BÄ Mehrgefahrenversicherungen

Das Landwirtschaftsministerium fördert seit 2023 Prämien für Versicherungen gegen mehrere Wetterrisiken im Paket, wie z.B. Hagel, Frost und Trockenheit.
Die Ausgestaltung der Förderung zeigt Verbesserungsbedarf. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Mitnahmeeffekte bei der Förderung von Versicherungsprämien für das Risiko Hagel.
Für die Unterstützung dieser Mehrgefahrenversicherungen plant das Landwirtschaftsministerium eine Ausdehnung der Förderung von derzeit 17 Mio. € pro Jahr (2023 bis 2025) auf 25 Mio. € in 2027. Die Versicherungsunternehmen gehen von einer dauerhaften staatlichen Subventionierung aus.
Der ORH mahnt an, einen effizienten Finanzmitteleinsatz sicherzustellen. Er empfiehlt, für die 2026 geplante Verlängerung der Förderrichtlinie die bisherigen Regelungen zu überprüfen und anzupassen.
Zusammenfassung
Mit der Förderung von Mehrgefahrenversicherungen (MGV) hat das Landwirtschaftsministerium einen für Bayern neuen agrarpolitischen Weg eingeschlagen. Der Bund beteiligt sich bislang nicht an der Förderung von MGV, 50% des Finanzbedarfs werden durch EU-Mittel gedeckt.
Das übergeordnete Ziel der Förderung in Bayern soll deutlich über den bloßen Ersatz von Ad-hoc-Hilfen hinausgehen. Angestrebt wird eine Unterstützung der Risikovorsorge für Landwirte gegen ein breites Feld von Witterungsrisiken. So sollen Liquiditätsengpässe bei witterungsbedingten Schadereignissen abgemildert und ggf. drohende Existenzgefährdungen bei Landwirten abgewendet werden.
Der Finanzbedarf für die MGV-Förderung betrug in den ersten beiden Förderjahren 12 bzw. 15 Mio. €. Für Ad-hoc-Hilfen für die nun über MGV abgedeckten Risiken war dieser mit durchschnittlich 1,3 Mio. € pro Jahr um ein Vielfaches niedriger.
Das Landwirtschaftsministerium strebt für die Zukunft eine deutlich höhere Marktdurchdringung an. Die Versicherungsunternehmen (VU) gehen ihrerseits von einer dauerhaften Förderung der Prämien aus, um die Bezahlbarkeit der Prämien und damit auch die Akzeptanz der MGV sicherzustellen.
Eine dauerhafte staatliche finanzielle Unterstützung von MGV in Bayern wird jährlich Landesmittel in zweistelliger Millionenhöhe erfordern, wie auch die Planungsdaten des Landwirtschaftsministeriums bis 2027 zeigen.
Die geförderten MGV werden bisher nicht wie erwartet nachgefragt. Das Gros der Fördermittel fließt an Landwirte, die bereits vor Einführung der Förderung ihre Sonderkulturen, wie z.B. Hopfen, gegen Hagel versichert hatten.
Die Analyse des ORH zu den Förderbedingungen und den Vertragsbedingungen der VU zeigt an mehreren Punkten Verbesserungsbedarf:
- Die MGV-RL regelt für Kulturgruppen wie Getreide oder Hopfen sehr uneinheitlich, welche Risiken von einer MGV abgedeckt sein müssen und inwieweit die Landwirte hier Wahlrechte haben. Bei Inanspruchnahme der Förderung werden Landwirte daher einerseits gezwungen, sich gegen Risiken zu versichern, die sie nicht als versicherungswürdig einschätzen. Andererseits können bestimmte Kulturen, wie z.B. Hopfen, nicht gegen Trockenheit versichert werden, obwohl dieses Risiko besteht.
- Die verpflichtende Aufnahme des Risikos Hagel in die Förderung führt zu systembedingten Mitnahmeeffekten nicht nur in Einzelfällen. Bei Ausschluss bzw. Deckelung der Förderung von Hagelversicherungsprämien könnten erhebliche Fördermittel eingespart werden. Dies würde ggf. auch Spielräume zur Stärkung der Marktdurchdringung bei kritischeren Risiken (z.B. Trockenheit) schaffen.
- Beim Risiko Trockenheit bieten die VU deutlich voneinander abweichende Indexversicherungen an. In der Folge erhalten die versicherten Landwirte je nach Vertragsvariante Leistungen oder nicht.
Wenn der neue agrarpolitische Weg weiterverfolgt wird, den Bayern mit der MGV-Förderung eingeschlagen hat, sollte das Landwirtschaftsministerium auf einen effizienten Finanzmitteleinsatz achten.
Der ORH empfiehlt insbesondere
- bei der geplanten Überarbeitung der Förderrichtlinie die Ausgestaltung der Fördervoraussetzungen für MGV-Pakete zu überprüfen und so anzupassen, dass u.a. Mitnahmeeffekte bei der Förderung von Hagelversicherungen soweit wie möglich ausgeschlossen werden,
- weiter darauf hinzuwirken, dass sich der Bund im Rahmen der Neuausrichtung der GAP an der Förderung von MGV beteiligt,
- für versicherbare Schäden in Zukunft grundsätzlich keine staatlichen Ad-hoc-Hilfen zu gewähren, wenn MGV mit staatlichen Finanzmitteln subventioniert werden.
1 Ausgangslage
Die landwirtschaftliche Produktion unterliegt Wetterrisiken wie Hagel, Sturm, Frost, Trockenheit oder Starkregen. In landwirtschaftlichen Unternehmen kommt es daher regelmäßig zu erheblichen Ernteausfällen und Ertragseinbußen. Mit MGV können sich die Landwirte gegen diese Wetterrisiken in einem Paket absichern.
2023 führte das Landwirtschaftsministerium eine MGV-Förderung ein. Es erließ dazu im Dezember 2022 die Richtlinie zur Förderung von MGV in der bayerischen Landwirtschaft (MGV-RL).
Der Zuschuss beträgt bis zu 50% der förderfähigen Versicherungsprämien und ist gedeckelt auf maximal 100.000 €. Fördermittel werden ab einer zu versichernden Fläche von insgesamt 0,3 Hektar (ha) ausgereicht. Es handelt sich damit um eine Anteils- und nicht um eine Pauschalförderung.
2 ORH-Prüfung
Der ORH und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter Augsburg, Regensburg und Würzburg haben bis einschließlich Juli 2024 die Förderung von MGV in der bayerischen Landwirtschaft geprüft. Prüfungsmaßstab waren insbesondere die BayHO und die Förderrichtlinie des Landwirtschaftsministeriums.
