Jahresbericht 2018

TNr. 33: Asservatenverwaltung bei Polizei und Justiz

Asservatenlager; Bild: ORH
Polizei und Justiz transportieren Asservate mehrfach im Verlauf von strafrechtlichen oder Ordnungswidrigkeitsverfahren. Dabei sind häufig die Vorschriften des Gefahrgutrechts zu beachten. Viele dieser Transporte ließen sich vermeiden. Zudem führen inkompatible IT-Verfahren bei Polizei und Justiz zu erhöhtem Verwaltungsaufwand. Verbesserungen sollten zeitnah umgesetzt werden.

Der ORH und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter Ansbach, Augsburg, Bayreuth und Regensburg haben 2016/2017 bei der Bayerischen Polizei und der Justiz die Arbeitsabläufe bei der Asservatenverwaltung schwerpunktmäßig bei Betäubungsmitteln und Waffen geprüft.

Der Prüfungsmaßstab folgt aus Art. 7 BayHO; der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz beinhaltet auch einen zielgerichteten Personaleinsatz unter Nutzung moderner Informationstechnologie. Zur Wirtschaftlichkeit gehört auch die Vermeidung von Schäden und möglichen Schadenersatzansprüchen gegen den Freistaat.


33.1 Ausgangslage

Asservate sind Gegenstände, die als Beweismittel oder zur Gefahrenabwehr in amtliche Verwahrung genommen werden.[1] Im gerichtlichen Verfahren dienen sie dazu, dem erkennenden Gericht eine gesicherte Grundlage für ein sachlich fundiertes Urteil zu bieten. In der Praxis werden so u. a. Betäubungsmittel, Mobiltelefone, Waffen und Computer sehr häufig asserviert.

Durchschnittlich werden pro Jahr 270.000[2] Asservate bei den Staatsanwaltschaften neu erfasst. Etwa zwei Drittel davon werden der Staatsanwaltschaft von der Bayerischen Polizei vorgelegt. Bei jeder der etwa 380 Polizeidienststellen und den 22 Staatsanwaltschaften in Bayern werden Asservate verwahrt und verwaltet.

Neben dem Transport vom Tatort bzw. Sicherstellungsort zur Polizeidienststelle und von dort zur Staatsanwaltschaft kann ein Asservat aber durchaus noch weitere Wege nehmen. So werden Asservate vielfach zu Analysen (Untersuchungen, Gutachten) und zu anderen Dienststellen hin und zurück transportiert. Schließlich werden die Asservate in den meisten Fällen noch zur Vernichtung oder Verwertung verbracht.

Das Gefahrgutrecht ist bei den Transporten der meisten Betäubungsmittel, chemischen Stoffen, Waffen und Munition durch die Polizei und Justiz uneingeschränkt zu beachten. Dies regelt das ADR[3] seit Oktober 2013. Bereits kleinste Mengen an Betäubungsmitteln (z.B. Heroin, Kokain, Ecstasy) sind gefahrgutrechtlich relevant. Bei Transporten gelten daher die besonderen Regelungen für die Klassifizierung, Verpackung, Kennzeichnung und Dokumentation auch für staatliche Stellen. Eine Ausnahme besteht hier lediglich bei der ersten Verbringung vom Tatort bzw. Sicherstellungsort.

Die meisten Asservate werden nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft verwahrt. Bei einigen Gegenständen ist dies allerdings nicht möglich; insbesondere für Kraftfahrzeuge und Fahrräder stehen bei der Justiz nur in geringem Umfang geeignete Abstellmöglichkeiten zur Verfügung. Probleme bei der Aufbewahrung bestehen auch bei Asservaten aus dem Bereich Pyrotechnik oder Sprengstoff, weil eine sichere Lagerung dieser Stoffe in der Regel weder in Justiz- noch in Polizeidienstgebäuden gewährleistet werden kann.


33.2 Lagerung und Transport von Asservaten


33.2.1 Feststellungen

Schusswaffen, Munition und Betäubungsmittel gehören zu den Asservaten, deren Handhabung besondere Anforderungen an Mitarbeiter und Räume stellt. Zum einen müssen erstere vor den Gesundheitsgefahren, die von (geladenen) Schusswaffen und (ausgasenden) Betäubungsmitteln ausgehen, geschützt werden. Zum anderen sind die Dienststellen der Justiz als Bürogebäude nicht für die Aufbewahrung solcher Gegenstände konzipiert. Es fehlt hier oftmals an geeigneten Räumlichkeiten. Den besonderen Anforderungen an die Aufbewahrung von Asservaten werden in der Regel nur Neubauten gerecht, bei denen diese speziellen Anforderungen aus den gemeinsamen Empfehlungen der Justizverwaltung und der Obersten Baubehörde[4] umgesetzt wurden.

