TNr. 38: Umsatzsteuer bei Ärzten - vom Finanzamt oft nicht geprüft

Bei Ärzten wird die umsatzsteuerliche Unterscheidung zwischen steuerpflichtigen Leistungen und steuerfreier Heilbehandlung von den Finanzämtern nicht ausreichend geprüft. Der ORH fordert, die Mängel abzustellen.
Der ORH hat 2015 in sechs Finanzämtern die Besteuerung von Ärzten geprüft. Dabei hat er auch die Umsatzbesteuerung bei 265 Zahnärzten untersucht.
Das Leistungsspektrum der Ärzte hat sich jedoch in den vergangenen Jahren erweitert. Zunehmend werden Leistungen von Ärzten angeboten und auch im Internet beworben, die keine Heilbehandlungen und daher definitiv umsatzsteuerpflichtig sind. Darunter können z. B. individuelle Gesundheitsleistungen, Schönheitsoperationen oder reine Wellnessangebote fallen. Zahnärzte erbringen mit ihren Laborleistungen bei der Herstellung von Zahnprothesen umsatzsteuerpflichtige Leistungen.[1] Dentalschmuck und Sportzahnschutz sind ebenfalls umsatzsteuerpflichtig, wie i. d. R. auch kosmetische Zahnaufhellung (sog. Bleaching, Zahnsolarium).
Unternehmer können Umsatzsteuerbeträge, die ihnen von anderen Unternehmern für erhaltene Leistungen in Rechnung gestellt werden, als Vorsteuer vom FA zurückfordern. Ein Arzt darf nur die Vorsteuern erstattet bekommen, die unmittelbar mit steuerpflichtigen Leistungen, etwa der Herstellung und Reparatur von Zahnersatz, in Zusammenhang stehen. Für steuerfreie Heilbehandlungen erhalten Ärzte dagegen keine Vorsteuern vom FA zurück.
38.2 Feststellungen
104 der 265 Zahnärzte hatten kein eigenes Zahnlabor, in 64 Fällen war dem FA nicht bekannt, ob ein Zahnlabor betrieben wurde. In 97 Fällen (36,6%) wusste das FA, dass der Zahnarzt ein Eigenlabor betrieb und dadurch steuerpflichtige Umsätze erzielte. Allerdings wurden nur 83 dieser Zahnärzte auch umsatzsteuerveranlagt. In 14 Fällen (jedem siebten) erfolgte keine Umsatzsteuerveranlagung.
Auch die Höhe der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze wurde selten auf Plausibilität geprüft, wie folgendes Beispiel zeigt: Ein Zahnarzt (selbst Zahntechnikermeister) betrieb ein eigenes Zahnlabor mit zwei angestellten Zahntechnikerinnen. Erklärt wurden jährlich 6.000 bis 8.000 € umsatzsteuerpflichtige Einnahmen. Die Gründe für die geringen Umsätze wurden nicht hinterfragt.
Beispiel: Ein Zahnarzt setzte im Zusammenhang mit seinen Laborleistungen Betriebsausgaben von 45.000 € ab. Er erklärte lediglich 3.000 € umsatzsteuerpflichtige Einnahmen aus Laborleistungen. Eine Erklärung zur Aufteilung in abzugsfähige und nicht abzugsfähige Vorsteuern fehlte. Rückfragen waren nicht dokumentiert.
Bei der Auswertung von 130 Betriebsprüfungsfällen im Gesundheitsbereich wurde in 75 Fällen (57%) die Umsatzsteuer nicht in die Prüfungsanordnung aufgenommen. Nur in 18 Fällen (13,8%) erfolgten überhaupt Feststellungen zur Umsatzsteuer. Meist handelte es sich um Folgewirkungen aus Feststellungen zur Ertragsteuer.
Eine (ausreichende) Dokumentation zur Vollständigkeit der Umsätze konnte meist nicht gefunden werden. Selbst Meldungen der Veranlagungsstellen zum Goldkauf mit der Bitte um Prüfung wurden im Rahmen der Betriebsprüfung nicht aufgegriffen. In den Unterlagen der Betriebsprüfung waren Vermerke wie "Arzt ► keine USt" erkennbar.
Offensichtlich umsatzsteuerpflichtige Angebote im Internet führten mangels Prüfung der Umsatzsteuer nicht zu Steuerfestsetzungen. Internetrecherchen wurden nicht routinemäßig durchgeführt und als Informationsquelle genutzt. Umsatzsteuerpflichtige Leistungen blieben deshalb unversteuert.
Die Steuerverwaltung sollte verstärkt auf der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung bestehen. Die Aufforderung zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen ist nach Ansicht des ORH auch ein geeigneter Weg, die Ärzte selbst für die Umsatzsteuer zu sensibilisieren. Im Übrigen sollte geprüft werden, ob in den ersten Jahren einer unternehmerischen Tätigkeit zwingend eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung anzufordern wäre.