Schwerpunktmäßig prüfte der ORH,
- welche Ziele mit der staatlichen Förderung verfolgt werden;
- in welcher Höhe das Landwirtschaftsministerium staatliche Finanzmittel für die MGV-Förderung einplante und einsetzte;
- wie das Landwirtschaftsministerium das Förderprogramm gestaltete und wie stark die Landwirte es bisher in Anspruch nahmen;
- wie die VU die MGV-Verträge ausgestalteten und wie diese von den Landwirten nachgefragt werden und
- inwieweit die geförderten MGV-Verträge die eigenverantwortliche betriebliche Risikovorsorge stärken können.
Das Landwirtschaftsministerium band mehrere VU ein, als es die MGV-Förderung entwickelte. Der ORH führte mit einem Teil dieser VU Informationsgespräche und setzte das Landwirtschaftsministerium davon vorab in Kenntnis. Die Inhalte der Informationsgespräche flossen im Einvernehmen mit den jeweiligen VU in die Prüfungsergebnisse ein.
Darüber hinaus führte der ORH im Dezember 2023 bei den rd. 5.000 Landwirten, die 2023 eine MGV-Förderung beantragten, eine dem Landwirtschaftsministerium vorab angekündigte, freiwillige Online-Umfrage durch. Die Antragsteller wurden dabei u.a. dazu befragt, welche Versicherungen sie bereits hatten, bevor es die MGV-Förderung gab, welche Versicherungspakete sie wählten, welche Flächen sie versicherten, welche Entschädigungsleistungen sie aufgrund von MGV-Verträgen bei ihrer Versicherung beantragten und in welchem Umfang sie staatliche Hilfen aus Ad-hoc-Hilfsprogrammen in Anspruch genommen hatten. Aus den Rückläufen konnte der ORH 3.401 Fragebögen auswerten.[1]
3 Prüfungsergebnisse
3.1 Ziele und Hintergründe
3.1.1 Ziele der MGV-Förderung
Die MGV-RL[2] nennt als Förderziele insbesondere
- die Stärkung der eigenverantwortlichen betrieblichen Risikovorsorge der Landwirte,
- die Sicherung der Liquidität sowie
- die Sicherung der Existenz der Landwirte.
Laut Landwirtschaftsministerium sei ein „übergeordnetes“ Ziel des Förderprogramms, keine weiteren Ad-hoc-Hilfsprogramme zur Abmilderung klimabedingter Ertragseinbußen bei Landwirten auflegen zu müssen. Ergänzend erklärte das Landwirtschaftsministerium im Januar 2025, dass die Ziele des Förderprogramms deutlich über den bloßen Ersatz von Ad-hoc-Zahlungen hinausgingen. Die Risikovorsorge beinhalte auch, dass Schwankungen von Einkommen verringert werden. Außerdem müssten negative Konsequenzen abgemildert werden, die vertragliche Lieferverpflichtungen der Landwirte bei einem Ausfall der Ernte mit sich brächten.
Zudem solle mit der Förderung eine möglichst breite Marktdurchdringung der MGV erreicht werden.
3.1.2 Hintergrund: Ad-hoc-Hilfsprogramme 2001 bis 2022
Der ORH wertete die vom Landwirtschaftsministerium von 2003 bis 2022 ausgezahlten Finanzhilfen aus Ad-hoc-Hilfsprogrammen aus (s. Anlage 1): In 20 Jahren legte das Landwirtschaftsministerium für zehn wetterbedingte Schadereignisse solche Hilfsprogramme auf. Insgesamt zahlte es daraus Ad-hoc-Hilfen von 137 Mio. €, davon 100 Mio. € aus originären Landesmitteln. Pro Jahr wurden rechnerisch 5 Mio. € Landesmittel eingesetzt.
Dabei sind zu unterscheiden:
- Schäden, die lt. Landwirtschaftsministerium durch die seit 2023 geförderten MGV-Pakete abgedeckt sind: In den 20 Jahren gab das Landwirtschaftsministerium 26 Mio. € für vier solche Schadereignisse aus (rechnerisch 1,3 Mio. € pro Jahr), davon 24 Mio. € originäre Landesmittel (Tabelle 1). In dieser Zeit gab es auch mehrere große Schadereignisse durch Hagel, ohne dass hierfür Ad-hoc-Hilfen gewährt wurden.

- Wetterbedingte Schäden, die laut Landwirtschaftsministerium nicht durch die geförderten MGV-Pakete abgedeckt sind: Hierzu zählen z.B. Schäden durch Sturm im Forstbereich sowie durch Hochwasser. Das Landwirtschaftsministerium gab hierfür 111 Mio. € aus (rechnerisch 5,6 Mio. € pro Jahr), davon 76 Mio. € originäre Landesmittel. Allein auf Finanzhilfen nach Hochwasser-Ereignissen entfielen mehr als 58 Mio. € und damit über 40% der gesamten Ad-hoc-Hilfen.
Im Mai 2025 erklärte das Landwirtschaftsministerium zum o.g. Finanzbedarf für Ad-hoc-Hilfen: Ein unmittelbarer Vergleich der Ausgaben für solche Hilfen einerseits und für die MGV-Förderung andererseits gehe fehl. Denn die aus Sicht des Landwirtschaftsministeriums „nicht geringen“ Kosten für das staatliche Personal seien bei den Ausgaben für Ad-hoc-Hilfen nicht enthalten. Bei den Versicherungsprämien für MGV seien hingegen die Personalkosten der VU eingepreist.
Als Grundlage für diese Ad-hoc-Hilfsprogramme diente ab 2014 u.a. die bayerische Schadensausgleichsrichtlinie (SchadensausgleichsRL[3]). Diese lief Ende Dezember 2022 aus, eine Nachfolgeregelung gibt es nicht. Das Landwirtschaftsministerium listete in der SchadensausgleichsRL[4] auf, welche Ereignisse und Schäden es generell als versicherbar ansah. Hierzu zählten u.a. Hagel (bei allen Kulturen), Sturm, Starkregen und Starkfrost.
Bei Prüfungen von Ad-hoc-Hilfsprogrammen auf Grundlage der SchadensausgleichsRL stellte der ORH u.a. fest:
- Über Anwendungserlasse setzte das Landwirtschaftsministerium wiederholt wesentliche Regelungen der SchadensausgleichsRL außer Kraft. Dazu gehörte insbesondere die dortige Vorgabe, dass keine Hilfszahlungen für Schäden geleistet werden, die versicherbar gewesen wären.[5]
- Bereits 2017 wurde ein Versicherungsschutz gegen das Risiko Frost für die Kulturen Wein und Erdbeeren angeboten. Das Landwirtschaftsministerium erklärte im Rahmen des „Hilfsprogramms zum teilweisen Schadensausgleich aufgrund der Aprilfröste 2017“ das Risiko Frost für diese Kulturen pauschal als nicht versicherbar. Es verzichtete auf eine Einzelfallprüfung, z.B. zur Wirtschaftlichkeit einer solchen Risikoabsicherung. Eine ggf. erforderliche Kürzung der Finanzhilfen unterblieb.
