden. Damit ließen sich auch neue Besucherkreise und Zielgruppen für Museumsbesuche erschließen.
Mit der Eröffnung des Zweigmuseums in Ingolstadt sollte im Übrigen das Museumsentwicklungsprogramm des Freistaates endgültig abgeschlossen werden. Statt weiterer Neuplanungen hält es der ORH vielmehr für erforderlich, im Rahmen eines Museumssanierungsplans die zukunftsfähigen Zweigmuseen attraktiver zu gestalten und mittelfristig auch eine Verringerung der staatlichen Zweigeinrichtungen anzustreben. Der ORH hat dem Kunstministerium konkrete Vorschläge für Schließungen unterbreitet. Basis der Entscheidungen sollten kulturpolitische und wirtschaftliche Aspekte sowie auch das Engagement der Museumsträger vor Ort sein.
Durch eine Konzentration der vorhandenen Kräfte und Mittel auf weniger Museen könnte der Museumsstandort Bayern sogar gewinnen.
26.6 Stellungnahme des Kunstministeriums
Das Ministerium bestätigt, dass die vom ORH im Jahresbericht 2003 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Zweigmuseen nicht in grundlegender Form umgesetzt wurden. Dazu wären auch zusätzliche Haushaltsmittel erforderlich gewesen, die nicht zur Verfügung gestanden hätten. Ebenso sei es zutreffend, dass die Besucherzahlen in Würzburg, Bad Windsheim und Burghausen nicht korrekt ermittelt werden können.
Zu den Empfehlungen des ORH führt das Kunstministerium aus:
- Die Errichtung weiterer Zweigmuseen sei nicht in Planung. Die vom ORH vorgeschlagene Schließung weiterer Museen würde mit den kommunalen Trägern geprüft, und bei deren Einverständnis spräche nichts gegen eine Schließung.
- Die Intensivierung der Betreuung durch die Stammhäuser wäre wünschenswert, sei aber angesichts der Ausstattung der Stammhäuser mit Personal und Mitteln nicht in grundlegender Form zu realisieren. Eine stärkere Mitverantwortung der kommunalen Träger mit einem entsprechend größeren eigenen fachlichen Spielraum sei Erfolg versprechender.
- Die Mitbetreuung der staatlichen Zweigmuseen durch die Landesstelle erfordere keine grundlegende behördliche Umstrukturierung und könne innerhalb der bestehenden Struktur geleistet werden. Die Landesstelle für die Museen sei bereits als Servicestelle des Freistaates in den Fällen tätig, in denen sie durch die jeweiligen Museen in Anspruch genommen würde.
- Das Museumspädagogische Zentrum sähe sich personell zur verstärkten Betreuung in der Lage, habe aber bislang nicht über einen hinlänglichen Reisekostenetat verfügt. Das Ministerium werde sich bemühen, hier künftig mehr Mittel zur Verfügung zu stellen.
- Die grundlegende Überarbeitung der überalterten Zweigmuseen solle demnächst in der Staatsgalerie der Neuen Residenz Bamberg und im Römermuseum Weißenburg beginnen. Eine weitergehende Planung sei aufgrund der aktuellen Haushaltslage schwierig.
- Die vom ORH geforderte stärkere örtliche Verankerung sei notwendig, allerdings staatlicherseits i. d. R. nicht direkt zu beeinflussen. Hier sei beabsichtigt, in Einzelfällen neue vertragliche Grundlagen zu schaffen.
- Die Konzeption von flexibel einsetzbaren Wechselausstellungen würde den Staatlichen Museen ausdrücklich nahegelegt.
26.7 Schlussbermerkung ORH
Die Situation der staatlichen Zweigmuseen und -galerien hat sich seit 2002 nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert. Das Kunstministerium hat von den gegenüber dem Landtag gegebenen Zusagen praktisch nichts umgesetzt. Nicht einmal einfachste Maßnahmen, wie z. B. die Erhöhung des Reisekostenetats des Museumspädagogischen Zentrums wurden realisiert.
Ein "Weiter so!" ist aus Sicht des ORH nicht akzeptabel. Das Kunstministerium sollte daher endlich ein zukunftsfähiges Konzept für die staatlichen Zweigmuseen und -galerien vorlegen, das auch eine Verringerung der Museumseinrichtungen nicht ausschließt.