Die Umsatzsteuer findet in der Betriebsprüfung keine ausreichende Beachtung. Internetrecherchen sollten routinemäßig durchgeführt und verstärkt als Informationsquelle genutzt werden. Die Betriebsprüfung muss ihre Prüfungstätigkeit bei der Umsatzsteuer verbessern. Verstärkt geprüft werden sollte auch in dem derzeit prüfungsfreien Bereich der Abgrenzung zwischen steuerfreien Heilbehandlungen und steuerpflichtigen Umsätzen (z. B. für Prothetik).
Die Anregungen des ORH zur Internetrecherche würden in einen Leitfaden für die Betriebsprüfung von Heilberufen aufgenommen. Über umsatzsteuerlich relevante Feststellungen solle der Innendienst im Wege von Kontrollmitteilungen informiert werden. Die Umsatzsteuer-Sonderprüfungsdienste seien bei Dienstbesprechungen über diese Problematik informiert, dafür sensibilisiert und in die Analyse der Steuerausfallrisiken eingebunden worden.
In der nächsten Aktualisierung des Leitfadens zur Umsatzsteuerbefreiung für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin würden die Prothetik-Umsätze berücksichtigt.
38.1 Ausgangslage
Jeder Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist grundsätzlich verpflichtet, eine Umsatzsteuererklärung elektronisch beim FA einzureichen. Ärzte erbringen bei rein ärztlichen Behandlungen umsatzsteuerfreie Leistungen. In diesen Fällen verzichtet die Finanzverwaltung auf die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen.Das Leistungsspektrum der Ärzte hat sich jedoch in den vergangenen Jahren erweitert. Zunehmend werden Leistungen von Ärzten angeboten und auch im Internet beworben, die keine Heilbehandlungen und daher definitiv umsatzsteuerpflichtig sind. Darunter können z. B. individuelle Gesundheitsleistungen, Schönheitsoperationen oder reine Wellnessangebote fallen. Zahnärzte erbringen mit ihren Laborleistungen bei der Herstellung von Zahnprothesen umsatzsteuerpflichtige Leistungen.[1] Dentalschmuck und Sportzahnschutz sind ebenfalls umsatzsteuerpflichtig, wie i. d. R. auch kosmetische Zahnaufhellung (sog. Bleaching, Zahnsolarium).
Unternehmer können Umsatzsteuerbeträge, die ihnen von anderen Unternehmern für erhaltene Leistungen in Rechnung gestellt werden, als Vorsteuer vom FA zurückfordern. Ein Arzt darf nur die Vorsteuern erstattet bekommen, die unmittelbar mit steuerpflichtigen Leistungen, etwa der Herstellung und Reparatur von Zahnersatz, in Zusammenhang stehen. Für steuerfreie Heilbehandlungen erhalten Ärzte dagegen keine Vorsteuern vom FA zurück.
38.2 Feststellungen
38.2.1 Fehlende Erklärungen und Steuerfestsetzungen
Nur 129 der 265 Zahnärzte wurden zur Umsatzsteuer veranlagt. Die Abgabe einer Umsatzsteuererklärung wurde vom FA von den restlichen 136 nicht zur Umsatzsteuer veranlagten Zahnärzten nicht angefordert bzw. nicht überwacht. Soweit keine Erklärungen vorlagen, griff auch kein Risikomanagement.104 der 265 Zahnärzte hatten kein eigenes Zahnlabor, in 64 Fällen war dem FA nicht bekannt, ob ein Zahnlabor betrieben wurde. In 97 Fällen (36,6%) wusste das FA, dass der Zahnarzt ein Eigenlabor betrieb und dadurch steuerpflichtige Umsätze erzielte. Allerdings wurden nur 83 dieser Zahnärzte auch umsatzsteuerveranlagt. In 14 Fällen (jedem siebten) erfolgte keine Umsatzsteuerveranlagung.
Auch die Höhe der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze wurde selten auf Plausibilität geprüft, wie folgendes Beispiel zeigt: Ein Zahnarzt (selbst Zahntechnikermeister) betrieb ein eigenes Zahnlabor mit zwei angestellten Zahntechnikerinnen. Erklärt wurden jährlich 6.000 bis 8.000 € umsatzsteuerpflichtige Einnahmen. Die Gründe für die geringen Umsätze wurden nicht hinterfragt.
38.2.2 Vorsteueraufteilung
Von den 83 zur Umsatzsteuer veranlagten Zahnärzten mit Eigenlabor war in 2/3 dieser Fälle nicht erkennbar, wie die beantragte und erstattete Vorsteuer ermittelt wurde.Beispiel: Ein Zahnarzt setzte im Zusammenhang mit seinen Laborleistungen Betriebsausgaben von 45.000 € ab. Er erklärte lediglich 3.000 € umsatzsteuerpflichtige Einnahmen aus Laborleistungen. Eine Erklärung zur Aufteilung in abzugsfähige und nicht abzugsfähige Vorsteuern fehlte. Rückfragen waren nicht dokumentiert.
