Medieninformation vom 02.02.2021
Überwertankäufe nur als absolute Ausnahme
ORH informiert im Hinblick auf zahlreiche Medienanfragen zu seiner Prüfung von Überwertankäufen des Freistaates
Der Kauf einer Immobilie stellt für den Staat regelmäßig eine Investition von erheblichem finanziellem Ausmaß dar. Die Vorgaben der Bayerischen Verfassung (Art. 81 BV) und der Bayerischen Haushaltsordnung sind dabei zwingend einzuhalten. Dies gilt auch bei der Umsetzung von Beschlüssen der Staatsregierung und ganz besonders beim Erwerb von Immobilien über dem Verkehrswert. Der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) hat von 2018 bis 2020 verschiedene Überwertankäufe geprüft und dabei erhebliche Mängel festgestellt.
Schwerpunkt der Prüfung der Grundstückserwerbe war die Wirtschaftlichkeit (Art. 7 Bayerische Haushaltsordnung - BayHO). Allen Fällen war gemeinsam, dass der Kaufpreis - zum Teil deutlich - über dem gutachtlich festgestellten Verkehrswert lag und die Verwaltung den haushaltsrechtlich erforderlichen Nachweis nicht erbracht hat, dass diese Überwertankäufe wirtschaftlich waren.
Konkret ging es bei der Prüfung um folgende Grundstücksankäufe - alle aus dem Jahr 2018:
- „Karmelitenkloster“, eine ehemalige Klosteranlage in Straubing.
- „Brunecker Straße“, eine ehemals von der Deutschen Bahn genutzte Fläche in Nürnberg.
- „Himbeerpalast“, ein Grundstück mit Bürogebäude in Erlangen.
- Ein an das „NAWAREUM“ (Informations- und Beratungszentrum für erneuerbare Energien und Rohstoffe des Kompetenzzentrums für Nachwachsende Rohstoffe im Geschäftsbereich des Landwirtschaftsministeriums) angrenzendes Grundstück in Straubing.
Dabei hat die Verwaltung weder nachgewiesen, dass die Überwertankäufe in fachlicher und liegenschaftlicher Hinsicht die jeweils einzig wirtschaftliche Möglichkeit der Bedarfsdeckung waren, noch dass sie die wirtschaftlichste Alternative darstellten.
In den ersten drei genannten Fällen hat der ORH zudem festgestellt, dass wesentliche Verfahrensschritte nicht oder nur unzureichend eingehalten worden sind, die dem Erwerbsprozess nach den einschlägigen Vorschriften vorauszugehen haben. Konkret geht es dabei um Vorschriften der BayHO, die Richtlinien für den Verkehr mit staatseigenen Grundstücken und die Richtlinien für die Durchführung von Hochbauaufgaben des Freistaates Bayern, die z.B. einen vorgelagerten Flächenmanagementprozess verlangen. Mit dem Flächenmanagementprozess soll sichergestellt werden, dass bei der Deckung des staatlichen Flächenbedarfs die wirtschaftlichste Lösung zum Zug kommt.
Auch wurde dem Aspekt nachgegangen, inwieweit durch die Grundstückserwerbe eine Verringerung des Grundstockvermögens eingetreten ist (Art. 81 BV). Nach Auffassung des ORH spricht einiges dafür, dass dies bei den geprüften Überwertankäufen bereits deswegen der Fall war, da die Wirtschaftlichkeit des Erwerbs nicht nachgewiesen wurde. Nach Art. 81 Satz 1 BV darf das Grundstockvermögen des Staates in seinem Wertbestand zwar verringert werden, aber nur aufgrund eines vom Landtagsplenum verabschiedeten Gesetzes. Der Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtags hat dem Erwerb dieser Grundstücke jeweils zugestimmt. Dies wäre jedoch nicht ausreichend, wenn in diesen Fällen nach Art. 81 Satz 1 BV ein formelles Gesetz notwendig gewesen wäre. Höchstrichterlich ist diese Frage jedoch noch nicht entschieden.
Nach Auffassung des ORH müssen Überwertankäufe eine absolute Ausnahme bleiben. Dies gebietet auch Art. 81 BV. Tatsächlich nahm die Zahl der Überwertankäufe aber zu. Zwischen 2009 und 2015 gab es insgesamt sechs Überwertankäufe. Allein von Juli bis September 2018 gab es die vier vom ORH geprüften Fälle und bis zum Sommer 2020 weitere vier Fälle.
Die Verwaltung sollte Überwertankäufe nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen, bei denen der Erwerb sowohl in liegenschaftlicher wie auch in fachlicher Hinsicht die einzig wirtschaftliche Möglichkeit der Bedarfsdeckung darstellt, in Betracht ziehen. Diese Voraussetzungen müssen im Detail geprüft und nachgewiesen sein.
Der ORH beabsichtigt auf der Grundlage seiner Prüfungserfahrungen und im Hinblick auf die von der Staatsregierung angekündigten Maßnahmen zur „Stärkung der staatlichen Handlungsfähigkeit beim Grunderwerb“ (vgl. Pressemitteilung der Bayerischen Staatsregierung zur Kabinettssitzung vom 27.10.2020), im zweiten Quartal 2021 eine Beratende Äußerung gemäß Art. 88 Abs. 2 BayHO vorzulegen.