Polizeidienststellen sind in der Regel auf die speziellen Bedürfnisse für eine sichere Verwahrung bestimmter gefährlicher Asservate besser ausgelegt. Nach den örtlichen Erhebungen verfügen sie grundsätzlich über ausreichend gesicherte Waffenschränke und Lagermöglichkeiten für Betäubungsmittel. Überdies ist in den Polizeidienststellen ganz überwiegend rund um die Uhr Personal präsent.

Insbesondere bei Waffen und Betäubungsmitteln sind Mehrfachtransporte zur Begutachtung oder zur späteren Vernichtung die Regel. Die genaue Zahl der Transporte von Asservaten ist Polizei und Justiz aber unbekannt. Da seit Oktober 2013 die ADR uneingeschränkt für Polizei und Justiz gelten, hat dies dort zu einem deutlich höheren personellen und logistischen Aufwand geführt.


Betäubungsmittel

Die Zahl der bei den Staatsanwaltschaften neu erfassten Betäubungsmittel ist stark gestiegen:

Tabelle 44

Im Schnitt wurden in den letzten beiden Jahren den Staatsanwaltschaften monatlich fast 6.000, jährlich etwa 70.000 Betäubungsmittel übergeben.


Schusswaffen

Schusswaffen werden grundsätzlich am Ende des Verfahrens durch das Landeskriminalamt vernichtet. Die dortige zentrale Waffenverwertung verzeichnete für den Fünfjahres-Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2016 4.508 abgelieferte Schusswaffen[5] , davon 96 Kriegswaffen, 2.851 Kurzwaffen und 1.561 Langwaffen.

Allein aufgrund dieser hohen Ablieferung von zuvor bereits asservierten Schusswaffen ist von einer hohen Zahl an Transporten einschließlich der Verpackungen und Begleitdokumente auszugehen.


33.2.2 Würdigung

Personal- und kostenaufwendige Arbeitsabläufe sowie der erforderliche Raumbedarf und sonstiger Sachaufwand lassen sich nur wirtschaftlich und sparsam steuern, wenn deren Zahlenbasis bekannt ist. Obwohl seit 2013 die Zahl der Gefahrguttransporte von Asservaten deutlich gestiegen ist, fehlen aber konkrete Angaben.

Der ORH hält aufgrund der oben beschriebenen schwierigen Verwahrsituation bei der Justiz eine Asservierung vorrangig bei den Dienststellen der Polizei und damit außerhalb der staatsanwaltschaftlichen Asservatenkammern grundsätzlich für zweckmäßiger. Dies würde der Vorgabe, Asservate für eine Hauptverhandlung zur Verfügung zu halten, nicht entgegenlaufen. Zum einen lassen es die Regelungen zu, dass auch derzeit schon Verwahrungen außerhalb der Staatsanwaltschaft möglich sind. Zum anderen sind die Asservate in der Regel nur dann vorzulegen, wenn sie zur Entscheidung des Gerichts voraussichtlich benötigt werden. Allerdings hat sich gezeigt, dass Schusswaffen oder Betäubungsmittel kaum vom Gericht zur Vorlage angefordert werden.

Eine Asservierung vorrangig bei den Dienststellen der Polizei würde zudem die Transporte und den damit einhergehenden Verwaltungsaufwand erheblich reduzieren. Besonders die Zahl der aufwendigen Gefahrguttransporte könnte dadurch verringert werden. Jeder unterbliebene Transport erspart den dafür benötigten Sach- und Personalaufwand und minimiert die gesundheitlichen Gefahren für die Mitarbeiter bei Polizei und Justiz, die von diesen Asservaten ausgehen können.


33.3 Datenaustausch Polizei, Zoll und Justiz


33.3.1 Feststellungen

Sowohl die Polizei als auch die Justiz entwickelten für die Verwaltung der Asservate eigene IT-Anwendungen. Während das in der Justiz verwendete IT-Verfahren in einem Verbund mit acht weiteren Ländern entwickelt wurde, handelt es sich bei der Polizei um eine Eigenentwicklung, die nur im Freistaat eingesetzt wird. Bei der Polizei werden jährlich mehr als 600.000[6] sichergestellte Gegenstände in deren Datenbank erfasst. Die Justiz nimmt jährlich etwa 270.000[7] Asservate neu in ihr System auf, von denen bereits etwa 185.000 (entspricht zwei Drittel) im Programm der Bayerischen Polizei erfasst sind.