Auf Nachfrage des ORH, inwieweit vorgesehen sei, in den Bereichen mit MGV-Förderung künftig auf Ad-hoc-Hilfen zu verzichten, verwies das Landwirtschaftsministerium auf den Kabinettsbeschluss vom 28.03.2017: „Ab dem Stichtag zum 1. Juli 2019 werden keine finanziellen Unterstützungen in Form von Soforthilfen mehr gewährt, wenn die eingetretenen Schäden versicherbar waren. Unbeschadet davon bleiben Härtefallregelungen im Einzelfall.“
3.2 Finanzmittelplanung und Finanzmitteleinsatz
Die Haushaltsmittel für die MGV-Förderung setzen sich je zur Hälfte aus EU-Mitteln[6] und aus originären Landesmitteln zusammen. Bundesmittel stehen bislang nicht zur Verfügung. Auf der Agrarministerkonferenz vom September 2019 begründete der Bund dies mit begrenzten Finanzmitteln und mit anderen dringlichen Zukunftsaufgaben von nationalem Interesse (z.B. Stärkung der Ländlichen Räume, Waldumbau).[7] Außerdem verwies er darauf, dass lt. Grundgesetz grundsätzlich die Länder für Entschädigungsleistungen bei Naturkatastrophen zuständig seien. Dies müsse im Zusammenhang mit einer MGV-Förderung berücksichtigt werden.
Laut Regierungserklärung vom Mai 2021 sollten in Bayern „jährlich bis zu 50 Mio. € für eine Bezuschussung einer Mehrgefahren-Versicherung“ eingeplant werden.[8]
Im September 2022 wurde der Entwurf des Strategieplans der Bundesrepublik Deutschland für die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP-Strategieplan für 2023 bis 2027) an die EU-Kommission übermittelt. Im GAP-Strategieplan sind die EU-Mittel für Förderprogramme zugunsten der Landwirtschaft sowie die jeweiligen Ko-Finanzierungsmittel der Länder beziffert.
Für die bayerische MGV-Förderung wurde im GAP-Strategieplan für 2023 bis 2027 von einem kontinuierlich ansteigenden Finanzmittelbedarf ausgegangen (s. Tabelle 2). Insgesamt waren für diese fünf Jahre 135 Mio. € eingeplant. Dem lag die Schätzung zugrunde, dass die Zahl der geförderten Landwirte von 5.700 im Jahr 2023 sukzessive auf 12.300 im Jahr 2027 steigen werde. Der GAP-Strategieplan wurde zuletzt im Oktober 2024 angepasst;[9] Änderungen im Bereich der MGV-Förderung in Bayern wurden dabei nicht vorgenommen.
Abweichend vom GAP-Strategieplan wurden in den Haushaltsplänen für 2023 bis 2025 jeweils 17 Mio. € pro Jahr veranschlagt.[10] Tatsächlich ausgegeben wurden in den ersten beiden Förderjahren 72 bzw. 89% der eingeplanten Finanzmittel.

Im Mai 2025 kündigte das Landwirtschaftsministerium an, dass die MGV-Finanzplanung korrigiert werden solle. Nach neuer Schätzung soll die Zahl der geförderten Landwirte bis 2027/28 weniger stark steigen, konkret auf 9.500 (bisherige Schätzung: 12.300). Der gedämpfte Anstieg bei der Nachfrage nach MGV begründe sich in der Zurückhaltung der Landwirte, da die Versicherungsprämien gestiegen seien. Dies sei in der Planungsphase der Förderung nicht absehbar gewesen, so das Landwirtschaftsministerium weiter.
Der Fördermittelbedarf für 2027 soll sich dadurch von ursprünglich 37 Mio. € auf 25 Mio. € reduzieren. Der entsprechende Änderungsantrag für den GAP-Strategieplan werde voraussichtlich im vierten Quartal 2025 von der EU-Kommission genehmigt. Darüber hinaus soll die EU-Kofinanzierung der MGV-Förderung ab 2026 auf 70% steigen (bisher: 50%).
Im Übrigen verweist das Landwirtschaftsministerium hinsichtlich der künftigen Finanzierung auf den Koalitionsvertrag 2025 für die Bundesregierung. Darin haben CDU, CSU und SPD vereinbart, eine MGV-Förderung aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) zu prüfen.[11] Das Landwirtschaftsministerium wolle weiter darauf hinwirken, dass sich der Bund an der MGV-Förderung beteiligt.
Das Landwirtschaftsministerium teilte dem ORH im April 2023 zur Förderdauer mit, dass der Prämienzuschuss grundsätzlich bis Ende 2025 angelegt sei. Dementsprechend laufe die MGV-RL zum 31.12.2025 aus. Danach werde aufgrund der Marktsituation und der Marktdurchdringung über das weitere Verfahren entschieden. Das Landwirtschaftsministerium ging zum damaligen Zeitpunkt davon aus, dass eine staatliche Förderung von drei bis fünf Jahren für die Marktakzeptanz von MGV erforderlich sei.
Im Rahmen der Informationsgespräche bat der ORH die VU um eine Einschätzung zum Bedarf staatlicher Unterstützung von MGV. Diese gaben an:
- Ein Ausstieg aus der staatlichen Förderung nach fünf Jahren könnte die Versicherungsbereitschaft erheblich senken. Die staatliche Förderung sei notwendig, damit die Prämien für die betroffenen Landwirte erschwinglich würden bzw. blieben.
- Angesichts der zunehmenden Dynamik des Klimawandels und der bisherigen Schadenserfahrung sei nicht mit sinkenden Beiträgen bei einer höheren Marktdurchdringung zu rechnen.
- Bei einer flächigen Versicherung würden die Risiken von Großschäden bei in der Fläche wirkenden Risiken (Trockenheit, Frost) eher zunehmen, wodurch sich die Rückversicherungskosten, die stets zu berücksichtigen seien, sogar erhöhen könnten.
Im Januar 2025 teilte das Landwirtschaftsministerium dem ORH mit, dass es an einer Überarbeitung der MGV-RL für 2026 arbeite. Außerdem wies es im Mai 2025 gegenüber dem ORH darauf hin, dass sich eine Evaluation der Förderung aus seiner Sicht erst für 2026/27 anbiete.