38.2.3 Kein Prüfungsschwerpunkt
Bei Betriebsprüfungen von Ärzten wurden die Abgrenzung zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätzen sowie die Überprüfung der abzugsfähigen Vorsteuern regelmäßig nicht geprüft.Bei der Auswertung von 130 Betriebsprüfungsfällen im Gesundheitsbereich wurde in 75 Fällen (57%) die Umsatzsteuer nicht in die Prüfungsanordnung aufgenommen. Nur in 18 Fällen (13,8%) erfolgten überhaupt Feststellungen zur Umsatzsteuer. Meist handelte es sich um Folgewirkungen aus Feststellungen zur Ertragsteuer.
Eine (ausreichende) Dokumentation zur Vollständigkeit der Umsätze konnte meist nicht gefunden werden. Selbst Meldungen der Veranlagungsstellen zum Goldkauf mit der Bitte um Prüfung wurden im Rahmen der Betriebsprüfung nicht aufgegriffen. In den Unterlagen der Betriebsprüfung waren Vermerke wie "Arzt ► keine USt" erkennbar.
Offensichtlich umsatzsteuerpflichtige Angebote im Internet führten mangels Prüfung der Umsatzsteuer nicht zu Steuerfestsetzungen. Internetrecherchen wurden nicht routinemäßig durchgeführt und als Informationsquelle genutzt. Umsatzsteuerpflichtige Leistungen blieben deshalb unversteuert.
38.3 Würdigung
Eine systematische Überprüfung der Umsatzsteuerpflicht von Ärzten durch die FÄ unterbleibt in zu vielen Fällen.Die Steuerverwaltung sollte verstärkt auf der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung bestehen. Die Aufforderung zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen ist nach Ansicht des ORH auch ein geeigneter Weg, die Ärzte selbst für die Umsatzsteuer zu sensibilisieren. Im Übrigen sollte geprüft werden, ob in den ersten Jahren einer unternehmerischen Tätigkeit zwingend eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung anzufordern wäre.
Die Umsatzsteuer findet in der Betriebsprüfung keine ausreichende Beachtung. Internetrecherchen sollten routinemäßig durchgeführt und verstärkt als Informationsquelle genutzt werden. Die Betriebsprüfung muss ihre Prüfungstätigkeit bei der Umsatzsteuer verbessern. Verstärkt geprüft werden sollte auch in dem derzeit prüfungsfreien Bereich der Abgrenzung zwischen steuerfreien Heilbehandlungen und steuerpflichtigen Umsätzen (z. B. für Prothetik).
38.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das LfSt analysiere zurzeit flächendeckend, ob es durch den Verzicht auf die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen 2015 zu Steuerausfällen komme. Dazu würden von allen Unternehmern, die nach Finanzamtsinternen Daten im Bereich des Gesundheitswesens tätig sind, Umsatzsteuererklärungen für 2015 angefordert. Anhand der erklärten Daten der bisher nicht zur Umsatzsteuer veranlagten Fälle werde das Steuerausfallrisiko zentral über datenbankgestützte Auswertungsroutinen ermittelt und bewertet. Aufgrund der Ergebnisse der Analysen werde dann entschieden, ob auch künftig i. d. R. auf die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen bei Gesundheitsfachberufen verzichtet werden solle.Die Anregungen des ORH zur Internetrecherche würden in einen Leitfaden für die Betriebsprüfung von Heilberufen aufgenommen. Über umsatzsteuerlich relevante Feststellungen solle der Innendienst im Wege von Kontrollmitteilungen informiert werden. Die Umsatzsteuer-Sonderprüfungsdienste seien bei Dienstbesprechungen über diese Problematik informiert, dafür sensibilisiert und in die Analyse der Steuerausfallrisiken eingebunden worden.
In der nächsten Aktualisierung des Leitfadens zur Umsatzsteuerbefreiung für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin würden die Prothetik-Umsätze berücksichtigt.
38.5 Schlussbemerkung
Der ORH fordert, die festgestellten Mängel bei der Umsatzbesteuerung von Ärzten abzustellen. Dazu müssen konsequent Steuererklärungen von Ärzten, die umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen, angefordert und die Prüfungen der Außendienste in diesem Bereich verbessert werden.[1] Das Umsatzsteuergesetz unterwirft die Herstellung und die Reparatur von Zahnersatz der Umsatzsteuer, auch wenn diese Arbeiten in einer Zahnarztpraxis erfolgen (§ 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 UStG).
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