Hinzu kommen jährlich rd. 12.500 Asservate von der Bundespolizei und der Zollverwaltung, bei denen ebenfalls keine elektronische Datenübernahme möglich ist.

Deshalb müssen die von der Polizei und anderen Stellen vorgelegten Informationen zu den Asservaten von den Justizmitarbeitern nochmals manuell in der IT erfasst werden.

Während die Polizei innerhalb ihres Geschäftsbereichs den ordnungsgemäßen Eingang oder Verbleib der Asservate elektronisch nachverfolgen kann, müssen nach Abgabe an die Justiz alle Rückmeldungen von der Justiz aufwendig in Papierform erstellt, versandt und von der Polizei wiederum neu erfasst werden.


33.3.2 Würdigung

Die beiden innerhalb Bayerns beteiligten Ressorts gingen bei der Entwicklung der IT-Verfahren zur Asservatenverwaltung keinen gemeinsamen Weg, sondern fanden jeweils eigene, nicht kompatible Lösungen. Gleiches gilt auch für die beteiligten Bundesverwaltungen, Zoll und Bundespolizei. Die völlig unterschiedlichen Lösungen erschweren die verzahnten Abläufe zwischen der Justiz und den abgebenden Stellen. Ein medienbruchfreies Arbeiten würde wesentlich weniger Arbeitsaufwand bedeuten. Der ORH hält es daher für geboten, die Einführung des Datenaustauschs insbesondere von der Justiz mit der Bayerischen Polizei nachhaltig zu verfolgen. Dabei ist dem ORH bewusst, dass eine rasche Realisierung von IT-Schnittstellen vordringlich wäre und auf Landesebene auch unkomplizierter umzusetzen ist.

Bei der Menge von durchschnittlich 185.000 Asservaten, die jährlich von der Bayerischen Polizei übermittelt werden, würden selbst kleine Zeitersparnisse eine Freisetzung von Mitarbeitern für andere Zwecke innerhalb der Justiz bedeuten.[8] Darüber hinaus würde dies die Gefahren möglicher fehlerhafter Bearbeitungen minimieren.

Eine durchgehende Datenhaltung zwischen Bayerischer Polizei und Justiz wäre auch für die geforderte Lagerung auf den Polizeidienststellen eine wichtige Voraussetzung.


33.4 Vernichtung oder Verwertung besonderer Asservatenarten


33.4.1 Feststellungen zu den Waffen

Schusswaffen, Munition, andere Waffen und verbotene Gegenstände im Sinne des Waffenrechts werden zahlreich von den einzelnen Staatsanwaltschaften an die zentrale Waffenverwertungsstelle des Landeskriminalamts zur Vernichtung abgegeben.

Die bayerischen Staatsanwaltschaften lieferten im Jahr 2016 folgende Gegenstände durch die Polizei an das LKA:

Tabelle 45
Die Erhebungen des ORH zeigten, dass nur etwa 10% aller an die zentrale Waffenverwertungsstelle übersandten Gegenstände Schusswaffen im Sinne des Waffenrechts waren.

Den Großteil der Objekte bildeten mit 44% die Hieb- und Stoßwaffen, z.B. Dolche, Bajonette und Schlagstöcke. Es folgten mit 27% sonstige Gegenstände.

Bei den verbotenen Gegenständen (Messer, Schlagwaffen, Stahlruten, Schlagringe, CO2-Geräte usw.) könnte jedoch von einer Übersendung abgesehen werden. Diese könnten entsprechend dem Leitfaden der bayerischen Staatsanwaltschaften zur Asservatenbehandlung vom 10.06.2016 ausnahmsweise auch vor Ort unbrauchbar gemacht werden. Das gilt erst recht für normale Alltagsgegenstände (Küchenmesser, Holzstöcke oder Baseballschläger), die nach den Feststellungen des ORH auch dem LKA zur Vernichtung übersandt werden.