3.3 Würdigung
Mit der Förderung von MGV beschreitet das Landwirtschaftsministerium einen für Bayern neuen agrarpolitischen Weg zur Risikoabsicherung der Landwirte. Wie bereits der GAP-Strategieplan für 2023 bis 2027 zeigt, sollen hierfür jährlich Landesmittel in zweistelliger Millionenhöhe aufgewendet werden.
Der Finanzbedarf für diese Förderung betrug bereits in den ersten beiden Förderjahren 12 bzw. 15 Mio. €. Für Ad-hoc-Hilfen für die nun über MGV abgedeckten Risiken war dieser mit durchschnittlich 1,3 Mio. € pro Jahr um ein Vielfaches niedriger. Mit Blick auf den zusätzlichen jährlichen Finanzbedarf von mindestens 10,7 Mio. € für eine dauerhafte MGV-Förderung ist der Verweis des Landwirtschaftsministeriums auf nicht berücksichtigte Personalkosten für den Vollzug von Ad-hoc-Hilfen wenig überzeugend.
Die VU gehen davon aus, dass MGV dauerhaft staatlich subventioniert werden müssen. Es empfiehlt sich daher, weiter darauf hinzuwirken, dass sich der Bund im Rahmen der Neuausrichtung der GAP an der Förderung von MGV beteiligt. Damit könnte der Finanzierungsanteil aus Landesmitteln sinken.
Das Landwirtschaftsministerium sollte für versicherbare Schäden in Zukunft keine finanziellen Unterstützungen in Form von staatlichen Ad-hoc-Hilfen gewähren, wenn MGV mit staatlichen Finanzmitteln subventioniert werden. Dies entspräche sowohl dem Kabinettsbeschluss vom März 2017, der solche Hilfen bei versicherbaren Schäden lediglich für Härtefallregelungen im Einzelfall offenlässt, als auch der übergeordneten Zielsetzung der MGV-Förderung. Zudem verlangt die seit Januar 2025 geltende Verwaltungsvorschrift zu Art. 53 BayHO, potenzielle Schäden über Versicherungen zu minimieren und die Frage der Versicherbarkeit bei der Höhe staatlicher Billigkeitsleistungen zu berücksichtigen.[12]
Bisher werden geförderte MGV nicht so stark nachgefragt, wie vom Landwirtschaftsministerium zunächst erwartet. Mittelfristig strebt es jedoch eine deutliche Steigerung der Marktdurchdringung an. Für diesen Fall rechnen die VU tendenziell aber nicht mit sinkenden Beiträgen. Sie verweisen vielmehr auf die steigenden finanziellen Risiken, die von den VU abgedeckt werden müssten. Damit die Prämien für die betroffenen Landwirte erschwinglich bleiben, sei staatliche Förderung dauerhaft nötig.
Wenn der eingeschlagene agrarpolitische Weg fortgesetzt werden soll, werden erhebliche Landesmittel für die Förderung von MGV erforderlich sein. Daher ist aus Sicht des ORH eine zeitnahe Evaluation des Programms vor Verlängerung der MGV-RL zielführend.
3.4 Ausgestaltung der Förderung
3.4.1 Rahmenvereinbarungen
Im Dezember 2022 schloss das Landwirtschaftsministerium inhaltsgleiche Rahmenvereinbarungen mit vier VU ab. Darin sind u.a. die Bedingungen für förderfähige MGV festgelegt. MGV von anderen VU, die keine solche Rahmenvereinbarung abgeschlossen haben, sind nicht förderfähig.[13] Der ORH wählte für die nachfolgende Analyse diejenigen drei VU aus, die MGV für eine breite Palette landwirtschaftlicher Kulturen anbieten.
3.4.2 Versicherungspakete - Wahlrechte der Landwirte
Gemäß der MGV-RL fördert der Freistaat die Prämien für Versicherungen zur Deckung von spezifischen, insbesondere witterungsbedingten Risiken in drei Kategorien:
- Ackerbau,
- Grünland sowie
- Obst, Wein, Baumschulen, Hopfen (OWBH).
Die Versicherungen gegen einzelne Risiken werden dabei zu einem MGV-Paket gebündelt. Die MGV-RL regelt, welche Risiken von einem förderfähigen MGV-Paket abgedeckt sein müssen und inwieweit die Landwirte hier Wahlrechte haben:[14]
- Ackerbau: Das MGV-Paket muss gegen die Risiken Hagel, Sturm, Starkregen, Starkfrost, Trockenheit und Fraßschäden durch Wildgänse und Saatkrähen versichern. Die Landwirte haben hinsichtlich der zu versichernden Risiken kein Wahlrecht.
- Grünland: Das MGV-Paket muss gegen die Risiken Hagel, Trockenheit und Fraßschäden durch Engerlinge des Mai- und Junikäfers versichern. Die Landwirte haben hinsichtlich der zu versichernden Risiken kein Wahlrecht.
- OWBH: Der Landwirt kann für die jeweilige Kulturgruppe (Obst, Wein, Hopfen usw.), die er versichern will, aus den Risiken Hagel, Starkfrost, Sturm und/oder Starkregen wählen. Um förderfähig zu sein, muss der Vertrag mindestens zwei dieser Risiken enthalten. Das Risiko Trockenheit ist hier nicht förderfähig.
Gegenüber dem ORH erklärten die VU, dass die fehlenden Wahlrechte den Nachteil hätten, dass die Landwirte den Eintritt aller versicherten Gefahren für ihren Standort als wenig wahrscheinlich einschätzten. Die mangelnde Bereitschaft, für (vermeintlich) nicht drohende Gefahren eine Versicherung abschließen und hierfür eine Prämie bezahlen zu müssen, halte derzeit noch viele Landwirte von einer MGV ab.
Zum Risiko Hagel teilte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) dem ORH mit: In Bayern waren bereits vor Einführung der MGV-Förderung ca. 45% der landwirtschaftlichen Flächen gegen dieses Risiko versichert.
Zur Frage, welcher Versicherungsschutz von den VU tatsächlich angeboten wurde, stellte der ORH fest:
- MGV-Pakete für Ackerbau und OWBH werden von allen drei VU angeboten, für Grünland von zwei VU.
- Der lt. MGV-RL zugrunde gelegte (Maximal-)Umfang sowie die Wahlrechte für OWBH finden sich in den MGV-Paketen, die von den VU angeboten werden, nicht bzw. nicht vollständig wieder. Über die von den VU angebotenen Pakete lassen sich zum einen nicht für jede Kulturgruppe alle förderfähigen Risiken versichern. Zum anderen verlangen alle drei VU, dass das Risiko Hagel versichert werden muss.
Beispielhaft zeigt sich dies beim Hopfen:
Nur ein VU bietet Pakete an, mit denen sich ein Landwirt gegen alle in der MGV-RL genannten Risiken versichern kann. Vollständige Wahlfreiheit besteht bei keinem VU: Bei allen VU, die MGV-Pakete für Hopfen anbieten, ist das Risiko Hagel in den Verträgen obligatorisch mitzuversichern. Bei einem VU muss über das Risiko Hagel hinaus noch das Risiko Sturm, bei einem weiteren müssen die Risiken Sturm und Starkregen zusätzlich mitversichert werden (s. Tabelle 3).

3.4.3 Obligatorischer Einschluss der Risiken Trockenheit und Fraßschäden
Als das Landwirtschaftsministerium die MGV-RL entwarf, tauschte es sich mit den VU zur Frage der Wahlrechte aus. Die Diskussionen betrafen insbesondere die Risiken Trockenheit und Fraßschäden:
3.4.3.1 Trockenheit
Die VU regten an, dass jedem Landwirt beim Ackerbau ein Wahlrecht eingeräumt wird, ob er das Risiko Trockenheit mitversichern will oder nicht. MGV-Pakete wären damit auch förderfähig gewesen, wenn Landwirte entscheiden, sich nicht gegen dieses Risiko zu versichern. Die VU begründeten ihre Position damit, dass MGV-Pakete ohne dieses Wahlrecht voraussichtlich weniger nachgefragt würden.
Anfang Juli 2022 entschied sich das Landwirtschaftsministerium als Fördervoraussetzung für Ackerbau-MGV-Pakete vorzugeben, dass das Risiko Trockenheit mitversichert sein müsse und Landwirten diesbezüglich kein Wahlrecht eingeräumt werde. Es begründete die Entscheidung damit, dass dieses Risiko zunehmend an Bedeutung gewinne. Eine Versicherung hiergegen sei daher ein zunehmend wichtiger elementarer Bestandteil für die eigenbetriebliche Risikovorsorge. Das Förderprogramm sei damit nachhaltig und auf die Zukunft ausgerichtet.
Ende Juli 2022 unterstrich ein VU gegenüber dem Landwirtschaftsministerium nochmals die zu erwartende geringere Marktakzeptanz solcher Pakete ohne Wahlrecht. Es wies darauf hin, dass sich bei einem Wahlrecht insbesondere diejenigen Landwirte gegen Trockenheit zusätzlich versichern würden, die das Trockenheitsrisiko auch kennen und entsprechend einschätzen. Letztendlich bliebe es dann, so das VU weiter, eine Entscheidung der Landwirte, ihre Risikovorsorge unter Einbeziehung von Fördermaßnahmen des Freistaates auszugestalten. Das Landwirtschaftsministerium blieb bei seiner Entscheidung.
3.4.3.2 Fraßschäden
Das Landwirtschaftsministerium erwog außerdem, neben der Versicherung gegen Witterungsrisiken auch eine Versicherung gegen Fraßschäden in seine MGV-Fördervoraussetzungen einzubeziehen.
Im März 2022 bat das Landwirtschaftsministerium die VU um Beispielsrechnungen zur Höhe der voraussichtlichen Versicherungsprämien für bestimmte Pakete. Ein VU übersandte seine Berechnungen im Mai 2022. Dabei erklärte es, dass diese Berechnungen ohne einen Aufschlag für Fraßschäden kalkuliert worden seien und dieses Risiko voraussichtlich ein weiterer Preistreiber sein werde.
Ein weiteres VU wies in einem Schreiben an das Landwirtschaftsministerium vom Juli 2022 darauf hin, dass es Fraßschäden grundsätzlich als nicht versicherbar ansehe, da diese an bestimmten Standorten immer wieder aufträten. Sie seien also kein unerwartetes, sondern ein erwartetes Risiko, das fast in jedem Jahr die gleichen Flächen treffen werde. Das Landwirtschaftsministerium nahm die Förderung von Prämien zur Versicherung gegen Fraßschäden trotz der Bedenken der VU in die MGV-RL auf.
3.4.4 Würdigung
Die MGV-RL regelt uneinheitlich, welche Risiken von einem MGV-Paket abgedeckt sein müssen und inwieweit die Landwirte hier Wahlrechte haben. Einerseits werden die zu versichernden Risiken wie etwa Hagel und Trockenheit für Ackerbau verpflichtend vorgeschrieben. Andererseits räumt die MGV-RL bei OWBH für das Risiko Hagel u.a. bei Hopfen Wahlrechte ein, die sich aber in den Vertragsbedingungen der VU nicht bzw. nicht vollständig wiederfinden.
Das Landwirtschaftsministerium fördert Prämienanteile der MGV für das Risiko Hagel, obwohl viele Landwirte sich bereits vor Einführung der Förderung gegen dieses Risiko versichert hatten. Dies führt flächendeckend zu Mitnahmeeffekten.
Darüber hinaus hält es der ORH nicht für zielführend, wie das Landwirtschaftsministerium die Wahlrechte einschränkt bzw. zulässt, dass die VU entgegen der MGV-RL eingeräumte Wahlrechte nicht gewähren. Es besteht Nachbesserbedarf hin zu mehr Wahlfreiheit für die Landwirte:
- Das Landwirtschaftsministerium schränkt in der MGV-RL die eigene Risikoabwägung der Landwirte insbesondere bei Ackerbau und Grünland erheblich ein. Dies läuft dem Zweck der MGV-RL zuwider, die eigenverantwortliche Risikovorsorge zu stärken. Denn die Landwirte werden gezwungen, sich auch gegen Risiken zu versichern, die sie nicht für versicherungswürdig erachten.
Mit jedem zusätzlichen zu versichernden Risiko erhöht sich die Versicherungsprämie. Dies senkt einerseits die Bereitschaft der Landwirte, eine MGV abzuschließen. Andererseits bedeutet es für Fälle, in denen trotzdem eine Versicherung abgeschlossen und gefördert wird, dass durch einen verpflichtenden Einschluss nicht versicherungswürdiger Risiken mehr staatliche Mittel ausgegeben werden als notwendig. - Die verpflichtende Aufnahme des Risikos Fraßschäden bei Ackerbau und Grünland sieht der ORH kritisch. Bereits die VU haben darauf hingewiesen, dass es sich dabei überwiegend um Schäden handelt, die an bestimmten Orten immer wieder auftreten und regional begrenzt sind.
- Auch sieht der ORH kritisch, dass alle VU bei Obst, Wein und Hopfen Wahlfreiheiten beim Risiko Hagel, die gemäß MGV-RL bestehen würden, einschränken.