33.4.2 Würdigung

Der ORH regt an, der Waffenverwertungsstelle nur die Gegenstände zuzuleiten, die tatsächlich dort verwertet bzw. vernichtet werden müssen. Die befassten Dienststellen sind verstärkt auf eine Möglichkeit der Vernichtung vor Ort hinzuweisen.


33.4.3 Feststellungen zur Verwertung von Mobiltelefonen und Computern

In den letzten Jahren nahm die Sicherstellung von Mobiltelefonen, Computern und ähnlichen Elektronikgeräten stetig zu. Waren es im Jahr 2012 noch 10.284 Mobiltelefone und 2.684 Computer, so wurden im Jahr 2015 bereits 12.703 Mobiltelefone und 2.773 Computer bei den Staatsanwaltschaften asserviert. Dies bedeutet eine Steigerung um 20%. Monatlich werden bayernweit nahezu 1.300 solcher Gegenstände neu asserviert.

Die Mehrzahl der so asservierten Gegenstände wird im gerichtlichen Verfahren eingezogen oder für verfallen[9] erklärt. In der Regel werden sie nach Abschluss des Gerichtsverfahrens vernichtet, da eine sichere Löschung der darauf befindlichen Daten durch die Justiz nicht gewährleistet ist. Bisher gibt es jedoch keine einheitliche Handlungsanweisung, wie die Geräte datenschutzkonform und umweltgerecht zu vernichten sind. Teilweise werden sie in Müllverbrennungsanlagen vernichtet. Anderseits ergaben die örtlichen Erhebungen, dass teilweise diese Geräte mangels Weisung in den Asservatenkammern gesammelt werden.


33.4.4 Würdigung

Der ORH regt an, Mobiltelefone und Computerbestandteile, die zur Vernichtung bestimmt sind, datenschutzkonform zu verwerten und die wertvollen Rohstoffe (Gold, Platin, Silber, "seltene Erden“ etc.) wiederzugewinnen. Die Wiederverwertungsquote der in den Mobiltelefonen enthaltenen Edelmetalle liegt bei bis zu 80%.


33.5 Stellungnahme der Verwaltung

Das Justizministerium hat angekündigt, bei den Punkten des Datenaustauschs mit der Polizei, der Waffenvernichtung über das Landeskriminalamt und der adäquaten Verwertung von Mobiltelefonen und Computern den Empfehlungen des ORH zu folgen.

Bezüglich des Verbleibs und der Lagerung von Asservaten bei der Polizei oder zentralen Stellen befinde sich die Justiz noch in der Abstimmung mit dem Innenressort. Es wurde durch die Bayerische Polizei und die Justiz eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet, deren Ergebnisse noch abzuwarten seien.

Das Innenministerium hat darauf hingewiesen, dass sich bereits eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit dem Vorhaben "medienbruchfreie Kommunikation Justiz - Polizei“ befasst. Daneben habe der "Lenkungskreis Gemeinsame IT-Vorhaben Justiz - Polizei“ in seiner Sitzung am 13.07.2017 die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zwischen dem IT-Servicezentrum der Bayerischen Justiz und der
IuK-Koordinierungsstelle der Bayerischen Polizei beschlossen. Dieser obliege
- neben einer Beobachtung der Entwicklungen auf Bundesebene - auch die Prüfung einer einheitlichen Schnittstelle zwischen den Asservatenverwaltungsprogrammen.


33.6 Schlussbemerkung

Die Ministerien wollen die Anregungen des ORH prüfen. Verbesserungen sollten zeitnah umgesetzt werden.

 


[1] § 94 Abs. 1 StPO und Art. 25 PAG.
[2] Durchschnittszahl der neu erfassten Asservate des Prüfungszeitraums 2013 bis 2015.
[3] Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße vom 30.09.1957.
[4] Empfehlungen für den Bau von Justizgebäuden (Stand 09/2015).
[5] Hierunter fallen nur "scharfe“ Schusswaffen, ohne Druckluftwaffen und Gas-Alarmwaffen.
[6] Dateneinträge im Asservatenprogramm der Polizei.
[7] Durchschnittszahl der neu erfassten Asservate des Prüfungszeitraums 2013 bis 2015.
[8] Bei der Personalbedarfsberechnung geht man von 100.000 Arbeitsminuten je Vollzeitstelle aus. Jede Minute Zeitersparnis, z.B. bei der Neuerfassung von Asservaten, würde damit rechnerisch zwei Vollzeitkräfte freisetzen.
[9] Seit 01.07.2017 spricht das Gesetz nur noch von Einziehung.