Der ORH empfiehlt, die Ausgestaltung der MGV-Förderung zu evaluieren und die MGV-RL ab 2026 nicht unverändert zu verlängern. Insbesondere sollte zeitnah geprüft werden, welche Risiken von den MGV-Paketen abgedeckt sein sollen und welche Wahlrechte den Landwirten eingeräumt werden.
3.5 Analyse der geförderten Versicherungspakete und Inanspruchnahme der Förderung
3.5.1 Unterschiedliche Versicherungsbedingungen
3.5.1.1 Versicherungsformen
Innerhalb der MGV-Pakete sind folgende Versicherungsformen zu unterscheiden:
- Schadenversicherung: Hier ist die Leistung auf einen konkret entstandenen Schaden bezogen. Die Versicherung zahlt, wenn ein Sachverständiger einen tatsächlich eingetretenen Schaden festgestellt hat.
So wird z.B. bei den Risiken Hagel, Sturm, Starkregen und Starkfrost im Rahmen der MGV-Förderung verfahren. - Indexversicherung: Hier ist für die Entschädigung kein tatsächlich eingetretener Schaden nachzuweisen. Beim Risiko Trockenheit zahlt die Versicherung abhängig von einem vertraglich definierten Index (z.B. Niederschlagsmenge pro Zeitraum)[15] und unabhängig davon, ob tatsächlich ein Schaden eingetreten ist. Wird der Indexwert nicht erreicht, zahlt die Versicherung auch bei einem tatsächlich eingetretenen Schaden nicht.
3.5.1.2 Trockenheit
Die VU haben unterschiedliche Vertragsbedingungen für das Risiko Trockenheit festgelegt. Im Einzelnen unterschieden sich die vom Staat geförderten Indexversicherungen der VU beispielsweise bei folgenden Bedingungen:
- Haftungszeiträume
In ihren Verträgen legen die VU einen Zeitraum fest, in den die Trockenheit fallen muss, damit der Leistungsfall eintritt. Dies wird als Haftungszeitraum bezeichnet.
Kommt es außerhalb des Haftungszeitraums zu Trockenheit, zahlt die Versicherung nicht, auch wenn im Einzelfall erhebliche Ertragseinbußen vorliegen können. Die Haftungszeiträume unterscheiden sich z.B. bei Getreide, Mais oder Raps (s. Tabelle 4). Die Haftungszeiträume sind zudem von VU zu VU unterschiedlich, auch wenn es sich um identische Kulturen handelt. Zum Beispiel umfasst der Haftungszeitraum für Getreide bei zwei VU die Monate März bis Juni, bei einem anderen VU die Monate April bis Mitte Juli. Für Mais variieren die Haftungszeiträume zwischen allen VU.

- Messzeiträume
Zusätzlich legen die VU Messzeiträume fest. Dabei handelt es sich um Zeiträume, in denen die Niederschlagsmengen erfasst werden. Der Leistungsfall tritt erst ein, wenn eine bestimmte Niederschlagssumme in diesem Messzeitraum unterschritten wird (sog. Niederschlagsgrenzwert).
Die Messzeiträume weichen in den Vertragsbedingungen der VU voneinander ab. Die VU unterscheiden zwischen Messzeiträumen, die den gesamten Haftungszeitraum umfassen und Messzeiträumen, die nur Teile des Haftungszeitraums betrachten. So erfasst ein VU z.B. die Niederschläge innerhalb des Haftungszeitraums jeweils 56 Tage in Folge und prüft dabei, ob der Niederschlagsgrenzwert unterschritten wird. Andere VU ermitteln die Niederschlagsmenge für den gesamten Haftungszeitraum. - Messmethoden
Auch die Messmethoden unterscheiden sich: Ein VU lässt die Niederschläge mittels Radartechnik gemarkungsgenau messen und berücksichtigt zusätzlich das Wasserhaltevermögen des hauptsächlich vorliegenden Bodens. Bei zwei anderen VU werden die Niederschläge an vertraglich festgelegten Wetterstationen gemessen, die sich nicht zwingend in unmittelbarer Nähe der versicherten Fläche befinden.
3.5.1.3 Starkregen
Die Verträge der VU enthalten auch beim Risiko Starkregen unterschiedliche Bedingungen für den Eintritt des Leistungsfalls (Tabelle 5):

Diese unterschiedlichen Regelungen haben z.B. zur Folge, dass bei 30 Litern Regen pro m2 in 15 min nur bei zwei VU der Leistungsfall eintritt.
3.5.2 Förderung der Versicherungsprämien
Gemäß der MGV-RL werden die Versicherungsprämien mit bis zu 50% der zuwendungsfähigen Ausgaben bezuschusst. Damit handelt es sich um eine Anteilsfinanzierung.
Die Kalkulation von Versicherungsprämien durch ein VU basiert u.a. auf einer Risikoeinschätzung, die für jedes versicherte Risiko eigens erstellt wird. Werden verschiedene Risiken in einem Paket zusammengefasst, wie etwa aufgrund des verpflichtenden Katalogs in der MGV-RL, ergeben sich z.T. deutliche Auswirkungen im Vergleich zu Versicherungsverträgen über Einzelrisiken, wie Landwirte sie abschlossen, bevor es die MGV-Förderung gab.
So ist beispielweise in Gebieten mit ausreichenden Niederschlägen, jedoch hohem Hagelrisiko der Prämienanteil für das Risiko Trockenheit kleiner als für das Risiko Hagel. Wird die bestehende und bislang eigenfinanzierte Hagelversicherung in eine MGV überführt, wird damit die Gesamtprämie förderfähig. Die Prämienbelastung, die dem Landwirt nach Abzug der staatlichen Förderung verbleibt, ist damit bei erweitertem Leistungsumfang entweder nur unwesentlich höher oder sogar niedriger als für die reine Hagelversicherung ohne Zuschuss.
Der ORH wertete die Versicherungsunterlagen von 66 zufällig ausgewählten Betrieben aus. Daraus ergab sich u.a.:
- Beispiel: Hopfenbetriebe in Oberbayern, Niederbayern und Mittelfranken
Die Versicherungsunterlagen bei den Hopfenbetrieben zeigten, dass der Prämienanteil für das Risiko Hagel zwischen 86% und 94% der Gesamtprämie lag.
Der Fall eines Hopfenbetriebs in Oberbayern verdeutlicht die Auswirkungen beispielhaft (s. Tabelle 6): Dieser versicherte sich nach Einführung der MGV-Förderung gegen die Risiken Hagel und Sturm. Gegenüber der reinen Hagelversicherung, die er vor Einführung der Förderung bereits hatte, ergab sich für ihn eine Ersparnis von 2.878 €, also 33%, bei zugleich erweitertem Versicherungsschutz.

- Beispiel: Ackerbaubetriebe in Oberbayern und Schwaben
Die Versicherungsunterlagen von Ackerbaubetrieben aus diesen Regierungsbezirken zeigten, dass der Prämienanteil für das Risiko Hagel zwischen 39 und 65% sowie für das Risiko Trockenheit zwischen 4 und 34% der Gesamtprämie lag.
Der Fall eines Ackerbaubetriebs in Schwaben verdeutlicht die Auswirkungen beispielhaft (s. Tabelle 7): Für sein MGV-Paket wählte der Betrieb eine niedrige pauschale Erstattung von 10% der Versicherungssumme für das Risiko Trockenheit, sodass alle verpflichtenden Risiken eingeschlossen waren und er die Fördervoraussetzungen erfüllte.
Für die reine Hagelversicherung, die er bereits vor Einführung der MGV-Förderung hatte, hätte der Betrieb keine staatliche Förderung erhalten. Seine effektiven Mehrkosten nach Abzug der staatlichen Förderung betrugen 25 € bzw. 2%. Zugleich profitierte der Betrieb von einem erweiterten Versicherungsschutz, der nun auch die Risiken Sturm, Starkregen, Starkfrost, Trockenheit und Fraßschäden umfasste.

- Beispiel: Ackerbaubetriebe in Ober- und Unterfranken
Für andere Regionen in Bayern ergeben sich bei Abschluss eines förderfähigen MGV-Paketes deutlich höhere Kosten: Bei Betrieben in Oberfranken und Unterfranken betrug der Prämienanteil im Paket Ackerbau für das Risiko Hagel zwischen 5 und 12%, für das Risiko Trockenheit jedoch zwischen 66 und 76% der Gesamtprämie.
Der Fall eines Ackerbaubetriebs in Unterfranken verdeutlicht die Auswirkungen beispielhaft (s. Tabelle 8): Das geförderte MGV-Paket kostete den Betrieb nach Abzug der staatlichen Förderung 513 € mehr als seine zuvor bestehende reine Hagelversicherung. Die Prämienanteile für den - lt. MGV-RL obligatorischen -erweiterten Versicherungsschutz verteuerten die Gesamtprämie damit um über 260%.

Ein VU griff diejenigen Konstellationen, in denen sich Auswirkungen zugunsten der Landwirte ergaben, bei der Ausgestaltung seiner MGV-Pakete auf: Es entwickelte ein Angebot mit niedriger Entschädigungsleistung bei Trockenheit. Dieses richtet sich an Landwirte, deren Flächen in einer Region mit gewöhnlich ausreichend Niederschlägen liegen. Auf seiner Website warb es damit, dass die Landwirte mit diesem Paket alle Voraussetzungen für die staatliche Förderung erfüllen und von einer Beitragsersparnis profitieren würden.
3.5.3 Inanspruchnahme und regionale Verteilung der Förderung
Das Landwirtschaftsministerium strebt an, dass bis 2025 für 10% der landwirtschaftlichen Fläche[16] eine MGV abgeschlossen wird. Separate Zielvorgaben für Ackerbau, Grünland und OWBH gibt es nicht.
2023 beantragten insgesamt 4.999 Landwirte eine MGV-Förderung, 2024 waren es 6.117 (Steigerung um 22,4%, s. Tabelle 9). Die geförderte versicherte Fläche stieg im selben Zeitraum um mehr als 37%. 2023 waren 4,7% der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Bayern über geförderte MGV-Pakete versichert, 2024 waren es 6,6%.

Das Verhältnis der geförderten versicherten Flächen zur jeweiligen bayernweiten Gesamtfläche[17] unterscheidet sich zwischen den Kategorien Ackerbau, Grünland und OWBH deutlich (Abbildung 1):
- Der Anteil der geförderten versicherten Flächen an der Gesamtfläche liegt bei OWBH mit über 60% am höchsten, dabei handelt es sich überwiegend um Flächen für Hopfen.[18]
- Für Ackerbau-Flächen lag dieser Anteil 2024 bei 10%, für Grünland-Flächen bei unter 1%.

Die regionale Verteilung der Flächen, für die eine MGV-Förderung beantragt wurde, zeigt Tabelle 10. Daraus ergibt sich u.a.:
- Ackerbau: Der Anteil dieser Flächen lag 2024 mit 18% in Schwaben am höchsten, gefolgt von Mittelfranken mit 13% und Oberbayern mit 12%. Der Anteil in Unterfranken und Oberfranken unterschritt den bayernweiten Durchschnitt: 2024 lag der Durchschnitt bei 10%, während in Unter- und Oberfranken jeweils nur eine Quote von 5% bzw. 6% erreicht wurde.
- OWBH: Regionale Schwerpunkte der zur Förderung beantragten Flächen lagen 2024 mit jeweils über 86% in Oberbayern und Niederbayern sowie in Schwaben (44%) und Mittelfranken (39%).

3.5.4 Würdigung
Die Vertragsbedingungen der VU weichen bei den geförderten MGV teilweise deutlich voneinander ab. Aus Sicht des ORH sollte das Landwirtschaftsministerium in seinen Rahmenvereinbarungen mit den VU hierzu klarere Regelungen treffen.
Insbesondere im Bereich des Risikos Trockenheit haben die unterschiedlichen Messzeiträume und Messmethoden zur Folge, dass bei derselben Niederschlagsmenge je nach VU ein Leistungsfall eintritt oder auch nicht. Wenn trotz erheblicher Trockenheitsschäden z.T. keine Entschädigungen gezahlt werden, gefährdet dies langfristig die Akzeptanz von MGV und von deren Förderung. Gleiches gilt für die unterschiedlichen Definitionen des Risikos Starkregen.
Die Zahl der Antragsteller sowie die versicherte Fläche nahmen zwar im zweiten Förderjahr (2024) zu. Jedoch versicherten die Landwirte bisher auffallend wenige Grünland-Flächen. Sehr hohe Akzeptanz war bei MGV für Obst, Weinbau, Hopfen etc. zu erkennen, v.a. in Ober- und Niederbayern. In diese Sonderkulturen floss damit auch der Großteil der Fördermittel. Aus Sicht des ORH liegt die hohe Akzeptanz bei Hopfen insbesondere daran, dass die geförderten Prämienanteile für das Risiko Hagel überproportional hoch sind. Die MGV sind in diesem Bereich aufgrund der Förderbedingungen mit geringer Mehrbelastung oder sogar mit Beitragsentlastung erhältlich.
Ein erheblicher Anteil der staatlichen Finanzmittel wird damit de facto dafür verwendet, um Hagelversicherungsprämien zu subventionieren. Dies entspricht nicht dem Zweck der MGV-RL und führt zu systembedingten Mitnahmeeffekten.
Beim Ackerbau ist zu erkennen, dass Landwirte in Regionen mit hohem Hagelrisiko und geringem Trockenheitsrisiko den erweiterten Versicherungsschutz gut nachfragen. Anders ist dies in trockenen Regionen (Ober- und Unterfranken). Denn hier macht der Prämienanteil für das Risiko Trockenheit den größten Teil der Gesamtprämie aus. Trotz staatlicher Förderung verteuert sich der erweiterte Versicherungsschutz erheblich, was zur Zurückhaltung bei der Antragstellung in den betroffenen Regionen führt. Die MGV-Nachfrage bleibt damit in Regionen mit hohem Trockenheitsrisiko hinter dem bayerischen Durchschnitt zurück. Auch dies entspricht nicht dem Zweck der MGV-RL.
Der ORH hält es für zielführend, die MGV-Förderung zu evaluieren. Dabei sollte insbesondere geprüft werden, ob an den bisherigen Fördervorgaben zum Risiko Hagel festgehalten wird. Die Förderung müsste darauf ausgerichtet werden, dass die Marktdurchdringung in bisher unterdurchschnittlich versicherten und besonders gefährdeten Regionen steigt. Dies setzt voraus, dass die Versicherungsprämien auch in diesen Regionen bezahlbar werden. Einer bürokratiearmen Lösung ist dabei der Vorzug gegenüber größtmöglicher Einzelfallgerechtigkeit zu geben.
3.6 MGV-Förderung in anderen Bundesländern
Neben dem Freistaat Bayern fördern weitere Bundesländer MGV in der Landwirtschaft. Bei denjenigen MGV-Förderprogrammen, die neben dem Obst- und Weinbau zusätzlich weitere Kulturen einbeziehen, ergaben sich u.a. folgende Unterschiede zur bayerischen Förderung:

Niedersachsen hat außerdem ein Priorisierungsverfahren eingeführt, das alle Förderanträge durchlaufen müssen. Zweck dieses Verfahrens ist es, einen Anreiz für klimaangepasstes Wirtschaften zu schaffen und so das Ertragsrisiko bereits präventiv zu verringern. Hierfür wurden verschiedene Maßnahmen, die auf eine klimaangepasste Bewirtschaftung hinweisen, ausgewählt. Es handelt sich dabei um spezifische Öko-Regelungen sowie Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen. Darüber hinaus wird auch der Anbau klimaresilienter Kulturen (z.B. Sonnenblumen, Buchweizen) im Rahmen des Priorisierungsverfahrens honoriert.
3.6.1 Würdigung
Die MGV-Förderpraxis unterscheidet sich zwischen den einzelnen Bundesländern erheblich. Insbesondere eröffnen andere Bundesländer mehr Wahlfreiheiten bei den zu versichernden Risiken bzw. schließen eine Förderung von Prämien für das Risiko Hagel und damit systembedingte Mitnahmeeffekte in diesem Bereich aus. Zudem gibt es dort z.T. höhere Bagatellgrenzen für die Förderung. Dies kann aus Sicht des ORH zu einem effizienteren staatlichen Finanzmitteleinsatz und Bürokratieabbau führen.
Die Förderpraxis der anderen Bundesländer sollte aus Sicht des ORH bei der geplanten Überarbeitung der MGV-RL berücksichtigt werden. Hierbei sollte insbesondere die Förderung der Risiken Hagel und Fraßschäden evaluiert werden.
Dr. Markus Link Dr. Walter Schmitt
Ministerialdirigent Ltd. Ministerialrat

[1] Nicht berücksichtigt wurden z.B. unvollständig ausgefüllte Fragebögen sowie Antworten von Antragstellern, deren Förderanträge vollständig abgelehnt worden waren.
[2] Vgl. Nr. 2 der MGV-RL.
[3] Richtlinie des Landwirtschaftsministeriums zur Gewährung von Zuwendungen zum teilweisen Ausgleich von Schäden in der Landwirtschaft, Binnenfischerei und Aquakultur vom 30.05.2018 i.d.F. vom 01.12.2021.
[4] Dort Anlage 1.
[5] Vgl. Teil A Nr. 2 bzw. Teil B Nr. 3.5 der SchadensausgleichsRL. Zur Außerkraftsetzung dieser Vorgabe siehe den ORH-Bericht 2022 TNr. 54 zu Finanzhilfen für Frostschäden 2017 sowie den ORH-Bericht 2024 TNr. 53 zu Finanzhilfen für Hochwasserschäden 2021; vgl. außerdem den ORH-Bericht 2017 TNr. 39 zum ähnlichen Vorgehen im Zusammenhang mit der Vorgänger-Richtlinie bei der Soforthilfe nach Wirbelsturmschäden vom Mai 2015.
[6] Mittel aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).
[7] Vgl. den Bericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums über Versicherungslösungen mit und ohne staatliche Unterstützung vom 06.09.2019, S. 92, abrufbar unter diesem Link.
[8] Regierungserklärung vom 20.05.2021, abrufbar unter diesem Link.
[9] Version 5.1 des GAP-Strategieplans der Bundesrepublik Deutschland, abrufbar unter diesem Link.
[10] Siehe Haushaltsplan 2023, S. 94, sowie Haushaltsplan 2024/25, S. 90.
[11] Der Koalitionsvertrag ist abrufbar unter diesem Link.
[12] Vgl. Nr. 2.2 Satz 2 sowie Nr. 2.3 Satz 2 der Verwaltungsvorschrift zu Art. 53 BayHO.
[13] Vgl. Nr. 5.1 Satz 6 der MGV-RL.
[14] Vgl. Nr. 3 Satz 1 der MGV-RL.
[15] Die Entschädigungssumme errechnet sich je nach Vertragsgestaltung anhand eines pauschalen Prozentsatzes der zwischen VU und Landwirt vereinbarten Versicherungssumme.
[16] Genauer: 10% der Fläche, die von den sog. Mehrfachanträgen (MFA) erfasst ist, die alle bayerischen Landwirte jährlich stellen, um damit u.a. die EU-Fördermittel für die Landwirtschaft zu erhalten.
[17] Gesamte Fläche der jeweiligen Nutzungsart bedeutet: Fläche dieser Nutzungsart gemäß der Mehrfachanträge (MFA), die alle bayerischen Landwirte im jeweiligen Jahr insgesamt stellten.
[18] Im ersten Förderjahr (2023) entfielen innerhalb der Kategorie OWBH 80% der geförderten Flächen auf den Hopfenanbau.